Grundsätze der Philosophie der Zukunft. Ludwig Feuerbach

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Grundsätze der Philosophie der Zukunft - Ludwig  Feuerbach

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aus diesen Paragraphen folgern? Etwa die Existenz eines Gottes im Sinne einer christlichen Dogmatik? Nein! Es würde nur daraus folgern, daß auch auf der Erde denkende Wesen sind; es würde in den Definitionen der Erdbewohner von ihrem Gott nur Definitionen von ihrem eigenen Wesen, z.B. in der Definition: Gott ist ein Geist, nur den Beweis und Ausdruck ihres eigenen Geistes finden; kurz, es würde aus dem Wesen und den Eigenschaften des Objektes auf das Wesen und die Eigenschaften des Subjektes schließen. Und mit vollem Recht; denn die Unterscheidung zwischen dem, was der Gegenstand an sich selbst, und dem, was er für den Menschen ist, fällt bei diesem Objekt weg. Diese Unterscheidung ist nur an ihrem Platz bei einem unmittelbar sinnlich, und eben deswegen auch noch anderen Wesen außer dem Menschen gegebenen Gegenstand. Das Licht ist nicht nur für den Menschen da, es affiziert auch die Tiere, auch die Pflanzen, auch die unorganischen Stoffe: es ist ein allgemeines Wesen. Um zu erfahren, was das Licht ist, betrachten wir darum nicht nur die Eindrücke und Wirkungen desselben auf uns, sondern auch auf andere, von uns unterschiedene Wesen. Notwendig, objektiv begründet ist daher hier die Unterscheidung zwischen dem Gegenstand an sich selbst und dem Gegenstand für uns, namentlich zwischen dem Gegenstand in der Wirklichkeit und dem Gegenstand in unserem Denken und Vorstellen. Gott aber ist nur ein Gegenstand des Menschen. Die Tiere und Sterne preisen Gott nur im Sinne des Menschen. Es gehört also zum Wesen Gottes selbst, daß er keinem anderen Wesen außer dem Menschen Gegenstand, daß er ein spezifisch menschlicher Gegenstand, ein Geheimnis des Menschen ist. Wenn aber Gott nur ein Gegenstand des Menschen ist, was offenbart sich uns im Wesen Gottes? Nichts anderes als das Wesen des Menschen. Wem das höchste Wesen Gegenstand ist, das ist selbst das höchste Wesen. Je mehr den Tieren vom Menschen Gegenstand wird, desto höher stehen sie, desto mehr nähern sie sich dem Menschen. Ein Tier, dem der Mensch als Mensch, das eigentliche menschliche Wesen Gegenstand wäre, das wäre kein Tier mehr, sondern selber Mensch. Nur ebenbürtige Wesen sind sich Gegenstand, und zwar so, wie sie an sich sind. Die Identität des göttlichen und menschlichen Wesens fällt nun allerdings auch in das Bewußtsein des Theismus. Aber weil er Gott, ungeachtet daß er das Wesen Gottes in den Geist setzt, doch zugleich als ein außer dem Menschen existierendes, sinnliches Wesen vorstellt, so ist ihm auch diese Identität nur als sinnliche Identität, als Ähnlichkeit oder Verwandtschaft Gegenstand. Verwandtschaft drückt dasselbe aus, als Identität, aber es ist mit ihr zugleich verbunden die sinnliche Vorstellung, daß die verwandten Wesen zwei selbständige, d.i. sinnliche, außereinander existierende Wesen sind.

      § 8.

      Die gemeine Theologie macht den Standpunkt des Menschen zum Standpunkt Gottes; die spekulative dagegen macht den Standpunkt Gottes zum Standpunkt des Menschen oder vielmehr des Denkers.

      Gott ist der gemeinen Theologie Objekt, und zwar gerade so, wie irgendein anderes sinnliches Objekt; aber zugleich ist er ihr wieder Subjekt, und zwar Subjekt, gerade wie das menschliche Subjekt: Gott bringt Dinge außer sich hervor, hat Beziehungen zu sich selbst und zu anderen, außer ihm existierenden Wesen, liebt und denkt sich zugleich und andere Wesen. Kurz, der Mensch macht seine Gedanken und selbst Affekte zu Gedanken und Affekten Gottes, sein Wesen, seinen Standpunkt zum Wesen und Standpunkt Gottes. Die spekulative Theologie aber kehrt dies um. In der gemeinen Theologie ist daher Gott ein Widerspruch mit sich selbst, denn er soll ein nicht-, ein übermenschliches Wesen sein, aber ist doch allen seinen Bestimmungen nach in Wahrheit ein menschliches; in der spekulativen Theologie oder Philosophie ist dagegen Gott ein Widerspruch mit dem Menschen – er soll das Wesen des Menschen – wenigstens der Vernunft – sein, und ist doch in Wahrheit ein nicht-, ein übermenschliches, d.i. abstraktes Wesen. Der übermenschliche Gott ist in der gemeinen Theologie nur eine erbauliche Floskel, eine Vorstellung, ein Spielzeug der Phantasie, in der spekulativen Philosophie dagegen Wahrheit, bitterer Ernst. Der heftige Widerspruch, den die spekulative Philosophie gefunden, hat nur darin seinen Grund, daß sie den Gott, welcher im Theismus nur ein Wesen der Phantasie, ein ferngehaltenes, unbestimmtes, nebuloses Wesen ist, zu einem gegenwärtigen, bestimmten Wesen gemacht, und dadurch den illusorischen Zauber zerstört hat, den ein entferntes Wesen im blauen Dunst der Vorstellung hat. So haben die Theisten sich darüber geärgert, daß die Logik nach Hegel die Darstellung Gottes in seinem ewigen, vorweltlichen Wesen sei und doch, z.B. in der Lehre von der Quantität, von der extensiven und intensiven Größe, den Brüchen, den Potenzen, den Maßverhältnissen usw. handle. Wie, riefen sie entsetzt aus, dieser Gott soll unser Gott sein? Und doch, was ist er anderes als der aus dem Nebel der unbestimmten Vorstellung an das Licht des bestimmenden Gedankens hervorgezogene, der, sozusagen ad coram, beim Wort genommene Gott des Theismus, welcher alles nach Maß, Zahl und Gewicht geschaffen und geordnet hat? Wenn Gott alles nach Zahl und Maß geordnet und geschaffen, also Maß und Zahl, ehe sie an den außergöttlichen Dingen zur Wirklichkeit kamen, im Verstand und folglich im Wesen Gottes – denn zwischen Gottes Verstand und seinem Wesen ist kein Unterschied – enthalten waren und heute noch sind, gehört denn nicht auch die Mathematik zu den Mysterien der Theologie? Aber freilich sieht ein Wesen ganz anders in der Einbildung und Vorstellung aus, als in der Wahrheit und Wirklichkeit; kein Wunder, daß denen, die nur nach dem Aussehen, nach dem Schein sich richten, das eine und selbe Wesen als zwei ganz verschiedene Wesen erscheint.

