Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen. Charles Sealsfield

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Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen - Charles  Sealsfield

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Verwirrung errötend über die unschuldige Verstellung, mit der sie ihre Freundin zu täuschen suchte.

      Die Indianerin, die ein Überschuß von sechs Jahren vor Rosa ohne Zweifel ein wenig mit den Künsten bekannt gemacht hatte, deren eines ihre Freundin soeben auf sie anzuwenden willig schien, brach in ein lautes Gelächter aus. »Seht einmal,« rief sie, »wie die weiße Rosa zu lügen gelernt hat in einer Nacht. Sie spricht zu ihrer Schwester von der Fährte und dem gebrochenen Rohre, um das sie sich gerade so viel kümmert wie der Miko um Glaskorallen, während ihr Herz bei dem Fremdlinge ist. Canondah wird die weiße Rosa dafür züchtigen.«

      »Und wundert sich Canondah,« fragte die letztere im sanften Tone, »daß ihrer Schwester Herz bei dem Anblick eines weißen Bruders höher schlägt? Würde Canondahs Herz nicht auch klopfen, wenn sie, unter den Weißen lebend, plötzlich einen Bruder ihres Stammes, ihrer Farbe sähe?«

      Die Indianerin starrte sie mit offenen Augen an. »Und sehnt sich meine Schwester zu den Weißen?« fragte sie gespannt.

      Des Mädchens Haupt war auf ihr Kissen gesunken, sie weinte. Die Indianerin sprang an sie heran und schloß sie in ihre Arme. »Canondah will ihrer Rosa viele, viele Freude machen; aber sie darf nicht betrübt sein, sie darf nicht zu den Weißen, Canondah könnte nicht ohne sie leben. Aber komm,« fuhr sie fort, indem sie ihr ein Kalikokleid hinhielt, »Rosa muß heute dieses nehmen und die Squaws betrügen helfen.«

      Das Mädchen schlüpfte seufzend in das Überröckchen, warf ein Tuch um ihren Busen, trippelte vor die Hütte, vor der ein klarer Quell sprudelte, und kehrte lieblich wie die Morgenröte in das Stübchen zurück, um mit der Freundin ihr Frühstück zu verzehren. Zwei Körbchen mit Trauben gefüllt, Kuchen von indianischem Korn und eine Schale Milch. Rosa schien mit Ungeduld in der Hütte zu verweilen; aber die Indianerin schwieg hartnäckig still, und kaum hatte sie ein paar Bissen gegessen, so schlüpfte sie allein zur Türe hinaus.

      Rosa setzte sich seufzend zu einem kleinen Tischchen, auf dem ihr Arbeitszeug lag: ein Stück Seidenzeug, dessen Hiersein wohl Befremden erregen konnte.

      Es war ein Stück ausgesuchten Gros de Naples, das bereits zu einem Kleide zugeschnitten war. Drei Stunden mochten verflossen sein, als die Indianerin zurückkehrte; ein zufriedenes Lächeln spielte um ihren Mund.

      »Wir haben ein Kanu gebaut, während Rosa schlief,« sprach sie, »und sie muß mitgehen und unsre erste Fahrt sehen.«

      Beide Mädchen gingen sofort dem Flusse zu, wo sich die Squaws und Mädchen neuerdings versammelt hatten und bloß auf die Tochter des Häuptlings warteten, um ihre Arbeit zu vollenden. Sobald die beiden Mädchen am Ufer angekommen waren, rissen die Squaws die Pfähle, an welche das bereits fertige Kanu befestigt war, los, und alle Hände waren beschäftigt, die Öffnungen mit Gummi auszufüllen. In einer halben Stunde war dieses getan. Die Alte, die das Ganze geleitet hatte, übersah nun noch einmal die einzelnen Teile, und als sie ihr »Gut« ausgesprochen hatte, winkte Canondah vier Mädchen, die sogleich das leichte Fahrzeug ergriffen und es dem Wasser zutrugen. Sie selbst, mit drei Gespielinnen, hatten sich mit Rudern versehen, und sie sprangen, als der Kahn ins Wasser gesetzt wurde, in denselben.

      »Rosa«, rief die Indianerin, »ist ein wenig furchtsam, und muß deshalb zurückbleiben; aber das nächstemal, wenn das Kanu nicht bricht, wird sie mit uns kommen.«

      Das Fahrzeug hatte sich inzwischen, einer leichten Feder gleich, in schaukelnde Bewegung gesetzt. Ein einziger Ruderschlag war hinlänglich, es weit in den Strom hinauszutreiben. Die Indianerin ergriff nun mit ihren Gespielinnen die Ruder.

