Der Wehrwolf: Eine Bauernchronik. Löns Hermann
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Читать онлайн книгу Der Wehrwolf: Eine Bauernchronik - Löns Hermann страница 4
Ängstlich sah ihn das hübsche Mädchen, das auf dem Wulfshofe als Lütjemagd angefangen hatte, in die Augen: »Sieh man bloß zu, daß du weiter kommst! Je eher daß du fortkommst, je besser ist das für dich. Das sind ja keine Menschen nicht, das ist das reine Vieh. O Gotte!« Sie schlug die Schürze vor das Gesicht und weinte los.
»Na, Deern,« beruhigte Harm sie, indem er ihr auf die Schulter schlug, »das ist alles man ein Übergang. Aber recht hast du, wer hier nichts verloren hat, soll sich nicht weiter aufhalten.« Er bezahlte die beiden Krüge Bier, gab dem Mädchen ein Bringgeld und ging nach den Ställen. Da war es noch toller als vor dem Hause. Sieben Roßknechte, einer noch schlimmer aussehend als der andre, hielten einen alten Trödeljuden zum besten, spuckten ihm in die Hände, warfen ihm seine Waren durcheinander und wollten ihn zwingen, Schweinewurst zu essen. Drei andere stachen eine Sau ab, einer machte sich mit einem Taternmädchen das knapp zwölf Jahre alt sein konnte, zu schaffen, ein anderer lag besoffen auf dem Mist und noch einer hatte einen Hahn in den Händen und drehte ihm den Hals ab.
»Gottes Wunder,« dachte der Bauer, »was ist das für eine Zucht und Wirtschaft!« Er drückte sich an den betrunkenen Völkern vorbei und ging in den Pferdestall. Sein Falber war da, hatte aber ein herrschaftliches Geschirr um und zwei Mantelsäcke aufgeschnallt. Er schirrte ihn ab, machte sich ein Halfter aus einem Ende Strick und führte das Pferd aus dem Stalle. Schon war er meist vom Hofe, da kam ihm ein Reiter, der einen roten Bart hatte, der ihm bis über den Kragen hing, entgegen und schnauzte ihn an, wo er mit dem Pferd hinwolle.
»Das ist doch von jeher mein Falber gewesen!« gab ihm der Bauer zurück. »Ferdl, Tonio, Pitter, Wladslaw, daher, daher!« schrie der rotbärtige Mensch; »wem ist das Pferd hier, diesem Mann da oder Korporal Tillmann Anspach? Häh? Ruft ihn mal her! Wollen doch mal sehen, wessen Wort mehr gilt, das von einem ehrlichen Kriegsmann, der für die reine Lehre fechten tut, oder von so 'nem Bauern, der zu Fuße kommt und zu Pferde weiter will!«
Harm bekam einen roten Kopf und faßte nach der Hosennaht, wo er das Messer stecken hatte, aber er besann sich, denn er war einer gegen anderthalb Dutzend, und nun kam auch der Korporal an, ein Mensch, so dürr wie ein Bohnenstiefel und mit einer Narbe vom Auge bis zum Kinn, und hinter ihm noch ein Dutzend Reiter, die alle Gesichter hatten wie dem Gottseibeiuns seine Vetternschaft.
Als der Korporal hörte, wovon die Rede war, schüttelte er den Kopf, hob zwei Finger hoch und schwur: »So wahr ich hier auf zwei Beinen stehe,« und dabei hob er den einen Fuß auf, »verdammigt will ich sein, wenn das nicht der Falbe ist, den ich zu Martini von Schlome Schmul zu Kölle am Rhing für dreißig schwere Taler und einen guten Weinkauf erstanden habe. Darauf will ich leben und sterben, so wahr ich ein getreuer Christenmensch und kein papistischer Hundsfott bin!«
Harm Wulf sah sich um: er stand zwischen dreißig oder mehr verwogenen Kerlen, denen es auf eine Handvoll Menschenblut weiter nicht ankam. Betrunken waren sie ja alle, und wenn er erst auf dem Falben saß und er gab ihnen die Eisen in die Zähne! Aber der Gaul war schließlich nicht wert, daß er sich dafür in Not und Gefahr begab, und das Tier hatte eine dumme Gewohnheit: es stand auf den Pfiff! Sollte es also einem von den Kerlen in den Kopf kommen, zu flötjen, dann war er der Dumme und seine Frau konnte auf ihn lauern, bis sie alt und grau war, denn drei, viere von den Koppelknechten machten schon ihre Messer locker, und das Frauensmensch da mit dem schwarzen Haare, von dem die Butter nur so herunterlief, stieß den Kerl, der neben ihr stand, den scheeläugigen mit den Blatternarben, in einem fort in die Rippen und machte Augen wie ein Wolf, der Luder wittert.
