Dr. Daniel Staffel 1 – Arztroman. Marie Francoise
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Rasch schüttelte Dr. Daniel diese Gedanken wieder ab. Es tat nur weh, in diesen Erinnerungen zu schwelgen. Entschlossen ging er auf die schwere Eingangstür zu.
Wegen Todesfall geschlossen.
Die Worte auf dem weißen Schild sprangen ihn förmlich an. Vor fünf Jahren hatte er dieses Schild an der Eingangstür seiner Praxis angebracht. Fünf Jahre. Und dabei schien es ihm, als wären nur fünf Tage vergangen, seit Christine gestorben war. Der Schmerz in seinem Herzen war heute noch genauso bohrend wie damals.
Mit einem tiefen Seufzer nahm Dr. Daniel jetzt das Schild ab, dann schloß er die Haustür auf und betrat nun zum ersten Mal seit dem Tod seiner Frau die Villa, die sie ihm einst hinterlassen hatte. Damals war es ihm unmöglich gewesen, auch nur einen Fuß in das Haus zu setzen, und auch jetzt schien es ihm, als müsse sein Herz brechen.
Er wußte, daß er nicht fähig sein würde, die Wohnung im ersten Stockwerk zu betreten, und so ging er erst mal in die Praxis. Doch auch hier schienen ihn die Erinnerungen erdrücken zu wollen. Da war der Schreibtisch, an dem Christine gearbeitet hatte. Sie hatte in all den Jahren als Empfangsdame fungiert, nebenbei den Haushalt in Schuß gehalten und zwei Kinder großgezogen. Dr. Daniel hatte sich oft gefragt, wie sie das alles scheinbar spielend geschafft hatte. Oder war ihre kurze, schwere Krankheit vielleicht der Preis für diese viele Arbeit gewesen, die sie zuvor geleistet hatte?
»Du solltest diesen Vorraum neu einrichten.«
Dr. Daniel fuhr herum und sah sich seiner Schwester gegenüber. In diesem Augenblick kam ihm zu Bewußtsein, daß er sie herbeigesehnt hatte, um hier nicht länger so allein zu sein.
»Du kannst wohl Gedanken lesen«, meinte er.
Irene lächelte. Sie wußte, was er damit ausdrücken wollte.
»Ich kenne dich seit deiner Geburt und liebe dich genug, um zu wissen, wann du mich brauchst«, meinte sie.
Dr. Daniel legte einen Arm um ihre Schultern und drückte sie für einen Augenblick an sich.
»Ach, Irenchen, du kennst mich wirklich gut. Ja, gerade habe ich mir gewünscht, ich hätte dich gleich mit hereingenommen.«
Irene schüttelte den Kopf. »Das wäre falsch gewesen, Robert. Den ersten Schritt mußtest du allein gehen. Alles andere wäre wie eine Flucht gewesen.«
»Vielleicht hast du recht«, murmelte Dr. Daniel, dann sah er sich in dem Vorraum um. »Ich werde deinen Rat befolgen. Der alte Schreibtisch kommt weg. Hier muß eine neue Atmosphäre herein, sonst werde ich die Praxis nie betreten können, ohne an Christine denken zu müssen.«
Irene nickte. »Die Praxis ist sehr modern eingerichtet. Vielleicht solltest du das bei diesem Raum auch machen.«
»Das wollte ich damals schon, aber Christine konnte sich von dem alten Schreibtisch nicht trennen«, erklärte Dr. Daniel. »Er hat ihrem Vater gehört.« Er schwieg einen Moment. »Ich werde ihn behalten, weil er Christine so viel bedeutet hat.« Wieder überlegte er kurz. »Vielleicht möchte Stefan ihn in sein Zimmer stellen – wenn er auch nur selten hier sein wird.«
Da lächelte Irene. »Die Kinder kommen morgen her.«
In Dr. Daniels Augen leuchtete es auf. »Wirklich? Davon haben sie mir kein Wort gesagt.«
»Eigentlich sollte es auch eine Überraschung werden«, gestand Irene, »aber… ich hatte das Gefühl, als könntest du jetzt eine kleine Aufmunterung brauchen. Und die Kinder sind mir bestimmt nicht böse, weil ich getratscht habe.« Sie griff nach der Hand ihres Bruders. »Wollen wir jetzt in die Wohnung hinaufgehen?«
Dr. Daniel atmete tief durch. »Ja, Irene. Irgendwann muß es schließlich sein.«
Irene ließ ihrem Bruder den Vortritt, denn sie war der Meinung, daß er diesen Schritt ebenfalls allein gehen mußte – auch wenn sie ihm als seelische Stütze dienen wollte.
