Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen. Charles Sealsfield

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Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen - Charles  Sealsfield

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bis er die ganze Masse Erde aufgeworfen und die Überbleibsel seines Vaters gesammelt hatte. Das erste und einzige Mal in seinem Leben schluchzte er laut und vergoß heiße Tränen. Dann rannte er zum Grabe seiner Mutter. Der Pflug war hier tiefer eingedrungen. Nur wenige Zoll Erde bedeckten noch ihre Gebeine. Mit unsäglichem Schmerze legte er diese zu denen seines Vaters. Der Mond goß sein volles Licht auf den Wilden, als er auf der gefrornen Erde vor dem Sarge lag.

      »Geist meines Vaters!« stöhnte er, »du hast wahr gesprochen. Die Hufe der Tiere der Weißen sind über deinen Grabhügel gegangen. Sie haben ihn flach getreten. Sieh herab von deiner Wohnung. Der Sohn hat getan, was du ihm geboten hast. Er wird deine Überreste nun dahin nehmen, wo keine freche, grabschänderische Hand sie stören, wo seine eigenen Gebeine ruhen sollen. Er will sie unter seinem Volke begraben. Geist meines Vaters! bitte den großen Geist, daß er auf seine Kinder mit mildem Antlitz sehe, daß du einst wieder ihrer Taten dich freuen mögest. Dein Sohn ist gleich einer vermoderten Eiche. Viele Stürme haben seine Kraft gebrochen, seine Äste sind zerschellt, sein Geist seufzt. – Geist meines Vaters! Wenn du das Antlitz des großen Geistes siehst, bitte ihn für deinen Sohn, seine Kinder!«

      Das Hundegebell ließ sich abermals hören.

      »Ich höre die Stimme des Vorläufers der Feinde meines Geschlechtes. Lebe wohl, Vater- – Mutterland! Lebt wohl, ihr Bäume, in deren Schatten Tokeah so oft sich gekühlt hat, während des heißen Sommers, – wo er geruht hat nach der langen Jagd. – Lebe wohl, Strom! wo er seine Glieder so oft erfrischt, wo er das Ruder zuerst gehoben. – Lebt wohl, ihr Hügel, auf welchen sein Vater zuerst seine schwachen Arme gelehrt hat, den Bogen zu spannen!«

      Der Mond goß seine Silberstrahlen wieder hinter dem zarten Flaume von Wolken hervor. Das Gebelle ward zum dritten Male gehört. –

      »Großer Geist!« bat er, »du hast mit hellen Augen auf die Taten des Kindes gesehen. Öffne die Ohren seiner Brüder, auf daß sie die Worte hören, die er ihnen sagen wird.«

      Er stand sodann auf, und nachdem er den Riemen um seinen Hals gelegt, nahm er den Sarg an seine Brust und kehrte zurück zu den Cumanchees. Den beiden Oconees winkte er, und diese entfernten sich in verschiedenen Richtungen.

      »Der Geist meines Vaters hat wahr gesprochen«, redete er seinen Sohn an. »Der Pflug ist über den Grabhügel gegangen, der seine Gebeine einschloß. Der Hügel selbst ist zertreten, verschwunden.«

      »Tokeah hat wie ein frommer Sohn, wie ein großer Miko getan«, erwiderte der junge Mann. – »Aber die Cumanchees und Pawnees und die Oconees sind verwaist, der Pfad, den Tokeah und El Sol zu gehen haben, ist lange – der weißen Rose wird bange sein.« – Er hielt plötzlich inne.

      Der alte Häuptling warf einen forschenden Blick auf ihn und sprach dann: »Die roten Männer wissen, daß Tokeah auf dem Pfade ist, das Gebot des großen Geistes zu erfüllen. – Aber mein Sohn hat etwas auf dem Herzen, er muß seine Zunge lösen.«

      El Sol schwieg jedoch, und sie setzten sich zu ihrem Mahle. Als sie dieses eingenommen, traten sie ihren Rückweg an. Es war jedoch nicht derselbe Weg, den sie gekommen waren; ihre gegenwärtige Richtung lag mehr südöstlich. Der junge Häuptling schien ungeduldig zu werden. Schweigend, jedoch mit der den Indianern eigentümlichen Selbstverleugnung, folgte er dem greisen Häuptlinge durch eine Landschaft, die von der, durch welche sie bisher gekommen waren, gänzlich verschieden war. Gewächse, Bäume, das Erdreich, die zerstreuten Pflanzungen, die ihnen aufstießen, selbst die Zäune um die Gärten an den Häusern waren verschieden. Sie bemerkten an diesen Zäunen häufig die Gerippe von Tieren, die dem Mexikaner fremd zu sein schienen; lange, fürchterliche Gerippe mit ungeheuern Rachen und Zähnen, die einen noch immer grinsend anblickten, als wollten sie die Wanderer verschlingen. Sie waren in Alabama, wo die häufigen Aligatoren gewöhnlich von den Pflanzern als eine Art Trophäen an den Zaun aneinander gereiht werden, so wie die Amerikaner sonst die Adler und andere Raubvögel an ihre Scheunen als Warnungszeichen für die Hühnerdiebe heften. Ihre Schritte wurden nun mit jeder Stunde sorgsamer. Sie vermieden nicht nur ängstlich die Wohnungen der Weißen, sondern auch jede zufällige Begegnung derselben; durch die dunkelsten Wälder, die unzugänglichsten Dickichte, die weglosesten Sümpfe ging ihr gefahrvoller Weg schnell und mit einer Sicherheit, die die Gefahr wittert und ihr instinktartig zu entrinnen weiß. Endlich, nach einem Marsche von mehreren Tagen, langten sie in einem weiten, tiefen Tale an, das, von mäßigen Hügeln umschlossen, in der abgeschiedensten Verborgenheit lag. Der alte Mann setzte seinen Sarg auf die Erde, winkte seinem Sohne zu bleiben, und verließ seine beiden Begleiter.

