Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen. Charles Sealsfield

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Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen - Charles  Sealsfield

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Häuptlinge der Salzsee«, erwiderte sie mit leiser stockender Stimme.

      »Vom Häuptlinge der Salzsee? Und kommt der hieher?«

      »Er kommt, wenn seine Leute Welschkorn, Wildbret oder Tabak brauchen, und dann bleibt er mit ihnen oft viele Tage im Wigwam.«

      »Und die schöne Rosa hat auch einen Tauschhandel mit dem Seeräuber?« fragte er in gleicher seemännischer Weise und nicht ohne Spott.

      Sie warf einen furchtsamen Blick auf ihn und erwiderte dann bittend, beinahe demütig: »Der Pfeil des Schmerzes sitzt tief im Herzen deiner Schwester, mein Bruder. Du mußt ihn nicht noch tiefer drücken. Sie muß die Geschenke des Häuptlings der Salzsee – des Diebes«, sprach sie mit Abscheu, »annehmen. Der Miko hat es geheißen.« Sie brach in einen Tränenstrom aus, begleitet von einem lauten Schluchzen.

      »Mein Bruder«, sprach die Indianerin hinter der Tapete, »muß sanft ins Ohr der weißen Rosa sprechen. Sie ist sehr zart. Siehe, sie hat ihm Wein und eine Wolldecke in den hohlen Baum gebracht und hat bei ihm gewacht, als er schlief; die Rosen sind beinahe von ihrem Gesichte gewichen.«

      »Rosa!« stammelte der Jüngling, auf sie zustürzend; »das haben Sie für mich getan?« Seine Stimme versagte ihm den Dienst. Er faßte ihre beiden Hände.

      »Aber Canondah!« bat Rosa mit unterdrücktem Vorwurfe.

      »Mein edles Mädchen, Vergebung«, rief der Jüngling, sich vor ihr niederlassend und ihre Hand ergreifend. »Wie habe ich so viele Güte um Sie verdient?« Es zuckte fieberisch durch seine Glieder. Er zitterte, der Angstschweiß brach auf seiner Stirne aus. Plötzlich fuhr er mit seiner Hand über diese hin, sprang auf und stürzte durch die Türe.

      Ein Tornado tobte in ihm, der das Schifflein seines Verstandes in den Abgrund zu senken drohte. Er rannte durch das Dörfchen wie ein Rasender.

      Die Indianerin unterbrach abermals seine wilden Träume, als er am Waldesrande halb rasend auf und ab tobte. Beinahe hätte er sie wegen dieser abermaligen Zudringlichkeit rauh angefahren; aber in ihrer Miene lag etwas so Gebieterisches, ihr Blick ruhte so finster, beinahe feindselig auf ihm, daß ihm dies für jetzt seine Zunge band.

      »Unsere Krieger«, sprach das Mädchen, »lassen ihre Squaws Felder pflügen und Korn säen und die Tabakspflanze bauen; aber sie stoßen ihnen nicht den Stachel ihrer gekrümmten Zunge in die Herzen. Mein Bruder ist kein Krieger, aber er liebt gleich der Schlange mit seiner Zunge zu vergiften und den Giftzahn in meiner armen Schwester Busen zu stoßen, die ihm das Leben gerettet hat. Mein Bruder ist eine alte, boshafte Squaw, ein Yankee«, sprach sie mit Abscheu, ihm den Rücken kehrend.

      »Halt!« rief der Jüngling; »ich bitte dich, vergib meiner unvorsichtigen Zunge. Ich will –«

      »Mein Bruder mag die Tränen trocknen, die er ins Auge der weißen Rosa gebracht hat. Sie ist Canondah teurer, denn ihr Leben.« – So sprechend, deutete sie auf die Hütte ihres Vaters, während sie selbst einen andern Weg einschlug.

      Mechanisch folgte er ihrem Winke. Es war nicht Roheit oder Bosheit gewesen, die dem jungen Seemann die unbesonnene Frage auf die Zunge gebracht hatte. Es war vielmehr ein Ausbruch seiner jungen seemännischen, etwas tollen Natur, verbunden mit einem gewissen Spleen, einer üblen Laune, die einem jungen, selbst gebildeten Seeoffizier, der seit einiger Zeit bloß den Umgang roher Schiffsgesellen oder kurz befehlender Oberer genossen, nicht selten entwischt. Die Symptome von tiefer Scham waren deutlich hervorgetreten. – Er eilte der Wohnung Rosas zu.

      Mit dem lieblichen Kinde war eine bedeutende Veränderung vorgefallen. Das elegante Seidenkleid, das seidene Halstuch waren durch ein einfaches Kalikokleid ersetzt. Selbst ihren Kamm hatte sie abgelegt, und ihre Haare hingen in natürlichen Locken um ihren glänzend weißen Nacken. Ihre Brasseletts lagen neben ihr auf dem Sofa.

