Aus Goethes Frühzeit. Wilhelm Scherer

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Aus Goethes Frühzeit - Wilhelm Scherer

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Lerse zu Strassburg, s. Stöber Alsatia (1873) S. 33 ff. Ebenso wie mit der sogen. Shakespearerede muss sich nun Goethe schon früher einmal an den Sitzungen der Strassburger litterarischen Gesellschaft aus der Ferne betheiligt haben, nach den Worten an Röderer in dem angeführten Briefe: 'Es freut mich, dass mein reden unter Ihnen mit εξουσια gesalbt war'. Und wenn er unmittelbar darnach ohne Uebergang von der Baukunst redet, so muss zwischen dem 'reden unter Ihnen' und der Baukunst ein innerer Zusammenhang obwalten. Mit einem Wort, ich glaube, dass er die drei ersten Abschnitte jener Schrift der Gesellschaft vorlegen liess, und da der erste Abschnitt offenbar in Sessenheim geschrieben ist, da die Frage des fünfgetürmten Hauptschmuckes, wovon der dritte Abschnitt redet, Goethen nach seiner eigenen Versicherung in der letzten Strassburger Zeit beschäftigte, so setze ich die ganze vordere Partie noch nach Strassburg – dem wesentlichen Bestande nach: denn wer wollte dafür einstehen, dass keine Correcturen vorgenommen, dass keine nachbessernde ändernde Abschrift gemacht worden. Zu meiner Meinung stimmt die Angabe von Lerse bei Böttiger 1, 60: 'Oft gingen sie (Goethe und Lerse) auf den Münster und sassen stundenlang auf seinen Zinnen. Dort entstand Goethes Erwin, die erste Schrift, die Goethe drucken liess.' Auch zwei andere früheste Goethische Schriften gehören ihrer Entstehung nach in die Strassburger oder die unmittelbar folgende Zeit: der Brief des Pastors und die Zwo biblischen Fragen: das scheint mir aus innern Gründen klar; äusserlich kommt hinzu, worauf Hr. v. Loeper aufmerksam macht, dass nach Lerse aaO. Goethes erste Strassburger Dissertation nichts anderes als die Behauptungen der ersten jener Zwo biblischen Fragen enthielt.

       Inhaltsverzeichnis

      'Jedoch ist immer der Versuch zu machen, die Vernunft der Unvernunft zu finden' sagt Dr. G. von Loeper über das concerto drammatico (Loepers Nachlese bei Hempel 5, 241; DjGoethe 2, 197). Und so seien denn ein paar Bemerkungen gestattet, welche etwa weiter führen, ohne Alles erklären zu können.

      Hr. von Loeper setzte das Gedicht früher in den Januar 1772, später in den Anfang des Winters 1772 auf 73 (DW. 3, 317): ich möchte es dem Februar 1773 zutheilen, indem ich darauf beziehe die Worte [vom 11. Febr. 1773] an Kestner DjGoethe 1, 349: 'Ehstertage schick ich euch wieder ein ganz abenteuerlich novum'. In demselben Briefe wird angespielt auf den Götz, den er zum Druck bereite, und er redet von dem Mädchen, die er sein liebes Weibchen nenne: denn 'neulich als sie in Gesellschaft um uns Junggesellen würfelten, fiel ich ihr zu'. Düntzer versteht darunter Susanna Magdalena Münch, die mit Lotten am selben Tage geborne (Erläut. zu Clavigo und Stella S. 4; vgl. v. Loeper Anm. 600).

      Das Gedicht ist klärlich Antwort auf ein Schreiben aus Darmstadt, wol eine Collectivepistel der Freunde, auf welche wir Beziehungen erwarten dürfen.

      Im ersten Stücke der Suite, Tempo giusto, wird der Darmstädter Brief als eine Eingebung der Langenweile bezeichnet: offenbar war über Langeweile darin geklagt worden. Das zweite Stück, Allegretto, leitet ebenso das Frankfurter Mariagespiel, wovon der Brief an Kestner handelt, aus der Langenweile ab. Das Arioso interpungire ich:

      Gekaut Papier! Sollts Junos Bildung seyn?

       Gar grossen Dank! Mag nicht Ixion seyn.

      Goethe hat statt des Frage- ein Ausrufungszeichen; wir dürfen aber ohne weiteres, wie Heinse bei Erwin und Elmire, Ausrufungszeichen in Fragezeichen verwandeln (QF. 2, 67).

      Im übrigen nehme ich an, dass der Darmstädter Brief durch die Sendung einer wohlbeleibten Frauenfigur von papier mâché begleitet war, Anspielung auf die 'junonische Gestalt' von Lottens Freundin, welche ihm Merck zu Wetzlar statt Lottens empfahl (DW. v. Loepers Ausg. 3, 101. 352). Zu Ixion vgl. DW. 3, 182.

