Die Kreuzzüge. Martin Kaufhold

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Die Kreuzzüge - Martin  Kaufhold marixwissen

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war. Diese Männer vergossen Blut und davor schreckten die Männer der Kirche zurück. Die große Leistung in der Ausbildung des Ritterstandes bestand darin, diese jungen (und teilweise älteren) zur Gewalt neigenden Krieger in eine Lebensordnung hineinzuholen, die ihnen den Freiraum gab, den sie sich ohnehin genommen hätten, die ihnen aber gleichzeitig ein Leitbild vermittelte, das eine befriedende Wirkung hatte. So erhielten diese Krieger einen Platz im sozialen Gefüge des hohen Mittelalters. Das ist auch daran zu erkennen, dass in Ordnungsentwürfen, die die Theoretiker jener Epoche für das menschliche Zusammenleben formulierten, die Krieger (bellatores) eine eigene Gruppe neben den Betenden (oratores) und den (körperlich) Arbeitenden (laboratores) darstellten. Bischof Adalbero von Laon (977–1033) sah es folgendermaßen: Dreigeteilt ist das Haus Gottes: die einen beten, die anderen kämpfen, die dritten arbeiten. Es gibt nur diese drei Gruppen, und eine weitere Teilung gibt es nicht.

      So hatten die Krieger neben den Betenden einen vornehmen Platz. Richard Southern hat darauf hingewiesen, dass auch die Betenden sich als Kämpfer gegen das Böse verstanden, als Männer, die harte spirituelle Kämpfe ausfochten. Der Preis für diese Integration der Krieger war freilich, dass das Christentum sich mit einigen ihrer kriegerischen Lebensformen stärker einließ, als es das Evangelium auf den ersten Blick nahe gelegt hätte. Die Spannung von Ideal und zum Teil brutaler Realität, die das ganze Kreuzzugsgeschehen durchzieht, beruht in hohem Maße auf dieser zivilisatorischen Leistung der hochmittelalterlichen Kirche. Sie schuf einen Platz für Männer, die mit dem Schwert umzugehen wussten. Dadurch wurde der Gebrauch der Schwerter in vieler Hinsicht kontrollierter, aber es blieben tödliche Waffen, die auch weiterhin zum Kampf genutzt wurden. Und nicht jeder, der mit ihnen umzugehen wusste, ließ sich dauerhaft auf das christliche Ideal verpflichten. Doch war dieses Ideal für die Ausbildung des Rittertums eine entscheidende Größe.

      Das 11. Jahrhundert kann daher als die Anfangszeit des Rittertums angesehen werden, weil in dieser Phase die reitenden Krieger das neue Ethos als Leitbild annahmen. Der Teppich von Bayeux lässt das erkennen. Er zeigt etwa eine Gruppe von Kriegern, die mit eingelegten Lanzen in den Kampf reiten. Über dieser Gruppe steht in dem einfachen und klaren Latein, das alle Bilder dieser Darstellung begleitet: mutig und umsichtig in den Kampf (viriliter et prudenter ad prelium). Es ging um mehr als um den geübten Gebrauch von Schwert und Lanze. Der Anspruch an einen umsichtigen, urteilsfähigen Krieger, der seine Kampfkraft in den Dienst einer gerechten Sache stellte, schlug sich schon bald in eigenen Ritualen nieder. Schon auf dem Teppich von Bayeux ist eine Vorform jenes späteren feierlichen Ritus des Ritterschlags zu sehen, dessen Inszenierung vor dem dritten Kreuzzug auf dem großen Hoftag Friedrich Barbarossas zu Pfingsten 1184 einen Höhepunkt erreichte. Auf dem Teppich von Bayeux ist der Vorgang noch sehr viel bescheidener dargestellt. Hier wird der Überbringer der Thronfolgenachricht an Herzog Wilhelm von diesem nach gemeinsam bestandenen Kämpfen mit den Waffen eines Ritters eingekleidet. Hundert Jahre später war daraus ein feierlicher rite de passage geworden, der aufwendig begangen wurde. Die Ritter profitierten von der Dynamik der so genannten zweiten Feudalzeit, sie verbesserten ihre Kampftechnik und formulierten die Ansprüche an die Ritterschaft auf hohem Niveau. All dies vollzog sich zwischen dem ersten und dem dritten Kreuzzug. Aber es beantwortet eine drängende Frage nicht: Wie kam es dazu, dass der höchste Vertreter des Christentums, dessen Kern eine Friedensbotschaft ist, zu einem Krieg im Zeichen des Kreuzes aufrufen konnte?

      CHRISTENTUM UND KRIEG

      Vor über 70 Jahren hat Carl Erdmann, dessen Familiengeschichte von den Kriegen des 20. Jahrhunderts zutiefst geprägt war, in einer wegweisenden Studie die Entstehung des Kreuzzugsgedankens dargelegt. Eine entscheidende Wendung gegenüber der Ablehnung jeglicher Gewalt trat in jener Phase ein, als das spätantike Christentum zu einer offiziellen Religion des römischen Reiches wurde. Augustinus (354–430), der als Bischof von Hippo in Nordafrika auch die Funktion einer Ordnungsgewalt wahrnahm, formulierte in der Auseinandersetzung mit Gegnern des katholischen Glaubens eine Grundlage für die christliche Möglichkeit einer legitimen Kriegsführung. Für Augustinus blieb der Krieg ein letztes Mittel der Verteidigung, ein Krieg zur Verbreitung des Glaubens erschien ihm nicht gerechtfertigt. Für einen gerechten Krieg (bellum iustum) mussten vier Voraussetzungen erfüllt sein: 1. Der Krieg musste durch eine legitime Autorität erklärt werden (er war nicht der individuellen Entscheidung überlassen), 2. Es musste ein legitimer Kriegsgrund vorliegen (Verteidigung von Glauben, Leben oder Eigentum), 3. Eine andere Lösungsmöglichkeit war ausgeschlossen, 4. Der Krieg wurde mit angemessenen Mitteln geführt.

