E. T. A. Hoffmann: Ausgewählte Novellen und Erzählungen. Эрнст Гофман

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E. T. A. Hoffmann: Ausgewählte Novellen und Erzählungen - Эрнст Гофман

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von ihnen, wir wollen ihn Florentin nennen, hatte es in dem Augenblick nicht sowohl auf tiefes Studium seiner Kunst, als auf heitern Lebensgenuß abgesehen, seine Mappe zeugte davon. – Gruppen tanzender Bauernmädchen – Prozessionen ländliche Feste – alles das wußte Florentin, so wie es ihm aufstieß, mit sichrer leichter Hand schnell aufs Blatt zu werfen. Jede Zeichnung, war sie auch kaum mehr als Skizze, hatte Leben und Bewegung. Dabei war Florentins Sinn keinesweges für das Höhere verschlossen; im Gegenteil drang er mehr, als je ein moderner Maler, tief ein in den frommen Sinn der Gemälde alter Meister. In sein Malerbuch hatte er die Fresko-Gemälde einer alten Klosterkirche in Rom, ehe die Mauern eingerissen wurden, in bloßen Umrissen hineingezeichnet. Sie stellten das Martyrium der heiligen Katharina dar. Man konnte nichts Herrlicheres, reiner Aufgefaßtes sehen, als jene Umrisse, die auf Berthold einen ganz eignen Eindruck machten. Er sah Blitze leuchten durch die finstre Öde, die ihn umfangene und es kam dahin, daß er für Florentins heiteren Sinn empfänglich wurde, und da dieser zwar den Reiz der Natur, in ihr aber beständig mehr das menschliche Prinzip mit reger Lebendigkeit auffaßte, eben dieses Prinzip für den Stützpunkt erkannte, an den er sich halten müsse, um nicht gestaltlos im leeren Raum zu verschwimmen. Während Florentin irgend eine Gruppe, der er begegnete, schnell zeichnete, hatte Berthold des Freundes Malerbuch aufgeschlagen, und versuchte Katharinas wunderholde Gestalt nachzubilden, welches ihm endlich so ziemlich glückte, wiewohl er, so wie in Rom vergebens darnach strebte, seine Figuren dem Original gleich zu beleben. Er klagte dies dem, wie er glaubte, an wahrer Künstlergenialität ihm weit überlegenen Florentin, und erzählte zugleich, wie der Malteser zu ihm über die Kunst gesprochen. »Ei, lieber Bruder Berthold!« sprach Florentin: »der Malteser hat in der Tat recht, und ich stelle die wahre Landschaft den tief bedeutsamen heiligen Historien, wie sie die alten Maler darstellen, völlig gleich. Ja, ich halte sogar dafür, daß man erst durch das Darstellen der uns näher liegenden organischen Natur sich stärken müsse, um Licht zu finden in ihrem nächtlichen Reich. Ich rate dir Berthold, daß du dich gewöhnst Figuren zu zeichnen, und in ihnen deine Gedanken zu ordnen; vielleicht wird es dann heller um dich werden.« Berthold tat so wie ihm der Freund geboten, und es war ihm, als zögen die finstern Wolkenschatten, die sich über sein Leben gelegt, vorüber.

      »Ich mühte mich, das, was nur wie dunkle Ahnung tief in meinem Innern lag, wie in jenem Traum hieroglyphisch darzustellen, aber die Züge dieser Hieroglyphenschrift waren menschliche Figuren, die sich in wunderlicher Verschlingung um einen Lichtpunkt bewegten. – Dieser Lichtpunkt sollte die herrlichste Gestalt sein, die je eines Bildners Fantasie aufgegangen; aber vergebens strebte ich, wenn sie im Traume von Himmelsstrahlen umflossen mir erschien, ihre Züge zu erfassen. Jeder Versuch, sie darzustellen, mißlang auf schmähliche Weise, und ich verging in heißer Sehnsucht.« – Florentin bemerkte den bis zur Krankheit aufgeregten Zustand des Freundes, er tröstete ihn, so gut er es vermochte. Oft sagte er ihm, daß dies eben die Zeit des Durchbruchs zur Erleuchtung sei; aber wie ein Träumer schlich Berthold einher, und alle seine Versuche blieben nur ohnmächtige Anstrengungen des kraftlosen Kindes.

      Unfern Neapel lag die Villa eines Herzogs, die, weil sie die schönste Aussicht nach dem Vesuv und ins Meer hinein gewährte, den fremden Künstlern, vorzüglich den Landschaftern gastlich geöffnet war. Berthold hatte hier öfters gearbeitet, öfter noch in einer Grotte des Parks zur guten Zeit sich dem Spiel seiner fantastischen Träume hingegeben. Hier in dieser Grotte saß er eines Tages, von glühender Sehnsucht, die seine Brust zerriß, gemartert, und weinte heiße Tränen, daß der Stern des Himmels seine dunkle Bahn erleuchten möge; da rauschte es im Gebüsch, und die Gestalt eines hochherrlichen Weibes stand vor der Grotte.

