Der Clan der McNarn. Barbara Cartland
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Er hatte sich allerdings einer Täuschung hingegeben. Das wurde ihm jetzt klar.
In dem Brief an Mr. Dunblame, in dem er seine Ankunft angekündigt hatte, hatte er dummerweise nicht betont, daß er keine Willkommensgrüße und keine Ovationen der Mitglieder des Clans wünsche. Wahrscheinlich jedoch hätte man derlei Wünsche mißachtet.
Das Oberhaupt war nun einmal die Vaterfigur des Clans. Das Recht von früher, über Leben und Tod seiner Untergebenen zu bestimmen, war ihm inzwischen genommen, es trug jedoch nach wie vor die volle Verantwortung für das Wohlergehen der Leute.
Der Herzog erinnerte sich an einen Satz, den er einmal in einer Abhandlung über die Funktion eines Oberhaupts gelesen hatte:
Als Grundbesitzer, Vaterfigur, Richter und Heerführer ist seine Macht gewaltig und unumstritten, trotzdem jedoch bespricht er wichtige Entscheidungen mit den Mitgliedern seiner Familie und den führenden Persönlichkeiten seines Clans.
Eines stand für den Herzog allerdings fest: Eine Familie wollte er nicht so schnell gründen. Schon gar nicht, um jemanden zu haben, mit dem er über wichtige Entscheidungen diskutieren konnte.
Seine Schwester Janet war tot, sein Vater Gott sei Dank auch.
Blieb also nur Torquil, dieser törichte junge Mann, der ihn dazu veranlaßt hatte, die Bequemlichkeiten und Vergnügungen Londons hinter sich zu lassen und nach Schottland zurückzukehren.
Sicherlich gab es noch irgendwelche anderen Verwandten, an die er sich nicht erinnern konnte. Vorsichtig erkundigte er sich bei seinem Verwalter.
„Lebt übrigens sonst noch jemand auf dem Schloß?“ fragte er.
„Nur Jamie, Euer Gnaden“, antwortete Mr. Dunblame.
„Jamie?“
„Ja, Lady Janets jüngerer Sohn.“
„Natürlich!“
Der Herzog hatte sich lediglich nicht an den Namen des zweiten Kindes erinnert, bei dessen Geburt seine Schwester gestorben war.
„Er ist ein sehr aufgeweckter Bub“, berichtete Mr. Dunblame weiter. „Immer zu irgendwelchen Streichen aufgelegt. In jeder Beziehung ein richtiger McNarn.“
„Ich weiß nicht, ob ich es sehr schätzen werde, wenn meine Neffen immer zu irgendwelchen Streichen auf- gelegt sind“, entgegnete der Herzog kühl.
Mr. Dunblame sah ihn von der Seite her an, sagte jedoch nichts.
Und dann, so unerwartet, daß der Herzog und Lord Hinchley erschraken, tauchten plötzlich Männer aus ihren Verstecken hinter Büschen und Sträuchern auf und kamen auf sie zugelaufen.
Sie warfen die Arme in die Luft und gaben eine Art Kriegsgeheul von sich.
Es dauerte einen Moment, bis der Herzog begriffen hatte, daß es sich dabei um den Schlachtruf der McNarn handelte.
Der jeweilige Schlachtruf eines Clans gehörte ebenso zur Tradition wie das Sträußchen Heidekraut oder Myrte, das die Männer an der Mütze trugen.
Wieder und wieder ertönte der Schlachtruf. In die Stimmen der Männer mischten sich die hohen Töne der Dudelsackpfeifen. Die Männer liefen neben den Pferden her und begleiteten ihr Oberhaupt zum Schloß.
Ehe sich der Herzog dessen richtig bewußt war, ritt er allein voraus, gefolgt von Mr. Dunblame und den sechs Dienern.
Einen Moment später gingen die Töne der Pfeifer in einem Geschrei aus Hunderten von Kehlen unter.
Die Auffahrt zum Schloß war von Mitgliedern des Clans eingesäumt, die Spalier standen.
Es waren rauhe, verwitterte Gesellen, die zwar einen armen Eindruck machten, aber einen Stolz an sich hatten und eine Kraft ausstrahlten, wie man sie nur noch selten fand.
Das sind Männer, auf die man sich verlassen kann, dachte der Herzog.
Die Jubelrufe waren so laut, daß der Herzog unmöglich mit dem einen oder anderen ein Wort hätte sprechen können. Er winkte den Leuten zu, sah nach links, sah nach rechts und nickte.
Als sie vor dem Schloß angekommen waren, brachen die Stimmen ab.
Alles wartete in atemloser Stille.
Der Herzog hatte einfach absitzen und in das Schloß hineingehen wollen, aber er wußte, daß er die Männer, die ihm das Geleit gegeben hatten, nicht vor den Kopf stoßen durfte.
„Vielen Dank!“ rief er daher mit fester, tragender Stimme. „Vielen Dank. Glück sei mit euch!“
Wie von selbst waren die Worte aus seinem Gedächtnis aufgetaucht, das Seltsame jedoch war, daß er sie in Gälisch gesprochen hatte, einer Sprache, die er seit zwölf Jahren nicht mehr benutzt hatte.
Als der Jubel wieder auf wallte, hob der Herzog den rechten Arm, drehte sich um und ging ins Schloß.
„So, und jetzt berichten Sie, was mein Neffe angestellt hat“, sagte der Herzog.
Das Essen war beendet, Lord Hinchley war in den Salon gegangen, und der Herzog hatte Mr. Dunblame gebeten, mit ihm in die Bibliothek zu kommen, die seinem Vater als Arbeitszimmer gedient hatte.
Als er über die Schwelle getreten war, hatte er automatisch damit gerechnet, die finstere Gestalt des Mannes, den er gehaßt hatte, am Schreibtisch vor dem Fenster sitzen zu sehen.
Von diesem Fenster aus konnte man das ganze Tal überblicken, und der Herzog hatte früher seinen Vater oft mit einem Wasserspeier verglichen, der zornig und furchtgebietend über das Land hinwegsah, das er besaß.
Merkwürdigerweise sah der Raum völlig anders aus als in der Erinnerung des Herzogs. In seiner Erinnerung war er finster, bedrückend und häßlich gewesen.
Nichts davon stimmte. Die Bibliothek, von William Adam entworfen, war ein Meisterwerk an Symmetrie, Ausgewogenheit und männlicher Eleganz.
Der Herzog sah sich erstaunt um. Daß er in jungen Jahren nichts von dieser Eleganz gespürt hatte, war ihm jetzt unbegreiflich.
Von der drohenden Atmosphäre, die sein Vater verbreitet hatte, war nichts mehr zu spüren. Ohne auch nur darüber nachzudenken, hatte sich der Herzog auf den Sessel seines Vaters gesetzt und Mr. Dunblame gebeten, auf der anderen Seite des Schreibtisches Platz zu nehmen.
„Ich habe Ihrem Brief entnommen“, fuhr er jetzt fort, „daß die Situation höchst kritisch ist, kann mir aber nicht vorstellen, daß dies der Fall ist.“
„Leider schon, Euer Gnaden.“
„Inwiefern?“
„Torquil ist Gefangener der Kilcraig.“
„Gefangener?“ wiederholte der Herzog. „Sie können ihn doch nicht einfach in ein Kellerloch oder dergleichen sperren und die Sache damit auf sich beruhen lassen.“
Der Ton des Herzogs ließ vermuten, daß er die Angelegenheit nicht sonderlich ernst nahm.
„Ich