      »Können Sie, Miß, meiner Unart verzeihen?« bat er herzlich.

      »Mein Bruder hat recht,« erwiderte sie, »und Rosa hatte unrecht, die Geschenke des Diebs zu nehmen.«

      »Vergebung, nochmals Vergebung«, bat er, der den Sinn ihrer Rede nicht verstand und in seiner Verwirrung die Veränderung in ihrem Anzuge nicht bemerkt hatte.

      »O, Rosa hat keinen Groll in ihrem Herzen, aber mein Bruder wird sie nicht mehr bitter ansehen, sie will auch nie wieder vom Diebe etwas annehmen.«

      »Und gibt es kein Mittel, Sie von dem Piraten zu befreien?« fragte er teilnehmend. »Sprechen Sie aufrichtig; was in meinen Kräften steht, will ich gerne tun.« Ihr Auge flammte freudig auf.

      »Der Miko ist sehr gut gegen die Freunde der roten Männer«, sprach sie. »Sieh, er hat dem Seediebe eine Hütte gegeben und Fülle von Welschkorn und Wildbret; aber er liebt den Seeräuber sehr, und sein Auge heitert sich auf, wenn er im Wigwam ist; der Seedieb«, setzte sie leiser hinzu, »führt jedoch auch Krieg gegen die Yankees, die Todfeinde des Miko. Mein Bruder sagt, daß die Schiffe seines Volkes vor dem großen Flusse liegen, daß seine Brüder gegen die Yankees in den Krieg ziehen. Der Miko wird dich freundlich dafür aufnehmen.«

      »Der Miko ist also im Kriege gegen die Yankees begriffen?« fragte der Brite rasch.

      »Sie haben ihm viel Böses zugefügt, sie haben ihm das Erbteil seiner Väter genommen, ihn vertrieben.«

      »Und er rächt sich auf indianische Weise und skalpiert sie, wo er sie findet?«

      Sie schüttelte das Haupt. »Der Miko ist schrecklich und furchtbar, aber er ist auch gerecht und gut«, sprach sie gerührt. »Er ist weit gegen die untergehende Sonne gezogen, um nie wieder die Weißen zu sehen.«

      »Und wie ist er mit dem Seeräuber bekannt geworden?« fragte er immer gespannter. »Die Indianer sind doch sonst nicht große Freunde vom Salzwasser.«

      »Vierundzwanzigmal hat sich der Vollmond erneuert,« sprach das Mädchen geheimnisvoll, »als der Seedieb auf dem Flusse in einem großen Boote heraufkam«, sie wies auf den Natchez. »Er hatte viele wilde Männer bei sich, häßliche Menschen, schwarz, braun und gelb. Sie stürzten, gleich bösen Wesen, aufs Ufer. Als sie aber das Dorf und die Hütten gesehen, zogen sie sich auf einmal zurück und sammelten sich in einen großen Haufen, der, sowie die laute Stimme des großen Diebes gehört wurde, sich in mehrere kleinere teilte, die das Wigwam von allen Seiten, die des Waldes ausgenommen, umringten. Einer dieser Haufen war vor die Hütte des Miko gezogen. Der Häuptling jedoch war bereits mit allen den Unsrigen in jenem Walde, wo er sich im Hinterhalt gelagert. Es vergingen uns viele Stunden in banger Angst, als der Seeräuber ohne Waffen auf den Wald zukam, die flache Hand ausstreckend, und um Frieden und Freundschaft bittend. Sonderbar!« sprach sie, »der Miko, der jeden Weißen mehr als die Wasserschlange haßt, empfing den Dieb, führte ihn in sein Wigwam und schloß Freundschaft mit ihm. Auch die Weiber kamen aus dem Walde, um für die wilden Menschen Speise zu bereiten; aber die Krieger und jungen Männer blieben mit uns zurück.«

      Sie beschrieb den Besuch oder vielmehr den Überfall des Seeräubers auf eine so kunstlos lebendige Weise, der Schauder und Schrecken malte sich so wahr in ihrem schönen Gesichte, daß der junge Mann ihr in der höchsten Spannung zugehört hatte.

      »Die Sonne«, fuhr sie bewegt fort, »hatte sich bereits hinter die Baumgipfel versteckt, als von der Hütte Mi-li-machs her ein ängstliches Geschrei ertönte. Es kam von seiner Tochter, die zwei Diebe mißhandelt hatten. Der große Dieb war sehr aufgebracht. Alle seine Männer mußten in einen Haufen zusammentreten, wo sie eine kurze Beratschlagung hielten. Als sie sich trennten, faßten sechs Männer die zwei, die an unserem Mädchen Böses getan hatten, und

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