Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger
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Читать онлайн книгу Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter Rosegger страница 263
Endlich kam der Diener zurück: »Der gnädige Herr läßt sagen, die Räder schenkt er ihm.« Klapps war die Tür wieder zu. Der Jakob stand da und wußte nun, wie er dran war. Nachdenklich ging er nach Hause, und daß wir der Zeit vorgreifen, die zwei Paar Wagenräder sind in der morschenden Mühle vermodert. –
Auch der Rodel hatte dem Jakob wiederholt sagen lassen, er möchte ihn doch einmal heimsuchen kommen unten im Mariental und seine Musterwirtschaft dort ansehen. Der Jakob dachte: Um den Rodel täte es mir am allermeisten leid, wenn ich die gute Meinung von ihm ändern müßte, und folgte den Einladungen nicht. Der Rodel war redlich bestrebt, auf dem kleinen Gute, das er für den Erlös des großen gekauft hatte, als Landwirt sein Bestes zu leisten. In Mariental war ein anderer Boden, als oben in Altenmoos, ein anderes Klima, es waren überhaupt andere Verhältnisse. Der Rodel verstand sie nicht, hatte sich aber in den Kopf gesetzt, den dortigen Bewohnern zu zeigen, wie ein Bauerngut zu betreiben ist; er wirtschaftete ihnen etwas vor nach Altenmooser Art, und als der Jakob endlich doch aus alter Treue den Besuch machen wollte, hatte der Rodel schon abgewirtschaftet.
Klüger in seiner Art hatte es der Klachel angestellt. Damit er nicht abwirtschaften könne, hatte er gar keine Wirtschaft mehr gekauft, sondern im Wirtshaus zu Sankt Ulrich eine Stube gemietet. Dort vertat er still und bescheiden sein Geld. Und als es vertan war, kam er zum Jakob nach Altenmoos, nannte ihn seinen liebsten Freund, den er nicht vergessen könne und wollte von ihm Geld ausborgen. Der Jakob entgegnete: »Klachel! Jetzt könnte ich dir meine Meinung sagen und dir dann fünf Gulden schenken. Aber ich sage nichts und ich schenke nichts. Eine warme Suppe, wenn du magst?«
»So schenke mir doch wenigstens etwas auf Branntwein! Es ist ein Hundeleben auf der Welt.« Dieser Ansicht war nun der einmal so lustige Klachel.
Vom Sepp in der Grub, der weit fortgezogen war, hörte man anfangs, daß es ihm und seinen Leuten gut ergehe, nur magere er stark ab, trotz der fetten Gegend, in der er wohne. Nicht lange darauf hieß es, er sei gestorben.
Der Steppenwirt, der – weil in Altenmoos keine trinkenden Leute mehr vorhanden – ebenfalls fortgezogen war, hatte in einer kleinen Stadt eine Schenke gepachtet, aber das, was er gleichwohl mit seiner unerschöpflichen Spruchweisheit gewürzt ausbot, mundete den Gästen nicht recht. Daß es ihnen nicht mundete, war noch nicht das Schlimmste, daß sie allmählich ausblieben, war schlimmer.
»Schlechte Zeiten!« meinte der Wirt achselzuckend und setzte bei: »Man muß die Zeit nehmen, wie sie kommt, und geht zu Weihnachten in die Haselnüsse.« – Er ging ins Straßenkehren.
Von vielen anderen Ausgewanderten hörte man gar nichts. Hingegen stand ein ehemaliger Knecht des Stindel im Stein in der Zeitung, die der Sandebner Pfarrer hielt. »Aus dem Gerichtssaal« hieß das Stück.
Auch weiteren Bauernknechten, die aus Altenmoos ausgewandert, um in schönen Gegenden Dienst zu nehmen, erging es nicht aufs beste. Sie fanden angestrengtere Arbeit, aber schmälere Nahrung. In Altenmoos hatten sie stets zur Familie ihres Dienstgebers gehört, in den neuen Dienstorten wurden sie als notwendige Übel angesehen, mitunter schlechter als die Haustiere behandelt. Natürlich, ein schlecht behandeltes Haustier verliert an Geldwert; der Dienstbote, wenn er die Kraft verliert, kommt ins Armenhaus – wo sie eins haben. Die geborenen Altenmooser haben keins, sie dürfen betteln gehen. Von den langen Feierabenden, von der üppigen Festtagskost wie einst in Altenmoos war draußen keine Rede, und ihre eigenen Herren durften sie selbst an den Sonntagen nicht sein. Immer und immer hinhorchen auf den Wink des Herrn! Ein alter Knecht wollte seiner Gewohnheit, allsonntägig mit den Hausgenossen laut den Rosenkranz zu beten, auch draußen gerecht werden; darob wurde er verlacht und verhöhnt, bis er wieder ins Gebirge zurückging, wo man auch noch ein wenig Zeit für seine Seele hat. Der Verkehr mit dem anderen Geschlecht war draußen völlig frei. Wie es Monatsdienste gab, so auch Monatsheiraten in wilder Ehe. Das kostete Geld, kostete Gesundheit. Beging der Dienstbote einen Verstoß, alsbald die Gendarmen! Dann im Alter in den Winkel mit ihm – ein verbrauchter Besen.
Was schrieb doch die Tochter des Fock zu Altenmoos, die nach Graz gegangen war, um eine Frau zu werden? »Herrendienst ist wohl hart«, schrieb sie einer Freundin nach Hause, »seit einem Jahr der dritte Dienst. Arbeit vom frühen Morgen bis in die Nacht. Und Essen nur, was vom Herrentisch übrigbleibt. Alle vierzehn Tag' einmal ein paar Stunden frei zum Ausgehen. Derspart noch nichts, geht alles fürs Gewand auf. Aber viele Soldaten, saubere Leut'. Die Gnädige ist ein Drach', der Herr ist gut. Wenn's nur bald Ernst tät' werden mit dem Hausmeister, alsdann bin ich eine gemachte Frau.«
Ein früherer Knecht des Steppenhofes war in ein großes Walzwerk gegangen, der schrieb seinem Vetter nach Altenmoos verworrenes Zeug von einer neuen Gerechtigkeit, von der roten Welt, von Besiegung des Kapitals, von Gleichteilung der Güter usw. »Sparen tun wir nicht«, schrieb er, »wenn's kracht, kriegen wir eh genug.«
Derlei und anderlei war von den Ausgewanderten zu erfahren. Der Jakob wollte nichts davon hören. In Altenmoos, wie war das anders gewesen, wie könnte es noch so sein! Kein Herr und kein Sklave, keiner reich und keiner arm war Altenmooser Art. Nun, sie sollen liegen, wie sie sich gebettet hatten. Selber getan, selber gelitten. Wem nicht zu raten, dem ist auch nicht zu helfen! – Ach, was nutzen die guten Sprichwörter! Das Weltgift haben sie getrunken. Dem Jakob blutete das Herz.
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