Gesammelte Romane: 15 Romane in einem Band. Оноре де Бальзак

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Gesammelte Romane: 15 Romane in einem Band - Оноре де Бальзак

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die Gäste, als sie in einen hell erleuchteten Salon mit reicher Vergoldung traten, wo sie sogleich von den bemerkenswertesten jungen Leuten von Paris begrüßt wurden. Einer von ihnen hatte soeben ein neues Talent offenbart und mit seinem ersten Gemälde den glorreichen Malern der Kaiserzeit den Rang streitig gemacht. Ein anderer hatte tags zuvor ein Buch veröffentlicht, voll Kraft und Frische und einer gewissen Geringschätzung des literarisch Althergebrachten, das der modernen Schule neue Wege zeigte. Ein Stück weiter unterhielt sich ein Bildhauer, dessen ungeschlachte Züge ein kraftvolles Genie verrieten, mit einem jener kalten Spötter, die, je nachdem, Überlegenheit entweder gar nicht oder überall feststellen wollen. Da lauerte der geistreichste unserer Karikaturisten mit boshaftem Blick und spitzer Zunge, die beißenden Witzreden in Bleistiftstriche umzusetzen. Dort plauderte jener junge verwegene Schriftsteller, der wie kein anderer die Quintessenz der politischen Ideen herauszudestillieren verstand oder spielend den Gedankengehalt eines Vielschreibers resümierte, mit jenem Poeten, vor dessen Werken alle zeitgenössischen Dichtungen verblassen würden, wäre sein Talent so mächtig wie sein Haß. Beide versuchten sie, die Wahrheit und die Lüge zu umgehen, und tauschten also sanfte Schmeichelreden miteinander aus. Ein berühmter Musiker tröstete einen jungen Politiker, der vor kurzem von der Tribüne gefallen war, ohne sich ein Leids zu tun, im sentimentalen Moll mit einem spöttischen Unterton. Junge Dichter ohne Stil standen neben jungen Dichtern ohne Einfälle, poetische Prosaiker neben prosaischen Poeten. Ein junger Saint-Simonist, der so naiv war, an seine Lehre zu glauben, wollte voller Mitgefühl diese unvollkommenen Wesen einen, wahrscheinlich um sie zu Bekennern seines Ordens zu machen. Ferner waren zwei oder drei Männer der Wissenschaft anwesend, die ihrer Bestimmung nach immer Stickstoff in die Konversation bringen, und mehrere Vaudeville-Autoren, bereit, ihre rasch verflackernden Geistesblitze beizusteuern, welche wie das Funkeln von Diamanten weder erleuchten noch erwärmen. Einige vom Widerspruchsgeist Besessene, die sich insgeheim über jene Menschen lustig machen, die ihre Bewunderung oder Verachtung für Menschen und Dinge unverhohlen kundtun, trieben schon jene doppelzüngige Politik, mit der sie alle Systeme in Mißkredit zu bringen suchen, ohne für ein einziges Partei zu ergreifen. Der Nörgler, den nichts erstaunt, der sich in den Bouffons mitten in einer Kavatine schneuzt und dann als erster ›Bravo‹ schreit und denen widerspricht, die seiner Meinung zuvorkommen, war auch da und suchte sich den Wortschatz der geistreichen Leute anzueignen. Unter diesen Gästen waren fünf, die eine Zukunft hatten, etwa zehn, die eine flüchtige Berühmtheit erlangen sollten; was die anderen anbelangt, so galt für sie, wie für alles Mittelmäßige, die berühmte Lüge Ludwigs XVIII.: Eintracht und Vergessen. Der Gastgeber zeigte die besorgte Heiterkeit eines Mannes, der zweitausend Taler aufgewendet hat. Von Zeit zu Zeit blickte er ungeduldig nach der Tür des Salons, als halte er nach einem Gast Ausschau, der auf sich warten ließ. Alsbald erschien ein untersetzter kleiner Mann, der mit einer schmeichelhaften allgemeinen Bewegung begrüßt wurde; es war der Notar, der am Morgen dieses Tages die Gründung der Zeitung vollzogen hatte. Ein Kammerdiener in Schwarz schlug die Türflügel eines großen Speisesaals zurück, wo jeder ohne weitere Umstände seinen Platz an der riesigen Tafel fand. Ehe Raphael die Salons verließ, warf er einen letzten Blick darauf. Sein Wunsch war ohne Frage vollständig in Erfüllung gegangen. Seide und Gold prangte in den Gemächern. Die unzähligen Kerzen der prächtigen Kandelaber ließen die geringsten Einzelheiten der vergoldeten Friese, die feinen Ziselierungen der Bronze und die satten Farben der Möbel in hellem Lichte erstrahlen. Seltene Blumen auf Gestellen, die kunstreich aus Bambus hergestellt waren, verbreiteten liebliche Wohlgerüche. Alles, bis hin zu den Vorhängen, war von einer unaufdringlichen Eleganz; über allem lag ein gewisser poetischer Zauber, der eine starke Wirkung auf die Phantasie eines jungen mittellosen Mannes ausüben mußte.

