Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen. Charles Sealsfield

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Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen - Charles  Sealsfield

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Hand des Miko«, sprach dieser, »ist geöffnet und wird sich nicht schließen; aber die Stimme der Oconees muß gehört werden.«

      »Diesen will der Häuptling der Salzsee etwas in die Hände drücken, das seine Worte wie Musik in ihren Ohren ertönen machen soll«, erwiderte der Seeräuber. »Ich habe ganz artige Dinge für die Männer, Squaws und Mädchen mitgebracht. Auch für Euch etwas, in dem Ihr Euch wahrhaft mikomäßig – zum Verlieben – ausnehmen sollt.«

      Der Leutnant hatte sich zurückgezogen, und die Nacht war hereingebrochen, der Halbmond schwand eben hinter den westlichen Baumgipfeln hinab, der alte Mann war aufgestanden und trat schweigend mit seinem Gaste vor die Türe. »Mein Bruder«, sprach er mit bewegter Stimme, »ist nicht mehr jung; aber seine Zunge ist närrischer, als die eines törichten Mädchens, das zum ersten Male Glasperlen an seinen Hals hängt. Mein Bruder hat Feinde genug; er hat nicht vonnöten, sich den großen Geist noch zu einem zu machen.«

      »Nun was das anbetrifft, mit dem wollen wir schon fertig werden«, sprach der Seeräuber lachend.

      »Mein Bruder«, fuhr dieser fort, »hat die Augen des Miko lange getäuscht; aber der große Geist hat sie ihm geöffnet, um sein Volk vor dem zu bewahren, der seiner und der Gebeine seiner Väter spottet. – Sieh,« sprach er, indem er auf die Mondsichel hinwies, die über den Gipfeln der Bäume schwebte, und seine hagere Gestalt schien sich ins Riesenartige zu verlängern; »dieses große Licht scheint auf die Ufer des Natchez, und es scheint über den Dörfern der Weißen; weder der Häuptling der Salzsee, noch der Miko der Oconees haben es gemacht; es ist der große Geist, der es angezündet. Hier« – indem er auf das schlanke Palmettofeld hinwies, dessen Säuseln wohltönend zu ihnen herüberrauschte – »seufzet der Atem der Ahnen des Miko; in den Wäldern, wo er geboren wurde, heult er im Sturme; beide sind der Atem des großen Geistes – die Winde, die er in den Mund unserer Voreltern legt, die seine Boten sind. Der große Geist hat die Haut Tokeahs rot, die seiner Feinde weiß gefärbt, er hat ihnen zwei Zungen gegeben, und sie verstehen sich nicht; aber der große Geist versteht sie, und er erhört die Bitten der weißen und der roten Männer; sie lispeln mit verschiedenen Zungen, so wie hier unser Rohr lispelt, und unsre Eiche im Geburtsland des Miko knarret und kracht. Höre!« sprach er nun, und wieder richtete er sich auf lang und langsam, und seine verwitterte Gestalt glich einem Wesen jener Welt; »der Miko der Oconees hat Euer Lebensbuch gelesen, er hat Eure Buchstaben gelernt, als er bereits zum Manne geworden; denn er sah, daß die Verschlagenheit der Weißen von ihren toten Freunden kam. Auch dieses Buch sagt, was seine Vorfahren ihm kundgetan, daß ein großer Geist, ein großer Vater lebe. Höre ferner« – sprach er – »der Miko war von seinem Volke zum großen Vater des weißen Volkes gesandt worden, und als er mit den übrigen Häuptlingen in die Dörfer kam, wo die Weißen den großen Geist in großen Councilwigwams verehren, fand er sie sehr gütig, und sie nahmen ihn und die Seinigen als Brüder auf. Tokeah hatte ein Gespräch mit dem großen Vater – sieh, dies ist von ihm« – er zeigte ihm eine große silberne Medaille mit dem Bilde Washingtons. »Er hat den großen Vater, der ein sehr großer Krieger und ein weißer Vater war, gefragt, ob er an den großen Geist seines Buches glaube, und derselbe hat ihm gesagt, daß er glaube, und daß dieser große Geist derselbe sei, den die roten Männer verehren. Das war die Rede des größten und gerechtesten Vaters, den die Weißen je hatten. Höre!« – fuhr er fort – »als der Miko in sein Wigwam zurückkehrte und gegen die untergehende Sonne kam, da gedachte seine Seele der Worte des großen Vaters, und er hielt sein Auge weit offen. Solange als er die hochaufgemauerten Councilwigwams sah, wo die Weißen ihren großen Geist anriefen, da wurden die roten Männer als Brüder empfangen; aber sobald sie diese Councilwigwams nicht länger sahen, und sie gegen ihre eigenen Wälder zukamen, da wurden die Antlitze der Weißen finster, weil der große Geist sie nicht erleuchtete. Tokeah hat sich überzeugt, daß die Männer, die den großen Geist nicht anrufen, keine guten Menschen sind. Und mein Bruder spottet des großen Geistes und lacht seiner Vorväter in den seligen Wiesen? – Und er will ein Freund der Oconees sein, denen er den einzig glänzenden Pfad rauben würde? Er will der Freund des Miko sein, der unter seiner Last gesunken wäre, wenn ihm seine Väter nicht herübergewinkt hätten? Geh?« sprach der alte Mann, sich mit Abscheu von ihm wendend; »er würde dem Miko und seinem Volke seine letzte Hoffnung nehmen.«

