Dr. Daniel Staffel 1 – Arztroman. Marie Francoise
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Fassungslos schüttelte Silvia den Kopf. »Aber…, aber ich lasse mich doch nicht operieren, nur weil sich aus dieser Geschwulst vielleicht irgendwann Krebs entwickeln kann. Das kann man doch immer noch machen, wenn es soweit ist.«
Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Darauf würde ich es an Ihrer Stelle nicht ankommen lassen. Vor allen Dingen wissen Sie ja nicht, wann sich dieser Tumor bösartig entwickelt. Wenn wir es dann bemerken, könnte es schon zu spät sein.« Er schwieg einen Moment. »Sehen Sie, Professor Thiersch ist beileibe kein Arzt, der wegen jeder Kleinigkeit zum Skalpell greift. Wenn er zu einer Operation rät, dann ist sie auch wirklich angezeigt.«
»Aber ich kann nicht« begehrte Silvia auf. »Es geht einfach nicht.« Sie überlegte. »Und wenn es harmlos ist, dann kann man doch auch in einem Jahr operieren… oder in zwei Jahren.«
»Frau Burgner, wenn Professor Thiersch sagt, so bald wie möglich, dann meint er in der Regel innerhalb der nächsten vierzehn Tage. Und Ihre Gesundheit sollte Ihnen so viel wert sein, daß Sie alles andere deswegen zurückstellen.«
Alarmiert horchte Silvia auf. »Dann ist die Geschwulst ja doch nicht so harmlos, wie Sie sagten.«
»Vorerst schon noch«, versicherte Dr. Daniel. »Aber erfahrungsgemäß kann sich so etwas schnell ändern. Es kommt immer wieder vor, daß sich gutartige Zellen ganz plötzlich bösartig verändern. Und es scheint, als hätte Ihr Tumor schon recht beachtliche Ausmaße, obgleich man das ohne Mammographie nicht genau sagen kann.« Und dabei verschwieg er, daß Dr. Scheibler von seinem Chef einen gewaltigen Anpfiff bekommen hatte, weil er eigenmächtig auf die Mammographie verzichtet hatte. Professor Thiersch hatte es am Telefon in knappen Worten erwähnt und angekündigt, daß er diese Untersuchung in der folgenden Woche unbedingt nachholen wollte.
»Also, Frau Burgner«, fuhr Dr. Daniel fort, »Professor Thiersch hat mir gleich einen Termin für Sie gegeben. Sie sollen sich nächste Woche Mittwoch in der Klinik einfinden, dann wird die Mammographie nachgeholt, und am darauffolgenden Montag werden Sie operiert. Es wird dann ein Krankenhausaufenthalt von etwa vier Tagen nötig sein, so daß Sie alles in allem etwa eine gute Woche in der Klinik verbringen werden.«
»Das geht nicht«, wiederholte Silvia wieder. »Bitte, Herr Doktor, sagen Sie den Termin ab. Ich kann jetzt nicht ins Krankenhaus.«
Dr. Daniel beschloß, im Augenblick nicht weiter in die junge Frau zu dringen.
»Lassen Sie sich das Ganze durch den Kopf gehen«, riet er ihr, »und be sprechen Sie sich mit Ihrem Mann. Am Montag können Sie mir Bescheid sagen, wie Sie sich entschieden haben.« Er zögerte, dann fügte er hinzu: »Aber ich rate Ihnen dringend, Professor Thierschs Rat zu befolgen.«
*
Am Mittwochnachmittag brachte Richard Burgner seine Frau nach München in die Thiersch-Klinik. Der Termin paßte ihm recht gut, da sein Büro mittwochs ab Mittag geschlossen war. Und von dem geplanten stationären Aufenthalt seiner Frau wußte Richard nichts. Silvia hatte sich nämlich entschlossen, die Mammographie machen zu lassen und anschließend wieder nach Hause zu fahren. Daß ihr Mann sie begleitete, war ihr nur recht, denn sie befürchtete, daß sie es letztendlich vielleicht doch nicht wagen würde, den Ärzten gegenüber ihr Vorhaben durchzuführen und nach der Untersuchung wieder heimzufahren.
Dr. Scheibler erwartete sie schon. Er war noch immer in ziemlich gedrückter Stimmung, weil Professor Thiersch ihn wegen der unterlassenen Mammographie fürchterlich zusammengestaucht hatte.
