E. T. A. Hoffmann: Ausgewählte Novellen und Erzählungen. Эрнст Гофман

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E. T. A. Hoffmann: Ausgewählte Novellen und Erzählungen - Эрнст Гофман

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verköstigen wir ihn; dies ist aber für uns ein sehr geringer Aufwand, denn er ist beinahe zu mäßig, welches freilich seinem kränklichen Körper zusagen mag.«

      »Aber«, fiel ich ein, »er schien heute so mürrisch – so aufgeregt.« – »Das hat seine besondere Ursache«, erwiderte der Professor, »doch lassen Sie uns einige schöne Gemälde der Seiten-Altäre anschauen, die vor einiger Zeit ein glücklicher Zufall uns verschaffte. Nur ein einziges Original, ein Dominichino, ist dabei, die anderen sind von unbekannten Meistern der italienischen Schule, aber, sind Sie vorurteilsfrei, so werden Sie gestehen müssen, daß jedes den berühmtesten Namen tragen dürfte.« Ich fand es ganz so, wie der Professor gesagt hatte. Es war seltsam, daß das einzige Original gerade zu den schwächern Stücken gehörte, war es nicht wirklich das schwächste, und daß dagegen die Schönheit mancher Gemälde ohne Namen mich unwiderstehlich hinriß. Über das Gemälde eines Altars war eine Decke herabgelassen; ich frug nach der Ursache. »Dies Bild«, sprach der Professor, »ist das schönste was wir besitzen, es ist das Werk eines jungen Künstlers der neueren Zeit – gewiß sein letztes, denn sein Flug ist gehemmt. – Wir mußten in diesen Tagen das Gemälde aus gewissen Gründen verhängen lassen, doch bin ich vielleicht morgen, oder übermorgen imstande, es Ihnen zu zeigen.« – Ich wollte weiter fragen, indessen schritt der Professor rasch durch den Gang fort, und das war genug, um seine Unlust zu zeigen, mir weiter zu antworten. Wir gingen in das Kollegium zurück, und gern nahm ich des Professors Einladung an, der mit mir nachmittags einen nahgelegenen Lustort besuchen wollte. Spät kehrten wir heim, ein Gewitter war aufgestiegen, und kaum langte ich in meiner Wohnung an, als der Regen herabströmte. Es mochte wohl schon Mitternacht sein, da klärte sich der Himmel auf, und nur noch entfernt murmelte der Donner. Durch die geöffneten Fenster wehte die laue, mit Wohlgerüchen geschwängerte, Luft in das dumpfe Zimmer, ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, unerachtet ich müde genug war, noch einen Gang zu machen; es glückte mir, den mürrischen Hausknecht, der schon seit zwei Stunden schnarchen mochte, zu erwecken, und ihn zu bedeuten, daß es kein Wahnsinn sei, noch um Mitternacht spazieren zu gehen, bald befand ich mich auf der Straße. Als ich bei der Jesuiterkirche vorüberging, fiel mir das blendende Licht auf, das durch ein Fenster strahlte. Die kleine Seitenpforte war nur angelehnt, ich trat hinein und wurde gewahr, daß vor einer hohen Blende eine Wachsfackel brannte. Näher gekommen bemerkte ich, daß vor der Blende ein Netz von Bindfaden ausgespannt war, hinter dem eine dunkle Gestalt eine Leiter hinauf und hinunter sprang, und in die Blende etwas hineinzuzeichnen schien. Es war Berthold, der den Schatten des Netzes mit schwarzer Farbe genau überzog. Neben der Leiter auf einer hohen Staffelei stand die Zeichnung eines Altars. Ich erstaunte über den sinnreichen Einfall. Bist du, günstiger Leser, mit der edlen Malerkunst was weniges vertraut, so wirst du ohne weitere Erklärung sogleich wissen, was es mit dem Netz, dessen Schattenstriche Berthold in die Blende hineinzeichnete, für eine Bewandtnis hat. Berthold sollte in die Blende einen hervorspringenden Altar malen. Um die kleine Zeichnung richtig in das Große zu übertragen, mußte er beides, den Entwurf und die Fläche, worauf der Entwurf ausgeführt werden sollte, dem gewöhnlichen Verfahren gemäß mit einem Netz überziehn. Nun war es aber keine Fläche, sondern eine halbrunde Blende, worauf gemalt werden sollte; die Gleichung der Quadrate, die die krummen Linien des Netzes auf der Höhlung bildeten, mit den geraden des Entwurfs und die Berichtigung der architektonischen Verhältnisse, die sich herausspringend darstellen sollten, war daher nicht anders zu finden, als auf jene einfache geniale Weise. Wohl hütete ich mich vor die Fackel zu treten und mich so durch meinen Schlagschatten zu verraten, aber nahe genug zur Seite stand ich, um den Maler genau zu beobachten. Er schien mir ganz ein anderer, vielleicht war es nur Wirkung des Fackelscheins, aber sein Gesicht war gerötet, seine Augen blitzten wie vor innerm Wohlbehagen, und als er seine Linien fertig gezeichnet, stellte er sich mit in die Seite gestemmten Händen vor die Blende hin, und pfiff, die Arbeit beschauend, ein muntres Liedchen. Nun wandte er sich um und riß das ausgespannte Netz herunter. Da fiel ihm meine Gestalt ins Auge, »he da! he da!« rief er laut: »seid Ihr es Christian? « – Ich trat auf ihn zu, erklärte ihm was mich in die Kirche gelockt, und, den sinnreichen Einfall mit dem Schattennetz hochpreisend, gab ich mich als Kenner und Ausüber der edlen Malerkunst zu erkennen. Ohne mir darauf weiter zu antworten, sprach Berthold: »Christian ist auch weiter nichts, als ein Faulenzer; treu wollte er aushalten bei mir die ganze Nacht hindurch, und nun liegt er gewiß irgendwo auf dem Ohr! – Mein Werk muß vorrücken, denn morgen malt sich’s vielleicht hier in der Blende teufelmäßig schlecht – und allein kann ich doch jetzt nichts machen.« Ich erbot mich ihm behilflich zu sein. Er lachte laut auf, faßte mich bei beiden Schultern und rief.- »Das ist ein exzellenter Spaß; was wird Christian sagen, wenn er morgen merkt, daß er ein Esel ist, und ich seiner gar nicht bedurft habe? Nun so kommt, fremder Geselle und Bruder, helft mir erst fein bauen.« Er zündete einige Kerzen an, wir liefen durch die Kirche, schleppten Böcke und Bretter herbei und bald stand ein hohes Gerüst in der Blende.

