Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen. Charles Sealsfield

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Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen - Charles  Sealsfield

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Ihre Lendenhemden, am Wampumgürtel befestigt, reichten bis an die Knie und an einem Riemen, der quer über die Schultern hing, war ihr Tabaksbeutel befestigt. Sie trugen ihr volles Haar, und keiner hatte den sogenannten Skalpierzopf. Obgleich die Versammlung bloß zufällig und die Unterhaltung mehr eine vertrauliche schien, so hatten die Männer doch augenscheinlich ihre Plätze nach ihrem Range eingenommen. Der innere Halbzirkel nämlich war von den Ältern besetzt, während die Jüngern einen zweiten und dritten Halbkreis bildeten. In der Mitte dieses Bogens saß ein alter Mann, auf den die Blicke der Versammlung mit einem besondern Ausdruck von Vertrauen und Ehrfurcht gerichtet waren und dessen merkwürdiges Äußere, verbunden mit dieser ausgezeichneten Achtung, das Oberhaupt des Völkchens andeutete.

      Es ließ sich nicht leicht etwas Interessanteres denken als diesen Mann, dessen Körper aus nichts als Haut und Knochen zu bestehen schien. Alle fleischigen, gröbern Teile waren aufgetrocknet und nichts war übriggelassen als Sehnen und Adern. Sein offenes Jagdhemde ließ eine Brust erblicken, die, viel breiter als die der übrigen, einem verhackten Brette glich und ein gräßliches Hautrelief von Narben und Wunden darbot. Auf dem Gesichte ruhte finsterer, stoischer Ernst, mit einem Ausdrucke von Resignation, der seinen stolzen vertrockneten Zügen ein seltsames Gepräge schwerer Kämpfe und furchtbarer Seelenleiden gab. Sieben Jahre von Verbannung und der Sturz seines Stammes hatten diese Veränderung im Miko der Oconees hervorgebracht. Sein Haupt war auf die Brust gesunken, und er saß vertieft in Gedanken.

      »So hat denn unser Volk abermals eine Hälfte seines Landes verloren«, sprach ein alter Indianer, der im inneren Halbzirkel saß, mit einer Betonung, die zwischen Frage und Bemerkung die Mitte halten sollte.

      Der alte Mann, den wir soeben beschrieben, hielt eine Weile inne und sprach dann, ohne seine Stellung zu verändern, im tiefen Kehlentone und mit einer Würde, die jeden Zweifel zu verbieten schien.

      »Ein Elk kann dreimal über unseres Volkes Land zwischen Sonnenauf- und Untergang jagen.«

      Dem Indianer, der die Frage getan, entfuhr ein tiefes Klaggestöhn; dann griff er in den Tabaksbeutel, nahm einige Blätter zwischen die Finger und den Daumen und schnitt sie in kleine Teilchen, die er in die flache Hand fallen ließ, einigemal mit der andern rieb und dann in seine Pfeife stopfte. Er zündete diese sofort mittelst eines Schwammes an, setzte sie auf die Erde und hüllte sich in eine Rauchwolke.

      »Und der heilige Grund wurde gefärbt mit dem Blute der roten Männer?« fragte ein zweiter.

      »Der Gräber der Erschlagenen sind zwanzigmal mehr, als der Männer der Oconees, die nun mein Auge sieht«, erwiderte der Miko in demselben Trauertone. »Ihre Leichname lagen auf der Erde gleich den Blättern der Bäume, und die langen Messer und die Gewehre der Weißen waren tief in ihr Blut getaucht. Nie werden die Creeks imstande sein, die Tomahawks aus dem Grunde zu graben. Aber«, fuhr er fort, sein Antlitz erhebend, dessen Züge einen besonderen Ausdruck annahmen, während seine schwarzen, feurigen Augen Blitze schossen, »Tokeah hat es seinen Brüdern vorausgesagt, als er vor sieben und vor siebenmal sieben Sommern zu ihnen gesprochen. Seht, das waren seine Worte: Der weißen Männer sind nur wenige, ihre Stärke ist die der Weinrebe, die sich um unsre Bäume windet. Ein einziger gut treffender Hieb des Tomahawks, und die schwache Ranke ist vom Baume gehauen, und er ist befreit von der wuchernden Schlingpflanze. Laßt sie aber nur zehn Jahre wachsen, so wird sie ihre Sprößlinge um die Bäume winden, mit ihren verräterischen Armen sie umschlingen und sie langsam töten. Seht in diesen Reben den weißen Mann; schwach ist er gekommen, schwach war er noch, als Tokeah zuerst seinen Tomahawk geschwungen; aber er hat sich seitdem gewunden und gekrümmt wie die Rebe, und wie die Rebe hat er sich über unsre Wälder und Täler verbreitet und zahlreich wie die Reben sind die Weißen geworden und werden, so wie diese unsre Bäume, uns ersticken mit ihrem Feuerwasser und uns ertöten mit ihren langen Messern und aufessen mit ihrem nimmersatten Hunger. Und alles Korn unsrer Felder und Wild unsrer Wälder wird nicht zureichen für ihre ewig leeren Magen, und der rote Mann wird weichen müssen vor ihnen. Es ist geschehen«, sprach der alte Mann mit feierlicher Stimme. »Nochmals hat sie der Miko vor sieben Sommern gewarnt. Es war seine letzte Warnung. Damals hat er seine Boten zum großen Tecumseh gesandt, das Band der Einigung zwischen beiden Völkern wieder anzuknüpfen. Seine Boten haben die Pfeife des Friedens mit dem großen Häuptling geraucht, und er hat versprochen loszuschlagen, wenn die Muscogees das Kriegsgeschrei erheben würden. Aber unsre Brüder unter den Muscogees haben ihre Augen und Ohren vor dem Miko verschlossen und Tokeah als einen betrachtet, der damit umging, den Samen der Zwietracht zwischen seinen Brüdern und den Weißen zu säen. Ja!« sprach er mit Würde nach einer kurzen Pause. – »Tokeah hat gesucht, diesen Samen der Zwietracht zu säen, er hat sich bemüht, die verräterische Freundschaftskette zu brechen, welche die Roten mit den Weißen nicht verband, sondern sie fesselte an diese. Ja, er wollte den Samen der Zwietracht säen, auf daß die Saat seine und ihre Feinde vertilge, sie vertilgt für immer von dem Lande unsrer Vorfahren, auf dem wir nun heimatlose Flüchtlinge sind. Aber die Muscogees wähnten im Miko einen Verräter zu sehen, und die falsche Zunge seiner Brüder, die das Feuerwasser der Yankees und ihre Korallen mehr liebt, als die Freiheit, hat seine Reden dem weißen Vater verraten, und Tokeah hatte das Land seiner Väter zu meiden, wollte er nicht den Feinden seines Geschlechtes ausgeliefert werden. Der große Geist hat die roten Männer verblendet, so daß sie ihre wahren Brüder nicht mehr erkennen konnten und im Miko der Oconees ihren Feind sahen. Sie haben zugegeben, daß die Yankees sich über das ganze Land verbreitet, und, nachdem sie zahlreicher geworden als der Büffel auf den Fluren der großen Cumanchees, haben sie, die Toren, das Kriegsgeschrei erhoben, und wurden – geschlagen und vernichtet.«

