Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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verkauft den Boden, auf dem ihr steht. Nachbarn! Wenn sich die Welt zerstört, so fängt es an. Die Menschen werden zuerst treulos gegen die Heimat, treulos gegen die Vorfahren, treulos gegen das Vaterland. Sie werden treulos gegen die guten alten Sitten, gegen den Nächsten, gegen das Weib und gegen das Kind. Sonst ist das Kind in der Heimat geboren worden, hat in der Heimat seine Jugendzeit verlebt, ihr setzt es in die Fremde, auf Sand.«

      »Natürlich«, bemerkte nun der Waldmeister, »wer von dem großen deutschen Vaterland noch nichts gehört hat, der ist freilich fremd, sobald er aus seiner Wiege steigt.«

      »Großes deutsches Vaterland!« sagte Jakob, »ein gutes Schlagwort für die Bauernabtrenner, und schon gar, wenn sie aus Polen kommen. Ich aber sage: Wo keine Liebe zur festständigen Heimat ist, da ist auch keine zum Vaterland. Ein Blatt, das vom Baume gerissen ist, flattert noch eine Weile raschelnd im Herbstwind hin und her, ehe es sinkt und verwest. Jetzt ist so ein Wind gekommen, Nachbarn! Ihr raschelt, aber ihr werdet nimmer grün. Ihr seid feige, lauft dem Bauernstand davon, weil er hart und ernsthaft ist. Ihr seid hoffärtig, und weil euch der Wind trägt, so glaubt ihr, ihr wäret Vögel und könntet fliegen.«

      »Lieber Vögel als Maulwürfe!« schrie einer drein.

      »Der Maulwurf ist ein nützliches Tier«, sagte der Jakob, »wenn er aber Flügel haben und eine Lerche sein wolle! Pfui Teufel!«

      »Schön kann er predigen«, lachte der Waldmeister.

      »Wenn ein Abschiedsfest ist, meine Herren, so muß auch eine Abschiedsrede sein«, sprach der Jakob, nun halb launig, »sie ist gehalten. Ihr seid draußen, ich mache die Tür zu. Helf' euch Gott!«

      Eine Handbewegung machte er noch, als ob er die ganze Festgesellschaft mitsamt dem Steppenwirtshaus von sich schieben wollte, dann ging er davon. Wie tief erregt er war, im Herzensgrunde aufgewühlt!

      Die Leute, so am Tische saßen oder durch die leidenschaftlichen Worte des Jakob herbeigezogen umherstanden, schauten sich mit verblüfften Gesichtern an. Was da gesagt worden, war eigentlich doch merkwürdig, und wer es gesagt – das war's noch mehr. So hatte den stillen freundlichen Jakob keiner gekannt!

      Der alte Sandler, der vorhin mit geneigtem Haupte dem Jakob zugehört hatte, ergriff jetzt den Arm des Oberförsters und sagte: »Bedenken muß ich's doch erst, Waldmeister, und meinen Buben fragen.«

      »Was willst bedenken?«

      »Des Hausverkaufens wegen. Bedenken.«

      »Aber Sandler!« riefen jetzt mehrere zugleich, »der Kauf ist ja abgeschlossen.«

      »Die Herren sind Zeugen!« sprach der Waldmeister auf die Bauern deutend, »und das Geld hast im Sack.«

      Der Alte sagte nichts mehr, sondern saß, noch tiefer zusammengekauert, reglos unter der Linde.

      Im Hause klang die Zither, johlten die Tanzenden, die Trinkenden, schrillte das Anstoßen der Gläser. Wohl auch dem Sandler zu Ehren galt jetzt das Freudenfest – aber er saß wie leblos dort, und auf seiner Stirne standen kalte Tropfen.

      »'s ist ihm halt aufgesetzt gewesen!« würde der Wegerer gesagt haben. Der Wirt kam mit frischem Wein und sprach: »Den schickt dir der liebe Herrgott, weil du brav bist gewest!«

      Der alte Sandler trank nicht, er hinkte davon.

