Gesammelte Werke. George Sand

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Gesammelte Werke - George Sand Gesammelte Werke bei Null Papier

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und voll Lie­be.

      – Die­ser Zu­stand von Ver­zückung, Al­bert, den ich auch be­wun­de­re, ist doch, wenn er lan­ge an­hält, eine Krank­heit. Täu­schen Sie sich nicht in die­ser Hin­sicht! Gott will nicht, dass der Mensch die Emp­fin­dung und das Be­wusst­sein sei­nes Da­seins ab­strei­fe, um sich zu oft in das lee­re An­schau­en ei­ner idea­len Welt zu er­he­ben. Wut und Wahn­sinn sind das Ende sol­cher Berau­schun­gen, als eine Stra­fe des Hoch­muts und der Mü­ßig­keit.

      Ajax blieb vor Zden­ko ste­hen, und sah ihn freund­lich an, als ob er eine Lieb­ko­sung von dem Freun­de er­war­te; die­ser aber ge­währ­te ihm kei­ne. Er saß, den Kopf in bei­den Hän­den, noch in der näm­li­chen Stel­lung und auf dem näm­li­chen Fels­stück, wo ihn Con­sue­lo ver­las­sen hat­te. Al­bert re­de­te ihn auf Böh­misch an, und er gab kei­ne Ant­wort. Er schüt­tel­te den Kopf mit mut­lo­ser Ge­bär­de, sei­ne Ba­cken wa­ren von Trä­nen über­strömt, und er woll­te Con­sue­lo gar nicht an­se­hen. Al­bert er­hob sei­ne Stim­me und re­de­te nach­drück­li­cher mit ihm, doch lag mehr et­was Er­mah­nen­des und Zärt­li­ches als Ge­bie­te­ri­sches und Schel­ten­des in sei­nem Tone; Zden­ko stand end­lich auf und reich­te Con­sue­lo sei­ne Hand, die sie ihm zit­ternd drück­te.

      – Jetzt, sag­te er zu ihr auf Deutsch, sie sanft, doch trau­rig an­bli­ckend, sollst du nicht mehr Furcht vor mir ha­ben; aber du machst mir sehr weh und ich füh­le an dei­ner Hand, dass sie viel Un­glück über uns bringt.

      Er ging vor ih­nen her, von Zeit zu Zeit mit Al­bert ei­ni­ge Wor­te wech­selnd. Sie ver­folg­ten den mas­si­ven und ge­räu­mi­gen Gang, den Con­sue­lo auf die­ser Sei­te noch nicht kann­te, und der sie zu ei­nem Rund­ge­wöl­be brach­te, wo­selbst sich das Was­ser in ein wei­tes von Men­schen­hand ge­bil­de­tes und mit Bruch­stei­nen ein­ge­fass­tes Be­cken er­goss. Es floss dar­aus auf zwei We­gen ab, von de­nen der eine sich in den Höh­len ver­lor, der an­de­re zu der Cis­ter­ne des Schlos­ses führ­te. Die­sen letz­te­ren ver­schloss Zden­ko, in­dem er mit sei­ner her­ku­li­schen Hand drei ge­wal­ti­ge Stei­ne vor die Öff­nung leg­te.

      – Set­zen wir uns hier nie­der! sag­te der Graf zu sei­ner Ge­fähr­tin, und las­sen wir dem Was­ser des Brun­nens Zeit, durch einen Kanal ab­zu­lau­fen.

      – Ich ken­ne ihn gut, sag­te Con­sue­lo, von Kopf zu Fü­ßen schau­dernd.

      – Wie mei­nen Sie das? frag­te Al­bert und sah sie ver­wun­dert an.

      – Sie sol­len es spä­ter hö­ren, ant­wor­te­te Con­sue­lo. Ich will Sie jetzt nicht durch das Bild der Ge­fah­ren, die ich über­wun­den habe, be­trü­ben und auf­re­gen …

      – Aber was meint sie? rief Al­bert und sah voll Schre­cken Zden­ko an.

      Zden­ko ant­wor­te­te ihm böh­misch mit gleich­gül­ti­ger Mie­ne, wäh­rend er mit sei­nen lan­gen, brau­nen Hän­den Ton zu­sam­men­kne­te­te, um die Fu­gen der Stei­ne, die ihm als Schleu­se dienten, aus­zu­fül­len, da­mit die Cis­ter­ne sich de­sto schnel­ler lee­ren möch­te.

      – Er­klä­ren Sie sich, Con­sue­lo! sag­te Al­bert hef­tig; ich ver­ste­he nichts von dem, was er mir sagt. Er be­haup­tet, er habe Sie nicht her­ge­führt. Sie wä­ren durch die un­te­ren Wege ge­kom­men, die aber, weiß ich, un­durch­dring­lich sind, und wo sich eine zar­te Frau nie hät­te hin­ein­wa­gen oder zu­recht­fin­den kön­nen. Er spricht … mein Gott, was spricht er nicht, der Un­glück­li­che! … das Schick­sal habe Sie ge­führt und der Erz­en­gel Mi­cha­el (den er den Über­mäch­ti­gen und den Sie­ger nennt) habe Sie durch die Was­ser­schlün­de und Ab­grün­de ge­lei­tet.

