Die heimliche Geliebte. Barbara Cartland
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Читать онлайн книгу Die heimliche Geliebte - Barbara Cartland страница 4
„Das ist so üblich, besonders wenn ein Gasthaus voll belegt ist“, meinte der Marquis lächelnd. „Erzählen Sie weiter.“
„Da Dorcas sich nicht wohl fühlte, half ich ihr ins Bett, bevor ich mein eigenes Zimmer aufsuchte. Sie ist schon alt und hat mich nur begleitet, weil sonst niemand da war und ich die Reise nicht allein unternehmen konnte.“
„Natürlich nicht“, stimmte er zu.
Im flackernden Licht des Feuers wirkte sie so bezaubernd, daß es ihn nicht wunderte, daß sie Stones Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte.
„Ich traf gerade Anstalten, mich auszuziehen, als es an meine Tür klopfte“, erzählte das Mädchen weiter. „Zu meinem Erstaunen war es der Wirt.“
Der Marquis hob die Augenbrauen, ohne etwas zu äußern.
„Als ich ihn nach seinem Begehren fragte, erging er sich in Entschuldigungen. Er habe mein Zimmer bereits vor Ankunft der Postkutsche anderweitig versprochen und es mir überlassen, als der Betreffende nicht auftauchte. Leider sei der Mann inzwischen doch noch angekommen, weshalb er mich bitten müsse, umzuziehen.“
Vanessa blickte den Marquis verwirrt an.
„Jetzt erscheint es mir sehr töricht, aber ich wußte einfach nicht, was ich tun oder sagen sollte. Und während ich noch zögerte, ergriff der Wirt meine Reisetasche und die bereits ausgepackten Kleidungsstücke und ging die Treppe hinunter. Da blieb mir nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.“
„Wohin führte er Sie denn?“
„In ein Zimmer auf diesem Stockwerk, das weit besser eingerichtet war als mein voriges. Der Wirt stellte meine Sachen hin und verabschiedete sich mit den Worten: ,Sie werden selbstverständlich keine Extrakosten haben, Madame, und es im übrigen hier viel bequemer finden.‘
Er war kaum gegangen, als mir auch schon klarwurde, daß ich ihn hätte fragen müssen, warum er den verspäteten Gast nicht in diesem Zimmer untergebracht hatte. Leider arbeitete mein Verstand so langsam, daß mir das viel zu spät einfiel.“
„Was haben Sie getan?“
„Mir fiel nichts ein, was ich tun konnte. Ich verschloß die Tür, zog mich aus und wollte gerade ins Bett schlüpfen, als ich eine zweite Tür bemerkte. Als ich mich gerade vergewissern wollte, daß auch sie verschlossen war, hörte ich auf der anderen Seite eine Stimme.
,Vielen Dank, mein guter Mann.‘
Ich wußte, wer da sprach.“
„Zweifellos Sir Julius Stone!“
„Allerdings! Mit einem Schlag war mir klar, wer für den Wechsel meines Zimmers verantwortlich war.“
Sie holte tief Atem. In ihren Augen spiegelte sich das Entsetzen wider.
„Ich fragte mich verzweifelt, was ich tun konnte. Ein schneller Blick auf die Tür zeigte, daß auf meiner Seite der Schlüssel fehlte. Da merkte ich, was gespielt wurde. Ich rannte durch das Schlafzimmer und öffnete die Tür zum Korridor. Da ich einen Mann aus diesem Zimmer kommen sah, glaubte ich es leer zu finden und hoffte, mich hier einschließen zu können.“
„Das war sehr vernünftig gehandelt“, sagte der Marquis ruhig. „Nur ein Mann wie Stone kann sich so verachtenswert benehmen, ein mit einer alten Dienerin allein reisendes Mädchen zu belästigen.“ Als sie nichts sagte, fuhr er fort: „In neun von zehn Fällen wären Sie völlig sicher gewesen. War Ihre Reise denn so wichtig, daß Sie sie ohne entsprechende Begleitung unternommen haben?“
„Lord Derwent hatte meinen Vater gebeten, ihm sechs Miniaturen zu bringen, die er kürzlich für ihn restauriert hatte. Seine Lordschaft tat ferner kund, daß sich in seinem Hause noch weitere Kunstwerke befänden, über die er sich den Rat meines Vaters erbat.“
„Konnte Ihr Vater die Wünsche Lord Derwents nicht selbst erfüllen?“
„Leider war das unmöglich“, erwiderte sie mit einer kleinen Handbewegung. „Er ist krank, sehr krank sogar. Daher wollte ich Lord Derwent die Miniaturen bringen und ihm bei dieser Gelegenheit sagen, welche anderen Miniaturen in seiner Sammlung einer Restaurierung bedürfen.“
„Sind Sie denn Expertin?“ fragte er nicht ohne leisen Spott.