      »Nun frisch zugereicht«, rief Berthold, indem er heraufstieg. Ich erstaunte über die Schnelligkeit, mit der Berthold die Zeichnung ins Große übertrug; keck zog er seine Linien, niemals gefehlt, immer richtig und rein. An dergleichen Dinge, in früherer Zeit gewöhnt, half ich dem Maler treulich, indem ich, bald oben, bald unter ihm stehend, die langen Lineale in die angedeuteten Punkte einsetzte und festhielt, die Kohlen spitz schliff und ihm zureichte usw. »Ihr seid ja gar ein wackerer Gehülfe«, rief Berthold ganz fröhlich, »und Ihr«, erwiderte ich, »in der Tat einer der geübtesten Architektur-Maler, die es geben mag; habt Ihr denn bei Eurer fertigen kecken Faust nie andere Malerei getrieben als diese? – Verzeiht meine Frage.« – »Was meint ihr denn eigentlich?« sprach Berthold, »Nun«, erwiderte ich, »ich meine, daß Ihr zu etwas Besserem taugt, als Kirchenwände mit Marmorsäulen zu bemalen. Architektur-Malerei bleibt doch immer etwas Untergeordnetes; der Historien-Maler, der Landschafter steht unbedingt höher. Geist und Fantasie, nicht in die engen Schranken geometrischer Linien gebannt, erheben sich in freiem Fluge. Selbst das einzige Fantastische Eurer Malerei, die sinnetäuschende Perspektive, hängt von genauer Berechnung ab, und so ist die Wirkung das Erzeugnis, nicht des genialen Gedankens, sondern nur mathematischer Spekulation.« Der Maler hatte, während ich dies sprach, den Pinsel abgesetzt und den Kopf in die Hand gestützt. »Unbekannter Freund«, fing er jetzt mit dumpfer feierlicher Stimme an: »Unbekannter Freund, du frevelst, wenn du die verschiedenen Zweige der Kunst in Rangordnung stellen willst, wie die Vasallen eines stolzen Königs. Und noch größerer Frevel ist es, wenn du nur die Verwegenen achtest, welche taub für das Klirren der Sklavenkette, fühllos für den Druck des Irdischen, sich frei, ja selbst sich Gott wähnen und schaffen und herrschen wollen über Licht und Leben. – Kennst du die Fabel von dem Prometheus, der Schöpfer sein wollte, und das Feuer vom Himmel stahl, um seine toten Figuren zu beleben? – Es gelang ihm, lebendig schritten die Gestalten daher, und aus ihren Augen strahlte jenes himmlische Feuer, das in ihrem Innern brannte; aber rettungslos wurde der Frevler, der sich angemaßt Göttliches zu fahen, verdammt zu ewiger fürchterlicher Qual. Die Brust, die das Göttliche geahnt, in der die Sehnsucht nach dem Überirdischen aufgegangen, zerfleischte der Geier, den die Rache geboren und der sich nun nährte von dem eignen Innern des Vermessenen. Der das Himmlische gewollt, fühlte ewig den irdischen Schmerz.« – Der Maler stand in sich versunken da. »Aber«, rief ich: »Aber Berthold, wie beziehen Sie das alles auf Ihre Kunst? Ich glaube nicht, daß irgend jemand es für vermessenen Frevel halten kann, Menschen zu bilden, sei es durch Malerei, oder Plastik.« Wie in bitterm Hohn lachte Berthold auf. »Ha ha – Kinderspiel ist kein Frevel! – Kinderspiel ist’s wie sie’s machen, die Leute, die getrost ihre Pinsel in die Farbentöpfe stecken und eine Leinwand beschmieren, mit der wahrhaftigen Begier, Menschen darzustellen; aber es kommt so heraus, als habe, wie es in jenem Trauerspiele steht, irgend ein Handlanger der Natur versucht Menschen zu bilden, und es sei ihm mißlungen. – Das sind keine freveliche Sünder, das sind nur arme unschuldige Narren! Aber Herr! – wenn man nach dem Höchsten strebt – nicht Fleischeslust, wie Tizian – nein das Höchste der göttlichen Natur, der Prometheusfunken im Menschen – Herr! – es ist eine Klippe – ein schmaler Strich, auf dem man steht – der Abgrund ist offen! – über ihm schwebt der kühne Segler und ein teuflischer Trug läßt ihn unten – unten das erblicken, was er oben über den Sternen erschauen wollte!« – Tief seufzte der Maler auf, er fuhr mit der Hand über die Stirn, und blickte dann in die Höhe. »Aber was schwatze ich mit Euch,

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