      »Die vollen Sonnenstrahlen fielen in das Engelsgesicht. – Sie schaute mich an mit unbeschreiblichen Blick. – Die heilige Katharina – nein, mehr als sie – mein Ideal, mein Ideal war es! Wahnsinnig vor Entzücken stürzte ich nieder, da verschwebte die Gestalt freundlich lächelnd! – Erhört war mein heißestes Gebet!«

      Florentin trat in die Grotte, er erstaunte über Berthold, der mit verklärtem Blick ihn an sein Herz drückte. – Tränen stürzten ihm aus den Augen – »Freund – Freund!« stammelte er: »ich bin glücklich – selig – sie ist gefunden – gefunden!« Rasch schritt er fort, in seine Werkstatt – er spannte die Leinwand auf, er fing an zu malen. Wie von göttlicher Kraft beseelt, zauberte er mit der vollen Glut des Lebens das überirdische Weib, wie es ihm erschienen, hervor. – Sein Innerstes war von diesem Augenblicke ganz umgewendet. Statt des Trübsinns, der an seinem Herzmark gezehrt hatte, erhob ihn Frohsinn und Heiterkeit. Er studierte mit Fleiß und Anstrengung die Meisterwerke der alten Maler. Mehrere Kopien gelangen ihm vortrefflich, und nun fing er an selbst Gemälde zu schaffen, die alle Kenner in Erstaunen setzten. An Landschaften war nicht mehr zu denken, und Hackert bekannte selbst, daß der Jüngling nun erst seinen eigentlichen Beruf gefunden habe. So kam es, daß er mehrere große Werke, Altarblätter für Kirchen, zu malen bekam. Er wählte mehrenteils heitere Gegenstände christlicher Legenden, aber überall strahlte die wunderherrliche Gestalt seines Ideals hervor. Man fand, daß Gesicht und Gestalt der Prinzessin Angiola T… zum Sprechen ähnlich sei, man äußerte dies dem jungen Maler selbst, und Schlauköpfe gaben spöttisch zu verstehen, der deutsche Maler sei von dem Feuerblick der wunderschönen Donna tief ins Herz getroffen. Berthold war hoch erzürnt über das alberne Gewäsch der Leute, die das Himmlische in das Gemeinirdische herabziehen wollten. »Glaubt ihr denn«, sprach er, »daß solch ein Wesen wandeln könne hier auf Erden? In einer wunderbaren Vision wurde mir das Höchste erschlossen; es war der Moment der Künstlerweihe.« – Berthold lebte nun froh und glücklich, bis nach Bonapartes Siegen in Italien sich die französische Armee dem Königreich Neapel nahte, und die alle ruhigen glücklichen Verhältnisse furchtbar zerstörende Revolution ausbrach. Der König hatte mit der Königin Neapel verlassen, die Citta war angeordnet. Der General-Vikar schloß mit dem französischen General einen schmachvollen Waffenstillstand, und bald kamen die französischen Kommissarien, um die Summe, die gezahlt werden sollte, in Empfang zu nehmen. Der General-Vikar entfloh, um der Wut des Volks, das sich von ihm, von der Citta, von allen, die ihm Schutz gewähren konnten gegen den andringenden Feind, verlassen glaubte, zu entgehen. Da waren alle Bande der Gesellschaft gelöst; in wilder Anarchie verhöhnte der Pöbel Ordnung und Gesetz, und unter dem Geschrei: »Viva la santa fede« rannten seine wahnsinnigen Horden durch die Straßen, die Häuser der Großen, von welchen sie sich an den Feind verkauft wähnten, plündernd und in Brand steckend. Vergebens waren die Bemühungen Moliternos und Rocca Romanas, Günstlinge des Volks und zu Anführern gewählt, die Rasenden zu bändigen. Die Herzoge della Torre und Clemens Filomarino waren ermordet, aber noch war des wütenden Pöbels Blutdurst nicht gestillt. – Berthold hatte sich aus einem brennenden Hause nur halb angekleidet gerettet, er stieß auf einen Haufen des Volks, der mit angezündeten Fackeln und blinkenden Messern nach dem Palast des Herzogs von T. eilte. Ihn für ihresgleichen haltend, drängten sie ihn mit sich fort – »viva la santa fede« brüllten die Wahnsinnigen, und in wenigen Minuten waren der Herzog – die Bediensteten, alles was sich widersetzte, ermordet, und der Palast loderte hoch in Flammen auf. – Berthold war immer fort und fort in den Palast hineingedrängt. – Dicker Rauch wallte durch die langen Gänge. – Er lief schnell durch die aufgesprengten Zimmer, aufs neue in Gefahr, in den Flammen umzukommen – vergebens den Ausgang suchend. – Ein schneidendes Angstgeschrei schallt ihm entgegen – er stürzt durch den Saal. – Ein Weib ringt mit einem Lazzarone, der es mit starker Faust erfaßt hat, und im Begriff ist ihm das Messer in die Brust zu stoßen. – Es ist die Prinzessin – es ist Bertholds Ideal! – Bewußtlos vor Entsetzen, springt Berthold hinzu – den Lazzarone bei der Gurgel packen – ihn zu Boden werfen, ihm sein eignes Messer in die Kehle stoßen – die Prinzessin in die Arme nehmen – mit ihr fliehen durch die flammenden Säle – die Treppen hinab – fort fort, durch das dickste Volksgewühl – alles das ist die Tat eines Moments! – Keiner hielt den fliehenden Berthold auf, mit dem blutigen Messer in der Hand, vom Dampfe schwarz gefärbt, in zerrissenen Kleidern sah das Volk in ihm den Mörder und Plünderer, und gönnte ihm seine Beute. In einem öden Winkel der Stadt unter einem alten Gemäuer, in das er, wie aus Instinkt, sich vor der Gefahr zu verbergen gelaufen, sank er ohnmächtig nieder. Als er erwachte, kniete die Prinzessin neben ihm, und wusch seine Stirne mit kaltem Wasser. »O Dank!« lispelte sie mit wunderlieblicher

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