      Nichts konnte der Geschicklichkeit und Grazie gleichkommen, mit der die Mädchen ihre Ruder handhabten. Sie saßen im Hinterteile des Kahnes, und, das Ruder ins Wasser senkend und ihre Körper vorwärts biegend, brachten sie es schnell in eine parallele Linie mit ihrer Schulter, wandten die Schneide der Strömung zu und gewannen so die nötige Richtung. Die Art des Ruderns der Eingeborenen in diesen Gegenden unterscheidet sich von dem gemessenen Ruderschlage der Amerikaner und ist der Bewegung der Wasservögel nicht unähnlich. So wie die Ente ihren Fuß mit einem kurzen Stoß vorwärts wirft und dann zurückzwingt, mit ebenso vieler natürlichen Behendigkeit behandelten die Mädchen ihre Ruder. Zuerst fuhren sie eine kurze Strecke stromaufwärts, wandten sich dann und flogen mit Blitzesschnelle abwärts, wandten sich wieder und trieben so eine geraume Zeit ihr Spiel. Die andern Kähne hatten sich mittlerweile gleichfalls mit Mädchen gefüllt, und die sechs Schiffchen schienen nun ernstlich willens, sich in ein Wettrudern einlassen zu wollen. Zuerst stellten sie sich in eine Linie, und als mit lautem Rufe von dem Truppe der Squaws am Ufer das Zeichen gegeben wurde, setzten sie ihre Hände in Bewegung. Es war jedoch bald zu ersehen, daß das neue Kanu die Überhand gewann. Ehe die übrigen den ziemlich großen Bogen, den hier der Fluß bildet, verlassen hatten, war es bereits weit in der Strömung vorangeeilt, die unmittelbar darunter anfängt. Plötzlich wurde ein scharf durchdringender Schrei gehört. Noch einen Augenblick wurde das Kanu von den andern gesehen, und dann verschwand es zwischen dem Rohre. Von allen fünf stieg nun ein gleich durchdringender Schrei aus, der für die Mädchen und Weiber am Ufer das Signal zu einem um so schnellern Wettlaufe wurde, als Ängstlichkeit und Neugierde die spornende Veranlassung waren.

      Rosa war sinnend dagestanden. Sie hatte wohl einen Schrei gehört, aber sie wußte nicht, woher er kam. Nun hatte sie sich vom Strudel mit fortreißen lassen und war so viel als möglich geeilt, mit den vordersten gleichen Schritt zu halten. Auch war es ihr eine Zeitlang gelungen, so lange nämlich als die Richtung, die die laufenden Weiber nahmen, nicht ganz deutlich war. Als aber die vordersten die Lichtung bereits überschritten und den bekannten Pfad einschlugen, begann ihr Herz zu pochen. Immer langsamer wurden ihre Schritte, ihre Füße schienen ihr den Dienst zu versagen, und sie mußte einige Zeit innehalten. Daß es dem Fremdlinge galt, dessen war sie gewiß. Aber warum hatte Canondah die Squaws selbst auf die Spur gebracht? Sie keuchte zitternd dem Pfade entlang, wo sie endlich, am Kottonbaume angelangt, Weiber, Mädchen, Jünglinge und Knaben versammelt fand, die Jüngern voll Verwunderung, die Alten mit finstrer Miene den Fremdling anstarrend.

      Ein dumpfes Gemurmel, das sich erhob und stärker und stärker wurde, schien eben kein sehr günstiges Vorbedeutungszeichen der Gastfreundschaft der roten Weiber für den Jüngling, der, auf den Baumstamm gelehnt, seine Augen noch immer geschlossen hatte, allem Anschein nach sich dessen unbewußt, was um ihn herum vorging. Der Teppich und das Halstuch waren jedoch verschwunden, und seine Wunde lag den Blicken der Menge offen.

      »Seht,« sprach Canondah, die mitten im Kreise der Squaws und Mädchen stand, »der Häuptling der Salzsee hat einen Boten in seinem Kanu gesandt, und die große Wasserschlange hat ihn gebissen.«

      Sie warf diese Worte mit einer Zuversicht hin, die allem, was sie sprach und tat, jenes bestimmte Gepräge gab, dem man nicht leicht widersprechen konnte. Mit der nämlichen Offenherzigkeit erzählte sie, daß sie in ihrem Wettrennen bis zur Stelle gekommen, wo der Fremde es versucht hatte, sich dem Ufer zu nähern. Ob jedoch sie selbst ihre Gefährtinnen auf die zurückgelassenen Merkmale seines Versuches aufmerksam gemacht, oder ob die drei Mädchen mit der den Indianern eigenen Scharfsichtigkeit die Entdeckung gemacht, war noch immer zweifelhaft. Diese erzählten jedoch ganz unbefangen die gemachte Entdeckung, wie der Jüngling sich mühsam durch die Palmettofelder gezwungen und erschöpft am Baume niedergesunken sein müsse. Einige der alten Squaws hatten den Bericht schweigend, aber mit einer Miene angehört, die nichts weniger als Überzeugung auszusprechen schien. Sie hatten ihre Blicke auf die Erde gerichtet, und mehrere waren selbst in den Bruch eingedrungen. Canondah, ohne sie der geringsten Aufmerksamkeit zu würdigen, winkte einigen Mädchen eine Handbahre zu bereiten, und ihre Worte hatten sogleich die gewünschte Wirkung. Die alten Squaws, ferneres Nachspüren aufgebend, beeilten sich den Mädchen zuvorzukommen. Sie schnitten zwei Stämme mit ihren langen Taschenmessern ab, legten über diese Palmettostangen und belegten sie mit spanischem Moose. Canondah lächelte freundlich den alten Squaws zu, sie bedeutete ihnen, den Fremdling auf diese

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