      Für das mittelalterliche Christentum hatte sich auf der iberischen Halbinsel ein frühes Feld für mögliche Kriege im Namen des Glaubens ergeben. Seit die iberische Halbinsel im frühen 8. Jahrhundert zum großen Teil von arabischen Kriegern erobert und unterworfen worden war, war es in Spanien wiederholt zu Kämpfen mit Andersgläubigen gekommen, und es hatte auch Ansätze einer begleitenden Doktrin gegeben. Die Auswirkungen dieser Lehre auf die Idee des Kreuzzugs sind jedoch nicht ganz klar. Erkennbar ist allerdings, dass die neue Ausrichtung des Christentums auf die Gewinnung der diesseitigen Welt auch die Notwendigkeit einer militia Christi verstärkt hatte, einer Kraft, die der Kirche im Bedarfsfall beistehen konnte. Das Bündnis, das das Papsttum mit den Normannen in Hinblick auf Sizilien im Jahr 1059 eingegangen war, ließ ja eine solche Notwendigkeit erkennen.

      Doch wird man die Ausbildung einer militärischen Kreuzzugsidee im christlichen Europa nicht in erster Linie als einen abstrakten Vorgang verstehen können. Es ging wohl ebenso sehr um Erfahrungen wie um Ideen. Und in Hinblick auf das mittelalterliche Christentum um 1100 ist eine Feststellung unabweisbar. Das Christentum hatte sich in Europa vor allem auf militärischem Wege durchgesetzt. Es war, knapp formuliert, die Religion der Sieger. Das hatte bereits der spätere Kaiser Konstantin erfahren, dem vor der entscheidenden Schlacht mit seinem Rivalen Maxentius an der Milvischen Brücke im Jahre 312 das Kreuz als Zeichen des Sieges erschienen sein soll, und in ähnlicher Weise soll sich der Frankenkönig Chlodwig (466–511) vor 500 zum katholischen Christentum bekehrt haben. Chlodwig soll in einer wichtigen Schlacht mit den Alemannen durch die Anrufung des christlichen Gottes die Wende zugunsten der Franken herbeigeführt haben. Die Entscheidung für das Christentum war eine Entscheidung für den Gott, der zum Sieg gegen die Feinde half. Das angelsächsische England wurde auf diese Weise christianisiert, ebenso die heidnischen Nachbarn der Franken. Allein im Norden Europas kam es zu einer Übernahme des christlichen Glaubens ohne direkte Eroberung. Politische Hegemonie war indes auch bei der Bekehrung Dänemarks, Norwegens und Schwedens im Spiel. Es war eine Selbstverständlichkeit, dass Christen mit ihrem Gott gegen ihre Feinde kämpften. Selbstverständlich stellten Klöster und Bistümer große militärische Aufgebote im Heer Karls des Großen. Und die Prälaten kämpften selber mit. Dies war bei allen aufrichtigen Bemühungen um Frieden eine Welt, in der Gewalt eine Selbstverständlichkeit war. Sie war reguliert, aber sie bedurfte keiner besonderen Begründung. Es ist wichtig, dies in Hinblick auf das mittelalterliche Christentum im Kopf zu behalten. Es war eine »robuste« Religion.

      Bei aller Dynamik, auf die wir bislang verwiesen haben, müssen wir uns doch klar machen, dass dies eine einfache Welt war. Das westliche Europa befand sich im Aufbruch, aber es war noch immer vom Hunger bedroht. Wir müssen uns klar machen, dass auf einen Sack ausgesäten Weizen in Burgund in dieser Epoche nur ein Ertrag von etwa drei Säcken kam, wenn das Wetter schlecht war, waren es weniger. Und Burgund war eine vergleichsweise fruchtbare Region. Davon musste ein Sack als Saatgetreide für die nächste Aussaat aufgehoben werden. Unter ungünstigeren Bodenverhältnissen waren die Erträge noch kleiner. In der Regel arbeitete man mit einer Zwei-Felder-Wirtschaft: das Feld wurde geteilt, die eine Hälfte wurde bestellt, die andere Hälfte ließ man brach liegen, damit sich der Boden erholte. Dünger gab es kaum. Die neuere Forschung zum bäuerlichen Leben geht davon aus, dass die Dörfer und Siedlungen häufiger abgebrochen und an anderer Stelle neu errichtet wurden, wenn der Boden ausgelaugt war. Die bäuerlichen Dörfer bestanden aus Holzhütten, Stein verwendete man allenfalls für Kirchen. In den Städten war es ähnlich – wo es schon Städte gab. Man hat in Hinblick auf die Motive der Kreuzfahrer auch auf die dürftigen Lebensverhältnisse in der

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