      Nach einer Weile wurde ein durchdringend langes Pfeifen gehört, so schneidend, so gellend, daß die Nachteulen zu Hunderten in ein lang schallendes Gelächter ausbrachen – dann erfolgte eine tiefe Stille. Wieder erschallte das Pfeifen, von einem ohr- und herzzerreißenden Tone begleitet, der weder von Tieren noch Menschen herzurühren schien, und wieder erfolgte eine lange Stille. Ein drittes Mal ertönte dieses Pfeifen, schneidender und durchdringender als zuvor, und nun war es, als ob aus der Ferne ein Gezisch und Gemisch von Tönen und Stimmen vernehmbar würde, so klagend, so heulend, wie das Geheul des Wolfes, wenn er in langen, schmerzlichen Todesmartern sich wälzt. Bald darauf erschien der alte Mann und setzte sich schweigend an die Seite seines Sohnes.

      Achtunddreißigstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Mit einem Male wurde es hell. Rot und wild flackernde Flammen schlugen durch das Gebüsch und erleuchteten die grausige Waldesnacht. Aus den verschiedenen Zugängen kamen eine Menge Gestalten trottend auf die beiden Häuptlinge zu, neigten ihre Häupter, kreuzten ihre Hände auf der Brust und ließen sich dann, ohne ein Wort zu reden, am Rasen auf die gewöhnliche Art nieder. Ihre Anzahl war bereits auf fünfzig gestiegen; aber sie mehrte sich mit jeder Minute, so daß sie sich endlich auf mehrere Hunderte belaufen mochte. Die meisten der wilden Ankömmlinge waren in ihre Wolldecken gehüllt, unter denen sie das Jagdhemd und den Wampumgürtel mit der Lendenbedeckung trugen. Viele aber hatten bereits Fragmente amerikanischer Kleidung, obwohl in so bunter Mischung, daß sie, bei Tage und in weniger schauerlichen Umgebungen gesehen, leicht Lachen hätten erregen können. So hatten einige Beinkleider, aber weder Schuhe noch Strümpfe. Andere hatten Hüte, auf deren Kronen bleierne Bilder in dem breiten blechernen Bande staken, wieder andere hatten Röcke ohne Beinkleider oder Westen ohne eine andere Bekleidung, das Jagdhemde und die Wolldecke ausgenommen. Nur wenige waren ganz in das amerikanische Kostüm gekleidet. Auch in der Art, wie sie sich den beiden Häuptlingen nahten, war etwas ganz Eigentümliches. Es schien, als ob sie mit Widerwillen herankämen; ihre wilden und durch den unmäßigen Genuß des Feuerwassers halb vertrockneten Gesichtszüge gaben weder Freude noch Teilnahme zu erkennen, eher eine gewisse Scheu, einen unwillkürlichen, halb unterdrückten Schauder. Der alte Mann war gesenkten Hauptes in der Stellung sitzengeblieben, die er eingenommen hatte. Als er endlich seine Augen aufschlug und sein Blick über die versammelte Menge hingleitete, starrten ihn die Wilden mit einem so glotzend gleichgültigen Ausdrucke an, als wären sie mit Entsetzen beim Anblicke ihres frühern Häuptlings erfüllt. Da wurde seine Miene schmerzhaft düster, und ein bitteres, beinahe höhnisches Lächeln verzog seinen Mund. Ein ältlicher, aber ganz nach amerikanischer Weise gekleideter Mann, von einer ins Kupferrot schillernden Gesichtsfarbe, trat keck vor den alten Häuptling, sah ihn eine Weile höhnisch lächelnd an, und seine Kienfackel in die Erde stoßend, setzte er sich unter die Vordersten im Halbkreise. »Joseph, der Oconee«, murmelten alle – und dann erfolgte wieder eine lange Pause.

      Die Wilden hatten sämtlich ihre Kienfackeln in die Erde gesteckt, und der Widerschein des rot in ihre grimmigen Gesichter schlagenden Lichtes gab der Versammlung einen Ausdruck, der wild pittoresk gewesen wäre, wenn nicht die übel angebrachten Fragmente amerikanischer Kleidung diesen Eindruck ins Lächerliche verzerrt hätten.

      »Sind

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