Langsam ging Dr. Daniel die mit edlem Holz verkleideten Stufen hinauf, dann blieb er einen Moment zögernd vor der Wohnungstür stehen, ehe er sie beherzt öffnete und eintrat. Es schien, als würde Christines unnachahmlicher Duft noch in der Wohnung hängen, doch Dr. Daniel wußte, daß das nur Einbildung war. In den vergangenen fünf Jahren hatte eine Bekannte aus dem Ort hier oben regelmäßig saubergemacht, gelüftet und nach dem Rechten gesehen. Nur seine Erinnerungen an Christine hingen noch in dieser Wohnung – sonst nichts.
Mit einem tiefen Seufzer drehte sich Dr. Daniel zu seiner Schwester um, die ihm gefolgt und unter der Wohnungstür stehengeblieben war.
»Es wird schwer werden«, murmelte er. »Es wird verdammt schwer werden.«
*
Am Samstag fühlte sich Darinka Stöber wieder besser. Die Schmerzen hatten aufgehört und es blutete auch kaum noch. Anscheinend schien der Tod sie diesmal noch aus seinen Fängen entlassen zu haben, doch Darinka wußte genau, daß die Krankheit wiederkommen würde. Sie kam schon seit Monaten immer wieder.
»Hallo, Darinka!«
Die Stimme ihrer Freundin Katrin Wegmann riß sie aus ihren Gedanken. Lächelnd sah sie auf.
»Katrin, das ist aber eine Überraschung«, meinte sie. »Ich dachte, du wolltest mit deinen Eltern übers Wochenende nach Tirol fahren.«
Katrin winkte ab. »Unser Auto streikt. Nachdem Paps seit Wochen daran rumgebastelt hat, hat jetzt die Lichtmaschine ihren Geist aufgegeben. Am Montag kaufen wir uns einen neuen Wagen.« Sie ließ sich neben Darinka ins Gras fallen. »Ich bin auf dem Weg ins Freibad. Kommst du mit?«
Darinka wollte schon begeistert zustimmen, als ihr das Blut einfiel, das sie immer noch verlor. Im Wasser würde man die Spuren womöglich sehen, und dieses Risiko konnte sie keinesfalls eingehen.
»Nein, Katrin, heute nicht«, lehnte sie ab und hoffte, die Freundin würde sie nicht nach dem Grund fragen.
Daran dachte Katrin auch gar nicht. Ihre Gedanken waren schon ganz woanders.
»Stell dir vor, Darinka, ich muß am Montag das erste Mal zum Frauenarzt«, erzählte sie.
»Zum Frauenarzt?« wiederholte Darinka gedehnt. »Was willst du denn da?«
Katrin zuckte die Schultern. »Ich habe letzte Woche zum ersten Mal meine Tage bekommen, und da dachte meine Mutter, es wäre jetzt an der Zeit, einen Frauenarzt aufzusuchen.«
»Deine Tage«, murmelte Darinka. Sie hatte keine Ahnung, wovon die Freundin sprach, genierte sich aber, ihre Unwissenheit zuzugeben.
Prüfend sah Katrin sie an. »Du hast sie noch nicht, was?«
Darinka überlegte, was sie nun antworten sollte. Wenn sie nein sagte, dann hielt Katrin sie vielleicht noch für ein Kind. Sagte sie aber ja, so konnte sie in Gefahr geraten, daß die Freundin mit ihr über diese ominösen Tage näher sprechen wollte.
»Nein«, antwortete sie daher. Lieber wurde sie für ein Kind gehalten, bevor sie womöglich als Lügnerin entlarvt wurde.
Katrin winkte ab. »Sei froh! Meine Güte, das ist vielleicht ein ekelhaftes Zeug! Und dieser Termin beim Frauenarzt baut mich auch nicht gerade auf. Stella war bei einer Ärztin in der Kreisstadt. Die soll furchtbar grob sein.