      »Gute Nacht!« sprach der Seeräuber gähnend. »An Euch ist ein Methodistenprediger verdorben.«

      Er wandte sich dem Councilwigwam zu, seiner Wohnung während seines jedesmaligen Aufenthaltes im Dörfchen der Indianer.

      Tokeah kehrte kopfschüttelnd in seine Hütte zurück. Kein Nachtgesang hellte die trübe Stimmung des gepeinigten Greises auf, und nur das grelle Pfeifen der Wache, die vor der Wohnung des Seeräubers und am Ufer sich alle zwei Stunden hören ließ, deutete auf das Dasein lebender Wesen im Wigwam.

      Fünfzehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      »Kapitän! Es ist eine ungewöhnliche Bewegung im Dorfe«; rapportierte der Leutnant, der die Türe des Councilwigwams geöffnet hatte und vor das Lager des Seeräubers getreten war.

      »Wieso?«

      »Die Wilden rennen und springen, als wenn ein Schock Teufel in sie hineingefahren wäre. Sie tragen Bündel, Lebensmittel und Waffen; alles ist auf den Beinen.«

      Der Seeräuber erhob sich von seinem Lager und warf sich in seinen Rock.

      »Suchen Sie das Nähere herauszufinden. Ich gehe unterdessen zum Alten. Sollten Sie etwas Verdächtiges spüren, so wissen Sie, was zu tun ist.«

      »Wohl, Kapitän.«

      »Kaum sollte ich jedoch denken,« sprach der Seeräuber halb zu sich selbst – »er hat mir noch gestern vor dem Schlafengehen eine Predigt gehalten, die mir zum wenigsten beweist, daß ihm mein Seelenheil am Herzen liegt.«

      »Aber, Kapitän, dürfte ich unmaßgeblichst –«

      »Was haben Sie, Leutnant? heraus damit!«

      »Wir haben noch ein ziemliches Streckchen vor uns bis wir zu – gelangen.«

      »Ich weiß es.«

      »Diese Verzögerung«; bemerkte der Leutnant schüchtern.

      »Hat seine guten Ursachen.«

      »Wohl, Kapitän.« –

      Der Leutnant verbeugte sich und schritt wieder dem Ufer zu; der Kapitän war nachdenklich auf die Wohnung des Miko zu gegangen. Er fand diesen vor seiner Hütte, seinen Blick starr auf den Fluß gerichtet. Als er den Seeräuber sah, schien er in etwas seine Fassung zu verlieren. Die Begrüßung erwiderte er herzlicher, als es bei seiner Ankunft geschehen war. Aber der alte Mann schien unruhig, rastlos zu sein und es immer mehr zu werden, was seltsam gegen seinen sonstigen unerschütterlichen Gleichmut und seine Starrheit abstach. Er war mit dem Seeräuber in die Hütte getreten; beide hatten sich gesetzt; doch nicht lange, so eilte er wieder zur Türe und, als ob er sich erinnerte, setzte er sich wieder. – Plötzlich erhob er sich, trat vor die Türe, streckte seinen Hals und schien zu horchen. – Auf einmal ertönte das Dorf von einem langen, fröhlichen Ausrufe, der wie ein Lauffeuer von Hütte zu Hütte ging, zuletzt in einem wilden Chorus endigte, in dem Männer, Weiber, Mädchen, Junge und Kinder ihre gellend durchdringenden Stimmen vereinigten. Der Miko war dem Councilwigwam schnell zugeschritten. Das ganze Dorf war in Aufruhr. Hinter jeder Hecke, aus jedem Gebüsche, jeder Hütte stürzten Männer, Weiber und Kinder wie rasend auf das Councilhaus zu; selbst die Anwesenheit des Miko schien sie nicht

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