Das Bildnis des Dorian Gray. ОÑкар Уайльд
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Читать онлайн книгу Das Bildnis des Dorian Gray - ОÑкар Уайльд страница 11
»Er ist sehr hübsch«, bestätigte Lord Henry.
»Ich hoffe, er kommt in die rechten Hände«, fuhr der alte Mann fort. »Eine Menge Geld wartet auf ihn, wenn Kelso recht an ihm handelte. Seine Mutter hatte auch Geld. Die ganze Besitzung Selby fiel ihr zu von Seiten ihres Großvaters. Ihr Großvater hasste Kelso, hielt ihn für einen gemeinen Hund. Das war er auch. Kam einmal nach Madrid, als ich da war. Wahrhaftig, ich schämte mich des Kerls. Die Königin fragte mich öfter, wer der englische Edelmann sei, der sich mit den Kutschern um den Fuhrlohn zankte. Eine ganze Geschichte haben sie daraus gemacht. Ich traute mich vier Wochen nicht an den Hof. Ich hoffe, er hat seinen Enkel besser als die Droschkenkutscher behandelt.«
»Ich weiß nichts davon«, erwiderte Lord Henry. »Ich denke mir, der Junge wird einmal wohlhabend sein. Er ist noch nicht großjährig. Selby gehört ihm, das weiß ich. Er sprach mir davon. Und … seine Mutter war sehr schön?«
»Margaret Devereux war eins der entzückendsten Menschenkinder, die ich je sah, Harry. Was in aller Welt sie dazu gebracht hat, so zu handeln, wie sie tat, habe ich nie verstehen können. Sie hätte, wen sie wollte, heiraten können. Carlington war verrückt nach ihr. Allerdings war sie eine Romantische. Alle Frauen der Familie waren es. Die Männer waren eine traurige Bande, aber, bei Gott! die Weiber waren entzückend! Carlington rutschte auf den Knien vor ihr. Hat er mir selbst erzählt. Sie lachte ihn aus, dabei gab es damals in London kein Mädchen, das nicht auf ihn aus gewesen wäre. Nebenbei, Harry, weil wir schon über törichte Heiraten sprechen: Was ist das für ein Blödsinn, den mir dein Vater von Dartmoor erzählt, er wolle eine Amerikanerin heiraten? Sind englische Mädchen ihm nicht gut genug, hä?«
»Es ist jetzt Mode, Amerikanerinnen zu heiraten, Onkel Georg.«
»Ich werde die englischen Frauen gegen die ganze Welt verteidigen, Harry«, sagte Lord Fermor und schlug mit der Faust auf den Tisch.
»Man wettet auf die Amerikanerinnen.« »Sie halten sich nicht, hab ich gehört.«
»Eine lange Verlobung erschöpft sie, aber in einer Steeplechase sind sie prächtig. Sie nehmen alles im Flug. Ich glaube nicht, dass Dartmoor Aussichten hat.«
»Was sind ihre Angehörigen?« grollte der alte Herr. »Hat sie überhaupt welche?«
Lord Henry schüttelte den Kopf. »Amerikanische Mädchen sind so geschickt im Verbergen ihrer Eltern, wie englische Frauen im Verbergen ihrer Vergangenheit«, sagte er und erhob sich zum Gehen.
»Sie sind vermutlich Schweinefleischpacker?«
»Ich hoffe es, Onkel Georg, um Dartmoors willen. Man hat mir gesagt, dass das Schweinefleischpacken in Amerika nach der Politik die einträglichste Beschäftigung ist.«
»Ist sie hübsch?«
»Sie tritt auf, als ob sie schön wäre. Das tun die meisten Amerikanerinnen. Es ist das Geheimnis ihrer Anziehungskraft. «
»Warum bleiben diese Amerikanerinnen nicht bei sich zu Hause? Sie erzählen uns immer, es sei das Paradies für Frauen.«
»Das ist es. Das ist der Grund, warum sie wie Eva so gierig danach sind, herauszukommen«, sagte Lord Henry. »Adieu! Onkel Georg! Ich komme zu spät zum Frühstück, wenn ich länger bleibe. Danke sehr für die Belehrung, die du mir gabst! Es ist mir immer recht, von meinen neuen Freunden alles und von meinen alten nichts zu wissen.«
»Wo wirst du frühstücken, Harry?«
»Bei Tante Agatha. Ich habe mich und Herrn Gray bei ihr eingeladen. Er ist ihr neuester Protegé.«
»Hm! Sage deiner Tante Agatha, Harry, sie solle mich mit ihren Wohltätigkeitsaufrufen in Ruhe lassen. Die habe ich satt. Wahrhaftig, die gute Frau meint, ich hätte nichts Besseres zu tun, als für ihre albernen Liebhabereien Schecks zu schreiben.«
»Schon recht, Onkel Georg, ich will es ihr sagen, aber es wird zwecklos sein. Wohltätige haben allen Sinn für Menschlichkeit verloren. Daran erkennt man sie.«
Der alte Herr brummte zustimmend und läutete seinem Diener. Lord Henry ging durch den niedrigen Säulengang nach Burlington Street und wandte seine Schritte in der Richtung nach Berkeley Square.