„Ich helfe meinem Vater schon seit langem bei seiner Arbeit“, erwiderte sie würdevoll.
„Entschuldigen Sie, daß ich Ihre Fähigkeiten angezweifelt habe. Andererseits gleichen Sie selbst so sehr einer Miniatur, daß man sich schwer vorstellen kann, daß Sie Künstlerin sind - das heißt, vielleicht irre ich mich gerade in dieser Beziehung, und diese Art der Malerei fliegt Ihnen ganz natürlich zu.“
„Ich habe nicht behauptet, Miniaturenmalerin zu sein“, wurde er von Vanessa getadelt. „Auf jeden Fall besitze ich genügend Erfahrung auf diesem Gebiet, um zu wissen, wie man eine Miniatur behandelt, die verblaßt oder vom Klima angegriffen ist.“
„Sie waren also in der Lage, Lord Derwent zu beraten“, stellte er fest.
„Ich fand vier Miniaturen, die eine Behandlung nötig haben.“
„Hoffentlich war Seine Lordschaft Ihnen auch dankbar, daß Sie ihm seine Miniaturen gebracht und sich dabei persönlichen Gefahren ausgesetzt haben.“
„Das dürfte Lord Derwent wohl kaum bekümmern. Wenn man einem Eigentümer den vollendeten Auftrag persönlich abliefert, bezahlt er gewöhnlich seine Rechnung sofort.“ Mit einem scheuen Lächeln fügte sie hinzu: „Was sehr oft von denen vergessen wird, die nicht für ihren Unterhalt arbeiten müssen.“
„Das ist nur zu wahr“, stimmte er zu, wobei er an den enormen Schuldenberg dachte, den der Prinz von Wales bei Künstlern und Antiquitätenhändlern angesammelt hatte.
„Glauben Sie, daß es jetzt für mich sicher ist, nach oben zu gehen?“ fragte Vanessa nach kurzem Schweigen.
Der Marquis betrachtete ihr sensitives, kleines Gesicht. Der bloße Gedanke, sie den Belästigungen eines so verderbten Mannes wie Sir Julius Stone ausgesetzt zu sehen, erfüllte ihn mit Wut. Es war ein unseliger Zufall, daß dieses unschuldige Kind ausgerechnet diesem widerwärtigen Burschen über den Weg gelaufen war. Vermutlich hatte Sir Julius den Boxkampf besucht.
„Da ich nichts so sehr verabscheue wie Lärm, miete ich auf meinen Reisen nicht nur ein Schlafzimmer, sondern auch die beiden angrenzenden Räume. Dadurch werde ich nicht durch Schnarchen oder lauten Streit geweckt. Die Wände sind oft bemerkenswert dünn.“
„Das klingt ja richtig luxuriös“, sagte sie lächelnd.
„Bequemlichkeit ist es wert, bezahlt zu werden“, erwiderte er gleichmütig. „Ich schlage daher vor, daß Sie in dem angrenzenden Zimmer schlafen. Dort sind Sie vor Sir Julius sicher, und da Sie morgen früh weiterfahren, haben Sie den Gasthof verlassen, lange bevor er aufwacht.“
„Kann ich das wirklich?“
„Es scheint mir die