»So, Frau Burgner, jetzt müssen wir die Untersuchung doch noch nachholen«, meinte er, während er Silvia zum Röntgenraum begleitete. »Anschließend gehen Sie dann bitte zur Aufnahme, damit die Formalitäten für den stationären Aufenthalt erledigt werden können.«
Richard Burgner fiel bei diesen Worten wie aus allen Wolken.
»Wollen Sie Silvia etwa hierbehalten?« fragte er entsetzt.
»Ja« entgegnete Dr. Scheibler. »Das wußten Sie doch. Ich nehme an, Dr. Daniel hat Ihnen den Grund dafür mitgeteilt.«
»Aber das geht nicht!« widersprach Richard heftig. »Meine Güte, wir haben zwei kleine Kinder daheim. Und ich muß morgen früh wieder ins Büro.«
»Hören Sie, Herr Burgner«, versuchte Dr. Scheibler den aufgeregten jungen Mann zu beruhigen. »Wir behalten Ihre Frau ja nicht monatelang hier. Es ist ein relativ harmloser Eingriff, und in einer Woche ist Ihre Frau wieder zu Hause.«
»Eine Woche!« stieß Richard Burgner hervor. Hilfesuchend sah er seine Frau an. »Silvia, das ist ja…, das geht doch gar nicht.«
Dr. Scheibler war trotz seiner Jugend die Ruhe und Güte in Person, aber dieser junge Mann brachte ihn gehörig auf die Palme.
»Jetzt hören Sie mir mal gut zu, Herr Burgner!« erklärte er mit unüberhörbarer Schärfe in der Stimme. »Es ist für Ihre Frau schlimm genug, daß sie diese Operation hinter sich bringen muß. Da müssen Sie es ihr nicht noch schwerer machen. Sie werden doch wohl eine Woche lang für sich selbst sorgen können.«
Der junge Mann errötete bis unter die Haarwurzeln.
»Sie dürfen nicht so streng sein, Herr Doktor«, mischte sich Silvia ein. »Mein Mann ist gerade dabei, sich selbständig zu machen. Seit einem halben Jahr hat er gearbeitet wie ein Bär. Das ist nun alles umsonst, wenn er eine Woche zu Hause bleiben und für die Kinder sorgen muß.«
Jetzt war es an Dr. Scheibler zu erröten.
»Das wußte ich nicht«, brachte er ein wenig mühsam hervor, dann sah er Richard Burgner an. »Es tut mir leid, daß ich so heftig geworden bin.« Er zuckte die Schultern. »Tatsache bleibt aber, daß wir Ihre Frau hierbehalten müssen. Der Tumor ist im Augenblick zwar gutartig, aber es kommt immer wieder vor, daß sich das Gewebe plötzlich bösartig verändert. Und darauf wollen wir es ja nicht ankommen lassen.«
Niedergeschlagen ließ sich Richard auf den nächstbesten Stuhl fallen.
»Deine Gesundheit geht allemal vor, Silvia«, erklärte er leise. »Mach dir keine Sorgen. Ich schaffe das schon irgendwie.«
Dabei war sein Gesichtsausdruck nicht gerade dazu angetan, sich keine Sorgen zu machen.
»Gibt es niemanden, der Ihre Kinder tagsüber versorgen kann?« fragte Dr. Scheibler.
Richard Burgner schüttelte den Kopf. »Im Augenblick sind sie bei unserer Nachbarin, aber die ist über siebzig. Zwei kleine Kinder über längere Zeit zu betreuen, ist einfach zuviel für sie.«
»Und… keine Großeltern in der Nähe?«
Wieder schüttelte Richard den Kopf. »Ich selbst bin im Waisenhaus aufgewachsen, und meine Schwiegereltern sind seit vielen Jahren tot. Wir haben keine Verwandtschaft, Herr Doktor, und bisher waren wir ganz froh darüber. Man spart sich eine Menge Ärger.« Der kleine Scherz, den er versucht hatte, mißlang gründlich. Niemand konnte darüber auch nur lächeln. Dazu war die Lage viel zu ernst.
»Wie alt sind Ihre Kinder denn?« wollte Dr. Scheibler wissen. Ihm war der Gedanke gekommen, daß die Burgner-Kinder tagsüber vielleicht hier betreut werden konnten. Womöglich gingen sie ja schon zur Schule, waren also bereits einen halben Tag beschäftigt und die restliche Zeit…
»Zwei und vier«, antwortete Richard.