Harm Wulf lachte mit eins auf. »Kinder und Leute,« juchte er, »das ist ja hier ein Leben, noch doller als beim Martensmarkt auf der Burg! Da wird so ein Haidbauer, als wie ich bin, der man alle halbe Jahre einen fremden Menschen zu sehen kriegt, ganz dösig von im Koppe. Ist ja auch wahr! Ich habe ja meinen Falben in der Burg! Ja, ja, man soll vor dem Mittagbrot den Schnaps aus dem Balge lassen. Na, denn nichts für ungut! Irren ist menschlich, sagte der Hahn, da gab er sich mit der Ente ab. Und nun wollen wir einen nehmen, daß die Haide wackelt!«
»Kiek sieh,« schrie er lauthals, »da ist ja auch mein alter Freund,« und damit nahm er den Mann mit dem schwarzen Schnauzbart, der die rote Feder auf dem Hute stecken hatte, unter den Arm und schrie über den Hof: »Howingvater, Trine, Deern, hille, hille! Bier her!«
Als die Reiter ihm lachend folgten, warf er einen Reichstaler auf das Fensterbört und sang: »Ich hab' noch einen Taler, der soll versoffen sein,« stieß mit jedwedem an und machte seine Witze, aber dabei wahrte er sich den Rücken, behielt seine Lippen trocken und goß das Bier und den Schnaps über seine Schulter gegen die Wand.
Die hübsche Trina wußte nicht, wo sie so schnell Bier herkriegen sollte, so lustig ging es zu. Aber als sie zum achten Male wiederkam, war der Wulfsbauer nicht mehr da. Er hatte einen Witz von Ulenvaters quantester Sorte zum besten gegeben, und als die betrunkene Bande vor Lachen nicht wußte, wo sie bleiben sollte, und einer dem anderen, der sich auf die Landessprache nicht verstand, verklarte, was der Bauer gesagt hatte, und sich auf die Reithosen schlug und wie ein Ochse brüllte, da gab Wulf der Wirtin etwas in das Ohr, und auf einmal schrie die: »Das Essen ist da! Zum Essen!« Da standen alle auf und Wulf drückte sich hinter die Bäume.
Er kam glücklich davon. Einen Koppelknecht, der ihm in die Möte kam, stieß er mit der Faust unter das Herz, daß der Mensch ohne ein Wort in die Jauche schlug. Der Rotbart fragte ihn: »Brudder, libber Brudder, trinken wirr noch eins?« aber er gab ihm einen Buff, daß der Kerl mit dem Kopf in die Hecke schoß, und als das Taternmädchen Hallo schreien wollte, machte er ein paar Augen und hielt ihr das Messer vor das Gesicht, daß sie erst so weiß wie ein Bettuch wurde, ihn dann anlachte und sagte: »Ei a su a starkes Mahn, hiebsches Mahn!« Er aber trat sie von sich weg und sprang in den Busch, und als er erst dort war, da verholte er sich, biß die Zähne durcheinander, machte eine Faust und fluchte: »Ich sollte man bloß, ich sollte man, wenn ich noch ein lediger Kerl wäre! dann solltet ihr mir den Falben bezahlen, was er wert ist, ihr Schweinepack!«
Aber als er dann in der Haide war, beruhigte er sich, und als er meist beim Hofe war und seine Frau ihm entgegenkam, ganz weiß im Gesicht und ordentlich blau unter den Augen, denn noch keinmal war er so lange ausgeblieben, da konnte er schon wieder mit dem Munde lachen und ihr das, was ihm zugestoßen war, so erzählen, als wenn das bloß ein dummer Spaß gewesen wäre.
Doch als er hinterher in der Butze lag und überdachte, wie es ihm gegangen war, machte er die Finger an beiden Händen krumm. Wenn er nicht an seine Frau gedacht hätte, die da neben ihm lag und so ruhig schlief, als wenn es auf der Welt nichts und weiter nichts als lauter Engel gab, dann hätte er am liebsten geflucht wie sein Schwiegervater, wenn der ganz falsch war, loslegte: »Das tote Pferd soll dich schlagen!« hätte er geflucht.
Aber so lag er da, ohne sich zu rühren, obzwar ihm stickend heiß war. Den Morgen hatte er noch das Brummelbeerlied durch die Zähne geflötet, als er nach der Stadt ritt, und jetzt? Jetzt lag er da und dachte an das Lied, das der rotbärtige dicke Kerl ihm in das Gesicht gebrüllt hatte, derselbe Kerl, dem er nachher den Heckenstößer gezeigt hatte. Wie ein unkluges Stück Vieh hatte er gebrüllt:
Der Mansfeld kommt,
der Mansfeld kommt,
der Mansfeld ist schon da,
truderiderallala,
jetzt ist der Mansfeld da.
Die Braunschweiger