Gesammelte Werke. Джек Лондон

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Gesammelte Werke - Джек Лондон

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du – aber wirklich!«

      Wieder sah sie ihn an. Alle Jahrhunderte des Weibes von ihrer ersten Geschlechtsregung an sprachen aus ihren Augen. Und er maß sie mit einem gleichgültigen Blick und wußte, daß sie, wenn er sie, die jetzt so dreist war, verfolgte, sofort schamhaft und vorsichtig ihren Rückzug antreten, aber stets, sobald sein Eifer nachließe, bereit sein würde, umzukehren. Aber auch er war nur ein Mensch, und er spürte ihre Anziehungskraft und fühlte sich unbewußt von ihrer Freundlichkeit geschmeichelt. Oh, er kannte ja dies alles, kannte diese Mädchen in- und auswendig. Gute Mädchen, was man in ihrem Stande »gut« nannte, Mädchen, die um geringen Lohn schwer arbeiteten und sich für zu gut hielten, als daß sie sich für ein angenehmeres Leben verkauft hätten; Mädchen, die erfüllt waren von einem fieberhaften Drang nach einem ganz klein wenig Glück in der Wüste des Daseins. Dann kam die Zukunft, die zwischen dem Elend ewiger Plackerei und dem noch größeren Elend schwankte, zu dem der Weg kürzer, wenn auch besser bezahlt war.

      »Bill«, antwortete er nickend. »Wahrhaftig, Bill und nicht anders.«

      »Du uzt mich nicht?« fragte sie.

      »Es ist nicht wahr«, mischte sich das andere Mädchen ein.

      »Woher weißt du das?« fragte er. »Du hast mich doch noch nie gesehen.«

      »Das ist nicht nötig, um zu wissen, daß du lügst«, lautete die Antwort.

      »Sag' nun, wie du heißt, Bill«, drängte das erste junge Mädchen.

      »Bill ist wohl ebensogut wie jeder andere Name«, sagte er.

      Sie griff seinen Arm und schüttelte ihn scherzend.

      »Ich wußte, daß du lügst, aber deshalb gefällst du mir doch.«

      Er nahm die Hand, die sie ihm entgegenstreckte, und fühlte auf der Handfläche vertraute Zeichen und Narben.

      »Wann hast du in der Konservenfabrik aufgehört?« fragte er.

      »Woher weißt du?« und »Gott, er ist wohl Gedankenleser!« riefen die jungen Mädchen im Chor.

      Und während er törichte Worte mit ihnen wechselte, wie sie für törichte Seelen paßten, erhoben sich vor seinen innern Augen die Bücherregale der Bibliothek voll von der Weisheit der Jahrhunderte. Er lächelte weiter bei dem Gedanken an den inneren Gegensatz in alledem, und ein starker Zweifel stieg in ihm auf. Und während er, von seinen inneren Gesichten und seiner rein äußeren Heiterkeit in Anspruch genommen, hier stand, hatte er sogar noch Zeit, die Menge zu beobachten, die aus dem Theater strömte. Und da sah er sie im Schein der Laternen, zwischen ihrem Bruder und dem fremden jungen Mann mit der Brille, und ihm war fast, als ob sein Herz stillstände. Lange hatte er auf diesen Augenblick gewartet. Er konnte eben das spinnwebfeine Tuch, das den stolzen Kopf verbarg, die schönen Linien der verhüllten Gestalt, die anmutige Haltung und die Hand, die die Röcke hob, bemerken, dann war sie verschwunden, und er stand da und starrte auf die beiden Fabrikarbeiterinnen, ihren armseligen Ersatz schöner Kleider, ihre tragischen Bemühungen, rein und fesch zu sein, den billigen Stoff, die billigen Bänder und die billigen Ringe an ihren Fingern. Er fühlte, wie die eine ihn am Arm zog, und hörte eine Stimme:

      »Wach' auf, Bill! Was ist los mit dir?«

      »Was sagst du?« fragte er.