      Ein dumpfes Stöhnen erhob sich in der Versammlung und dauerte eine geraume Weile. Der Sprecher fuhr fort.

      »Ihre bleichenden Gebeine sind nun mit Erde bedeckt, und ihr Blut ist vom Regen weggewaschen; aber ihr Land ist von ihnen genommen, auf ihren Flüssen schwimmen nicht mehr ihre Kanus. Die Rosse der Weißen laufen nun auf breiten Pfaden durch ihre Wälder, die angefüllt sind mit Krämern und absterben durch ihre verwüstenden Hände. Was ihre Kugeln und ihre langen Messer übriggelassen, wird ihre gekrümmte Zunge, ihr Feuerwasser vollends aufreiben. Tokeah hat ihn gesehen, den heiligen Grund, er hat sie gesehen, die verbrannten, zerstörten Dörfer seines Volkes, er hat also gesehen seine Brüder, sie gesehen, wie sie vor den Häusern mit gemalten Schildern lagen, Schweinen gleich, ihre Gewehre und Tomahawks mit Kot besudelt, sie selbst die Zielscheibe der Verachtung und Beschimpfung der schwarzen Sklaven.«

      Die letzten Worte hatte er mit einer beinahe schmerzlichen Wut mehr herausgestoßen als ausgesprochen. Ein dumpfes Geheul entfuhr der Versammlung. Der alte Mann fuhr fort:

      »Durch die Wälder, in denen Tokeah als Häuptling, als ein mächtiger Miko gejagt, hat er gleich einem Diebe im Dunkeln schleichen müssen, wenn die Sonne hinter den Bergen war. Sein Volk, die Blüte des roten Geschlechtes, hat er im Unflate, in Pfützen sich wälzen gesehen.« Als er diese Worte gesprochen, fiel sein Haupt wieder in seine beiden Hände, und eine lange Pause erfolgte.

      »Und hat der große Miko nicht zu seinen Brüdern geredet?« fragte der zweite Indianer. Der Häuptling erhob sein Antlitz und betrachtete den Sprecher einige Augenblicke mit einem würdevollen Ausdrucke.

      »Hat mein Bruder vergessen,« sprach er endlich, »daß unsre roten Brüder jenseits des großen Flusses selbst das Band zerrissen haben, welches Tokeah und seine Männer an sie knüpfte, und daß sie ihn und die Seinigen verrieten und sie zwangen, dem Lande ihrer Väter den Rücken zu wenden? Nur ein Tor wird zweimal sprechen. Seine Brüder haben ihre Ohren verschlossen vor sieben Sommern, als es noch Zeit war, einen Schlag zu tun; und nun hat der Miko seinen Mund verschlossen. Seine Zunge war gebunden, als er das Grab seiner Väter zum letzten Male sah; denn sein Herz war mit seinen treuen Männern. Aber nicht lange, und die Muscogees werden von den Weißen aus ihrem noch übriggebliebenen Besitze getrieben werden, so wie sie die Hirsche und Elke über den großen Fluß getrieben. Sie werden kommen, um ihre Wigwams auf dieser Seite des großen Flusses aufzuschlagen; dann wird Tokeah seine geöffnete Hand ausstrecken,

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