Das war also die Geschichte der Eltern Dorian Grays. So roh die Form war, in der sie ihm berichtet worden, hatte sie ihn doch erregt und ihm den Eindruck eines seltsamen, fast modernen Romans gemacht. Eine schöne Frau, die alles um eine wahnsinnige Leidenschaft wagt. Ein paar wilde Wochen des Glücks, kurz abgeschnitten durch ein scheußliches, verräterisches Verbrechen. Monate sprachloser Verzweiflung und dann ein Kind, das in Schmerzen geboren wurde. Die Mutter vom Tode weggenommen, der Knabe in Einsamkeit und der Tyrannei eines lieblosen alten Mannes überlassen. Ja, das war ein interessanter Hintergrund. Er gab dem jungen Menschen Relief, machte ihn vollkommener als zuvor. Hinter allem Erlesenen in der Welt lag etwas Tragisches, Welten hatten kreisen müssen, damit das unscheinbarste Blümchen aufblühen konnte … Und wie entzückend war er gestern Abend gewesen, als er mit erschreckten Augen, die Lippen in scheuer Luft geöffnet, ihm im Klub gegenübersaß und die roten Schirme der Kerzen das erwachende Wunder seines Gesichts noch rosiger färbten. Zu ihm sprechen war, wie wenn man auf einer köstlichen Geige spielte. Er entsprach jedem Strich und jeder zitternden Bewegung des Bogens … Es war doch etwas schrecklich Unterjochendes in der Ausübung eines Einflusses. Keine andre Betätigung war ihr zu vergleichen. Seine Seele in eine anmutige Gestalt zu projizieren und sie dort einen Augenblick verweilen zu lassen; seine eigenen Geistestendenzen im Echo zu hören, vermehrt um all die Musik der Leidenschaft und Jugend; sein Temperament in ein andres hineinzuleiten, als ob es ein feines Fluidum oder ein seltsamer Duft wäre: Darin lag eine wahrhafte Freude – vielleicht die befriedigendste Freude, die uns in einer Zeit geblieben, die so beschränkt und gemein war wie unsre, die in ihren Genüssen so grob fleischlich und in ihren Zielen so grob gewöhnlich war … Auch war er ein wunderbarer Typus, dieser Jüngling, den er durch so seltsamen Zufall in Basils Atelier kennengelernt hatte, oder konnte wenigstens zu einem wundervollen Typus gemodelt werden. Grazie war ihm verliehen und die weiße Reinheit der Knabenunschuld, und Schönheit, wie sie alte griechische Marmorwerke bewahrten. Es gab nichts, was sich nicht aus ihm machen ließ. Er konnte zu einem Titanen oder zu einem Spielzeug gemacht werden. Was war es für ein Jammer, dass solche Schönheit zum Verwelken bestimmt war! … Und Basil? Wie interessant er, psychologisch betrachtet, doch war! Die neue Art in der Kunst, die neue Weise, das Leben anzusehen, so seltsam erweckt durch das bloße sichtbare Dasein eines Menschen, der von alledem nichts wusste; der stille Geist, der in einer düsteren Waldlandschaft wohnte und ungesehen im freien Felde wandelte, zeigte sich plötzlich, dryadengleich und ohne Scheu, weil in der Seele dessen, der auf der Suche nach ihm war, die wundervolle Vision erwacht war, der allein wundervolle Dinge offenbart werden. Die bloßen Formen und Abbilder von Dingen wurden gleichsam geläutert und erlangten eine Art symbolischer Bedeutung, als ob sie selber Abbilder einer andern und