      § 9.

      Die wesentlichen Eigenschaften oder Prädikate des göttlichen Wesens sind die wesentlichen Eigenschaften oder Prädikate der spekulativen Philosophie.

      § 10.

      Gott ist reiner Geist, reines Wesen, reine Tätigkeit – actus purus – ohne Leidenschaften, ohne Bestimmungen von außen, ohne Sinnlichkeit, ohne Materie. Die spekulative Philosophie ist dieser reine Geist, diese reine Tätigkeit, verwirklicht als Denkakt – das absolute Wesen als absolutes Denken.

      Wie einst die Abstraktion von allem Sinnlichen und Materiellen die notwendige Bedingung der Theologie war, so war sie auch die notwendige Bedingung der spekulativen Philosophie, nur mit dem Unterschied, daß die Abstraktion der Theologie, weil ihr Gegenstand, obwohl ein abstraktes Wesen, doch zugleich wieder als ein sinnliches Wesen vorgestellt wurde, selbst eine sinnliche Abstraktion, Asketik war, während die Abstraktion der spekulativen Philosophie nur eine geistige, denkende ist, nur eine szientifische oder theoretische, keine praktische Bedeutung hat. Der Anfang der Cartesischen Philosophie, die Abstraktion von der Sinnlichkeit, von der Materie ist der Anfang der neueren spekulativen Philosophie. Aber Cartesius und Leibniz betrachteten diese Abstraktion nur als eine subjektive Bedingung, das immaterielle göttliche Wesen zu erkennen, sie stellten sich die Immaterialität Gottes als eine von der Abstraktion, vom Denken unabhängige, objektive Eigenschaft vor; sie standen noch auf dem Standpunkt des Theismus, machten das immaterielle Wesen nur zum Objekt aber nicht zum Subjekt, zum aktiven Prinzip, zum wirklichen Wesen der Philosophie selbst. Allerdings ist auch bei C. und L. Gott Prinzip der Philosophie, aber nur als ein vom Denken unterschiedenes Objekt – darum Prinzip nur im allgemeinen, nur in der Vorstellung, nicht in der Tat und Wahrheit. Gott ist nur die erste und allgemeine Ursache der Materie, der Bewegung und Tätigkeit; aber die besonderen Bewegungen und Tätigkeiten, die bestimmten wirklichen, materiellen Dinge werden unabhängig von Gott betrachtet und erkannt. L. und C. sind nur im allgemeinen Idealisten, im besonderen bloße Materialisten. Gott nur ist der konsequente, der vollständige, wahre Idealist, denn er nur stellt alle Dinge ohne Dunkelheit sich vor, d.h. im Sinne der Leibnizschen Philosophie ohne Sinne und Einbildungskraft; er ist reiner, d.i. von aller Sinnlichkeit und Materialität abgesonderter Verstand; für ihn sind daher die materiellen Dinge pure Verstandeswesen, pure Gedanken; für ihn existiert überhaupt gar keine Materie, denn diese beruht nur auf dunkeln, d.i. sinnlichen Vorstellungen. Aber gleichwohl hat bei L. auch der Mensch schon eine gute Portion Idealismus in sich – wie wäre es auch möglich, sich ein immaterielles Wesen vorzustellen, ohne ein immaterielles Vermögen und folglich ohne immaterielle Vorstellungen zu haben? – denn er hat außer den Sinnen und der Einbildungskraft Verstand, und der Verstand ist eben immaterielles, reines, weil denkendes Wesen; nur ist der Verstand des Menschen nicht ganz so rein, nicht in der Unbeschränktheit und Ausdehnung rein, wie der göttliche Verstand oder das göttliche Wesen. Der Mensch, respektive dieser Mensch: Leibniz ist also ein partialer, halber Idealist, Gott nur ein ganzer Idealist, Gott nur» der vollkommene Weltweise«,

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