      Ein Weibchen und kein Nest dazu

       Inhaltsverzeichnis

      Als der alte Sandler spät abends nach Hause kam, war der Sebast nicht mehr daheim. Der Sebast arbeitete in diesen Wochen, da der Heumahd vorüber und der Kornschnitt noch nicht da war, weit oben in den Wäldern der Herrschaft Rabenberg als Taglöhner. Um Montags rechtzeitig bei der Arbeit zu sein, pflegte er schon am Sonntag abends den stundenlangen Weg hinaufzugehen und in der Holzhauerhütte zu übernachten. Erst Samstags zum Feierabend kam er wieder heim.

      Und da war's an diesem nächsten Samstag – ein stiller, sonnengoldiger Augustabend – daß der Sebast, ein Liedel pfeifend, mit seiner Kraxe (Rücktrage) niederstieg zwischen den Feldern des Guldeisnergrundes. Bei den zwei Ahornen genannt, wo die Grenze war zwischen dem Guldeisner- und dem Sandlergut, stand eine, die auf ihn wartete. Sie stand so da und nestelte etwas an ihrem Gewand und knüpfte am Scheitel das Tüchel fester, das sie heute ums Kinn gebunden, und hatte keinen rechten Gruß und keinen Dank für den herantretenden Sebast. Die Dullerl war's.

      »Kann dich frei nimmer derwarten«, so redete sie ihn kleinlaut an.

      »Gut ist's, da hast mich!« sagte er und wollte sogleich dort wieder beginnen, wo sie am Sonntage aufgehört hatten.

      Sie wehrte seinen Kuß und sagte: »Kannst es nicht glauben, was ich Zahnweh habe!«

      »Das ist auch ein neuer Brauch«, sprach der Bursche munter, »an einem so schönen Sommertag Zahnweh haben!«

      »Zahnweh wär' noch nicht das ärgste«, sagte das Dirndel mit unsicherer Stimme.

      »Na, freilich nit. Den reißen wir halt außer.«

      »Das Blut steigt mir so zu Kopf – ich weiß nicht...«

      »Geh', Tschapperl, wegen des bissel Bluts!«

      Sie schmiegte sich an ihn und flüsterte: »Sebast! – Ich – ich hab' schon soviel Angst. Seit Irchtag (Dienstag) oder Mittwoch her hab' ich schon soviel Angst. – Ich weiß nit, Sebast, ob du dir's denken kannst...«

      Er schaute sie an.

      »Ob du's vermeinst, was es kann sein...«

      Er schaute sie lange an und schwieg. Er konnte sich's denken.

      Sie weinte und zitterte. Er nahm ihre beiden Hände in die seinen und sagte: »Dullerl! Wie Gott will. Ich verlaß dich nicht.«

      »Und mehr brauch' ich nicht zu wissen«, sprach sie aufatmend, »das Zahnweh will ich leicht ertragen.«

      »In sechs Wochen bist du Sandlerbäuerin!« sagte er.

      »Dank' dir's Gott«, sagte sie.

      Noch ein Händedruck. Sie lief den steilen Fußsteig hinab gegen das kleinwinzige Bachhäusel, das aber gar nicht einmal ihr und auch nicht ihrem Vater gehörte, sondern zum Steppenhof und mitsamt diesem dem Kampelherrn. Es war kein lustiger Aufenthalt gewesen in diesem Häusel; im Jahre nur sieben Wochen lang schien des Tages eine kurze Stunde die Sonne darauf, und Vogelgesang war niemals, weil die Sandach wild rauschte vor der Hütte. Mit Tagwerken und Kohlenbrennen und mit Beihilfe einer Ziege, in besten Zeiten einer Kuh, gewannen sie ihr armes Leben von Tag zu Tag. Aber jetzt soll es besser werden, beim Sandlerhof oben scheint die Sonne im Winter und im Sommer, singen die Vögel im Winter und im Sommer. – Das bissel Zahnweh duldet sie gern. – Nur ein kleines Heiratsgut hätt' ich ihm mögen mitbringen, dachte sie in ihrem stillen Glück. Er ist so gut und fragt nicht danach, er hat ja seinen Sandlerhof. Ich bin wohl glücklich, wenn ich's bedenke wie es anderen geht, die mit dem Kinde in harten Diensten umwalgen müssen, oder gar um was anhalten gehen müssen zu den Häusern. Mein Gott, was eine eigene Heimstatt wert ist! Das Zahnweh leid' ich gern.

      Das war ihr leidvolles, freudvolles Denken.

      Und

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