      Für Allegro con furia und Cantabile scheint wieder ein Brief an Kestner Parallelstellen zu bieten, [vom 28. Januar 1773] DjGoethe 1, 344. 345. Ich bitte die Leser ihn aufzuschlagen, damit ich ihn nicht ganz abschreiben muss. Dieselben Stimmungen sind dort contrastirt wie hier. Ein grässlicher Sturm weckt ihn um Mitternacht, da denkt er an Antoinettens idyllische Vorstellungen vom letzten Abend: wie sie Mond, Wasser, Brücke, Schiffe so paradiesisch schön findet und die Leute glücklich preist, die auf dem Land, auf Schiffen, unter Gottes Himmel leben, dass sich ihm die Empfindung aufdrängt: 'Ich lass ihr die lieben Träume gern, macht ihr noch mehr dazu, wenn ich könnte'. So redet das Cantabile gleichsam Antoinetten an und sucht den Aufruhr der Natur für sie abzuschwächen, um ihr die illusionsreiche Ruhe nicht zu stören.

      Sturm und Brand selbst, die er in jener Nacht erlebte, schildert er übertreibend, indem, wie schon v. Loeper anmerkt, ein Höllen-Breughel vorschwebt: 'andere Bilder in der Imagination' hatte er am Morgen. Gemälde wirken entschieden ein auf seine dichterische Phantasie; wir sind berechtigt darnach zu suchen, erzählt er uns doch, wie er in Dresden einzelne Scenen der Wirklichkeit mit den Augen eines Schalken oder Ostade unwillkürlich betrachtete. So möchte ich im Leipziger Liederbuch die Poesie des Mondes auf Aart van der Neer zurückführen (Dresdener Gallerie Nr. 1215. 1216, Hübners Katalog von 1857 S. 247); Faust in der Hexenküche könnte auf Anlass einer Versuchung des h. Antonius concipirt sein.

      Die uns vorliegenden Verse sind natürlich unmittelbar nach dem Ereignisse niedergeschrieben und dann hier eingefügt. Wenn der Dichter im Brausen des Sturmes die Noth verdammter Geister sausen hört, so ist an die Vorstellung vom wilden Jäger im Götz zu erinnern (DjGoethe 2, 158 f. 364 f.)

      Im darauffolgenden Andantino interpungire ich: 'Der Frühling brächte Rosen nicht gar? Ihr möchtet sie wol lieber im Januar?' Die sentimentalen Darmstädter Freundinnen hatten in dem gemeinsamen Briefe offenbar den Frühling herbeigesehnt und dabei von den Rosen gesprochen, die er brächte. Goethe verspottet die chronologisch-botanische Gedankenlosigkeit, die etwa Caroline Flachsland zuzutrauen ist. Der Frühlingssehnsucht sind ihre Briefe damals voll, ich verweise nur auf den vom Ende Januar 1773 an Herder (Aus Herders Nachlass 3, 442) welcher beginnt: 'So komm, Frühling, o komm, o komm, und bring meinen Jüngling in meinen Arm! So geh denn, Winter!' Hiermit wird dann gleich das Lamentabile klar: Caroline ist als sprechend zu denken.

      Für das Allegro con spirito weiss ich nichts als Möglichkeiten. War Goethe, den Herder (Nachlass 3, 446) Anfangs Februar als 'kalten Weiberhasser' bezeichnet, in dem Darmstädter Briefe auf ähnliche Weise geneckt worden? Empfahl man dem, der nicht lieben könne, der in der Liebe dem Nichts huldige, empfahl man ihm als Gegensatz des Nichts jene Juno? Oder hatte man über das Nichts geklagt, das die Langeweile schafft? das Nichts gespannter Erwartung? das Nichts liebeleerer Existenz?

      Jedenfalls singt im Choral die Darmstädter Gemeinschaft der Heiligen, indem sie auf die Paternosterbitte ums tägliche Brot anspielt.

      Im Capriccio darf man dem Gelüst, dumm in drum zu emendiren, nicht nachgeben; aber der Zusammenhang ist wirklich so: aus Angst vor Langerweile will nichts auf Erden stille stehen. Folgen dann Beispiele der Bewegung. Dem sonderbaren alterthümlich gemeinten i in herumi didumi vergleicht sich mutilich, männilich in Liebetrauts Lied nach der ungefähr gleichzeitigen Fassung des zweiten Götz (DjGoethe 2, 280), welches Lied auch im Rhythmus übereinstimmt; ferner geistilich im Pater Brey (ibid. 3, 222). Ebenso nachher is statt ist wie im Pater Brey und sonst.

      Das erste Beispiel, die erste Variation, braucht keine momentanen Elemente zu enthalten. Allenfalls wäre an die Tänzer vom 28. Januar (DjGoethe 1, 345) oder an die Aeusserung vom 22. Februar, wenn sie nicht zu spät fällt (1, 350) zu erinnern: 'Ihr werdet tanzen. Wohl seys euch. Alles tanzt um mich herum. Die Darmstädter, hier, überall und ich sitze auf meiner Warte.' Die Worte 'Bricht eines sein Hälsli, das ander – Gott weiss' kann ich nicht mit v. Loeper verstehen 'Gott weiss, wann auch das andre bricht', sondern nur so dass 'eines' und 'das ander' correspondirend stehen: 'weiss Gott, was das andre bricht'.

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