      »Ach nichts«, antwortete das dunkle junge Mädchen und warf den Kopf zurück. »Ich wollte nur ...«

      »Was?«

      »Na, ich meinte nur, es wäre eine gute Idee, wenn du einen Freund hättest ... für sie« (sie zeigte auf ihre Freundin), »dann könnten wir Eis essen oder eine Tasse Kaffee trinken gehen.«

      Ein plötzliches Gefühl seelischer Übelkeit überkam ihn. Der Übergang von Ruth zu dem hier war zu plötzlich gewesen. Neben den dreisten, frechen Augen des jungen Mädchens sah er die klaren, strahlenden Ruths, Augen, die ihn an eine Heilige erinnerten, und die aus unermeßlichen Tiefen von Reinheit auf ihn blickten. Und er fühlte es mächtig in sich regen. Er war besser als die andern. Das Leben bedeutete für ihn mehr als für diese beiden jungen Mädchen, deren Gedanken nicht höher flogen als bis zu Eis und einem »Freunde«. Er erinnerte sich, daß er in Gedanken stets ein geheimes Leben gelebt hatte. Er hatte versucht, seine Gedanken mit andern zu teilen, aber noch nie hatte er eine Frau gefunden, die imstande gewesen war, ihn zu verstehen – und auch nie einen Mann. Er hatte es zuweilen versucht, hatte aber dabei seinen Zuhörer nur verwirrt. Und wie seine Gedanken höher flogen als die ihrigen, so verlangte er auch mehr vom Leben; aber eine Gesellschaft wie diese konnte ihm nicht mehr geben. Die dreisten, schwarzen Augen hatten nichts zu bieten. Er kannte die Gedanken, die hinter ihnen lagen – Gedanken an Eis und etwas mehr. Aber die heiligen Augen neben ihnen – die boten ihm alles, was er wußte, und mehr, als er ahnen konnte. Sie boten ihm Bücher und Gemälde, Schönheit und Ruhe und die ganze Feinheit und Auserlesenheit eines höheren Daseins. Er kannte jeden Gedanken hinter den schwarzen Augen. Das war wie ein Uhrwerk. Er konnte alle Räder sich drehen sehen. Was sie ihm boten, waren niedrige Genüsse, eng wie das Grab, Genüsse, vor denen man sich ekelte; und das Ende von allem war das Grab. Was aber die heiligen Augen ihm boten, war Mysterium, war das unergründliche Wunder und das ewige Leben. Er hatte einen Schimmer ihrer Seele darin gesehen, und dazu einen Schimmer seiner eigenen Seele.

      »Das Programm hat nur einen Haken«, sagte er laut. »Ich hab' heute schon eine Verabredung.«

      Ein Ausdruck von Enttäuschung flammte in den Augen des Mädchens auf.

      »Wohl bei einem kranken Freund wachen, was?« spottete sie.

      »Nein, eine wirkliche Verabredung mit –«, er stotterte, »mit einem Mädchen.«

      »Du führst mich nicht an?« fragte sie ernst.

      Er sah ihr in die Augen und antwortete: »Es stimmt schon. Aber warum können wir uns nicht ein andermal treffen? Du hast mir noch nicht gesagt, wie du heißt und wo du wohnst.«

      »Lizzie«, erwiderte sie, sofort besänftigt, und ihre Hand preßte seinen Arm, während sie sich anlehnte. »Lizzie Connolly. Und ich wohne an der Ecke der Fünften und der Market.«

      Er unterhielt sich noch einige Minuten mit ihnen und sagte ihnen dann gute Nacht. Er ging nicht gleich heim, sondern blieb unter dem Baum stehen, wo er so viele Stunden verbracht hatte, und murmelte: »Die Verabredung war mit dir, Ruth. Um deinetwillen habe ich sie gehalten.«

      Siebentes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Eine Woche eifrigsten Lesens war vergangen, seit er Ruth Morse zum ersten Male gesehen hatte, und noch wagte er nicht, sie zu besuchen. Immer wieder machte er sich Mut dazu, dann aber erhoben sich wieder Zweifel und erstickten seine Entschlossenheit. Er kannte nicht die passende Besuchszeit, es gab keinen, der sie ihm sagte, und so fürchtete er, eine nicht wieder gutzumachende Dummheit zu begehen. Da er aber seine Genossen und seine alte Lebensweise abgeschüttelt und keine neuen Genossen dafür erhalten hatte, konnte er nichts als lesen. Die langen Stunden, die er dieser Beschäftigung opferte, hätten ein Dutzend Paar gewöhnlicher Augen verdorben. Aber seine Augen waren von derselben wunderbaren Stärke wie sein Körper. In bezug auf Bücherweisheit hatte er sein ganzes Leben brachgelegen, und jetzt war er reif zur Aussaat. Nicht vom Studium überanstrengt, verbiß er sich jetzt in das Wissen, das er in den Büchern fand, verbiß sich mit scharfen Zähnen, die nicht locker lassen

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