      – Es ist un­mög­lich, sag­te Con­sue­lo lä­chelnd, dass sich der Erz­en­gel Mi­cha­el hin­ein­ge­mischt habe; denn ge­wiss ist, dass ich durch den Ab­zug der Quel­le ge­kom­men bin, dass ich vor dem Was­ser­stro­me in al­ler Hast her­lief, dass ich mich zwei oder drei mal für ver­lo­ren hielt, dass ich mich durch Höh­len und Stein­klüf­te ge­wun­den habe, wo ich bei je­dem Schrit­te er­stickt oder ver­schlun­gen zu wer­den mein­te, und den­noch wa­ren alle die­se Ge­fah­ren nicht fürch­ter­li­cher als Zden­ko’s Zorn, als mich der Zu­fall oder die Vor­se­hung end­lich den gu­ten Weg fin­den ließ.

      Hier er­zähl­te Con­sue­lo, die mit Al­bert im­mer spa­nisch sprach, ihm in we­ni­gen Wor­ten, wie sein fried­lie­ben­der Zden­ko sie emp­fan­gen hat­te und wie er sie le­ben­dig be­gra­ben woll­te, was schon fast vollen­det war, als sie die Geis­tes­ge­gen­wart hat­te, ihn durch einen ei­gen­tüm­lich ket­ze­ri­schen Spruch zu be­sänf­ti­gen.

      Ein kal­ter Schweiß brach auf Al­ber­t’s Stirn aus, wäh­rend er die­se un­glaub­li­chen Din­ge ver­nahm, und mehr­mals schoss er fürch­ter­li­che Bli­cke auf Zden­ko, als ob er ihn durch­boh­ren woll­te. Zden­ko’s Blick be­geg­ne­te den sei­ni­gen mit ei­nem selt­sa­men Aus­druck von Trotz und Ver­ach­tung.

      Con­sue­lo zit­ter­te, die­se bei­den Wahn­sin­ni­gen sich ge­gen­ein­an­der keh­ren zu se­hen, denn un­ge­ach­tet der tie­fen Ein­sicht und des fei­nen Ge­fühls, wo­von Al­ber­t’s Re­den meis­ten­teils Zeug­nis ga­ben, war es ihr ganz klar, dass sei­ne Ver­nunft har­te Stö­ße er­lit­ten hat­te, wo­von sie sich viel­leicht nie wie­der ganz er­ho­len konn­te. Sie ver­such­te, sie aus­zu­söh­nen, in­dem sie bei­den lieb­reich zu­re­de­te. Aber Al­bert stand auf, reich­te Zden­ko den Schlüs­sel sei­ner Ein­sie­de­lei und sag­te ihm sehr kalt ein Paar Wor­te, de­nen Zden­ko au­gen­blick­lich Fol­ge leis­te­te. Er nahm sei­ne La­ter­ne auf und ent­fern­te sich in frem­den Wei­sen un­ver­ständ­li­che Wor­te sin­gend.

      – Con­sue­lo! sag­te Al­bert, als er ihn aus dem Ge­sich­te ver­lo­ren hat­te, wenn die­ses treue Tier, das zu Ihren Fü­ßen liegt, wild wür­de, ja wenn mein ar­mer Ajax in ei­nem Wu­t­an­fall Ihr Le­ben in Ge­fahr bräch­te, so müss­te ich ihn tö­ten, und wahr­haf­tig, ich wür­de kei­nen An­stand neh­men, ob­gleich mei­ne Hand nie Blut ver­gos­sen hat, selbst von Ge­schöp­fen nicht, die tiefer ste­hen als der Mensch … sein Sie da­her ganz un­be­sorgt und fürch­ten Sie kei­ne Ge­fahr!

      – Wo­von re­den Sie, Al­bert! frag­te das jun­ge Mäd­chen, durch die­se un­er­war­te­te An­spie­lung be­un­ru­higt. Ich fürch­te nichts mehr. Zden­ko ist im­mer doch ein Mensch, ob­schon er sei­nen Ver­stand ver­lo­ren hat, viel­leicht durch sei­ne Schuld, und auch ein we­nig durch die Ih­ri­ge. Spre­chen Sie nicht von Blut und Stra­fe. Ih­nen ge­ziemt es, ihn zur Be­sin­nung zu­rück­zu­füh­ren und ihn von sei­nem Wahn­sinn her­zu­stel­len, an­statt ihn in die­sem zu be­stär­ken. Kom­men Sie, wir müs­sen fort! Ich fürch­te sonst, dass der Tag an­bre­che und uns bei un­se­rer An­kunft über­ra­sche.

      – Du hast recht, sag­te Al­bert, sich auf den Weg ma­chend. Die Weis­heit spricht durch dei­nen Mund, Con­sue­lo! Mei­ne Narr­heit war an­ste­ckend für die­sen Ärms­ten, und es war hohe Zeit, dass du uns aus dem Ab­grund ris­sest, dem wir alle bei­de nahe wa­ren. Ge­heilt durch dich, will ich Zden­ko zu hei­len su­chen … Und wenn es mir den­noch nicht glückt, wenn sein Wahn­sinn noch ein­mal dein Le­ben in Ge­fahr setzt, ob­gleich Zden­ko ein Mensch vor Gott

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