      »100000 Livres Rente sind kein schlechter Kommentar des Katechismus und helfen uns wunderbar, die Moral in Handlungen umzusetzen!« sagte er seufzend. »Wahr und wahrhaftig, meine Tugend mag nicht zu Fuß gehen. Für mich besteht das Laster in einer Dachstube, einem abgeschabten Rock, einem grauen Hut im Winter und Schulden beim Portier. Ah! ich will in diesem Luxus ein Jahr, sechs Monate nur leben, gleichviel! Und dann – sterben! Wenigstens werde ich dann tausend Leben gekannt, erschöpft, genossen haben!«

      »Oh!« sagte Emile, der ihm zugehört hatte, »du hältst das Coupé eines Wechselmaklers für Glück. Ach! du wärest des Goldes bald überdrüssig, wenn du sähest, daß es dir die Möglichkeit raubt, ein überragender Mensch zu sein. Hat der Künstler zwischen der Armut des Reichtums und den Reichtümern der Armut je geschwankt? Braucht unsereins denn nicht immer Kämpfe? Übrigens, rüste deinen Magen zum Angriff!« fügte er hinzu und wies ihm mit einer heroischen Gebärde den majestätischen, dreimal gebenedeiten und verheißungsvollen Anblick, den der Speisesaal des gesegneten Kapitalisten darbot. »Dieser Mensch da«, fuhr er fort, »hat sich doch wahrhaftig Mühe gegeben, sein Geld nur um unsretwillen zusammenzuscharren. Ist er nicht eine Art Schwamm von der Gattung der Polypen, einer, der von den Naturforschern übersehen worden ist und den es mit Raffinesse auszuquetschen gilt, bevor ihn die Erben aussaugen? Findest du nicht, daß die Basreliefs an den Wänden Stil haben? Und die Lüster, die Gemälde, welch geschmackvoller Luxus! Wenn man den Neidern und denjenigen, die hinter die Kulissen gucken, Glauben schenken darf, so hätte dieser Mann während der Revolution einen Deutschen und noch einige andere Personen, seinen besten Freund – so sagt man – und die Mutter dieses Freundes, umgebracht. Kannst du solchen Verbrechen unter den ergrauenden Haaren dieses ehrwürdigen Taillefer Platz einräumen? Er sieht wie ein sehr gutmütiger Mensch aus. Sieh nur, wie das Silbergeschirr funkelt; und jeder glänzende Strahl sollte für ihn ein Dolchstoß sein?… Nicht doch! Ebensogut könnte man an Mohammed glauben. Wenn jene Leute recht hätten, so würden sich hier dreißig edelgeartete Männer anschicken, die Eingeweide einer Familie zu verspeisen und ihr Blut zu trinken. Und wir beiden jungen treuherzigen Enthusiasten sollten an diesem Greuel teilhaben! Ich habe große Lust, unsern Kapitalisten zu fragen, ob er ein anständiger Mensch ist.« »Nein, nicht jetzt!« rief Raphael, »erst wenn er volltrunken ist; dann werden wir zumindest schon gespeist haben.«

      Die beiden Freunde nahmen lachend Platz. Mit einem Blick, der dem Wort zuvorkam, entrichtete zuerst jeder Gast dem prächtigen Anblick seinen Tribut an Bewunderung; die lange Tafel war mit einem schneeweißen Tuch bedeckt, auf dem die Gedecke symmetrisch angeordnet und von goldbraunen Brötchen gekrönt waren. Die Kristallgläser spiegelten mit ihren glitzernden Reflexen die Farben des Regenbogens, die Kerzen zeichneten ein Kreuzfeuer bis ins Unendliche, die unter Silberdeckeln aufgetragenen Speisen reizten den Appetit und die Neugierde. Es wurde wenig gesprochen. Die Tischnachbarn sahen sich gegenseitig an. Der Madeira kreiste. Dann erschien der erste Gang in seiner ganzen Glorie; er hätte dem seligen Cambacérès zur Ehre gereicht, und Brillat-Savarin hätte ihn höchlich gepriesen. Bordeaux und Burgunder, weißer und roter, wurden mit königlicher Verschwendung ausgeschenkt. Der erste Teil dieses Festmahls war in jedem Punkt der Exposition einer klassischen Tragödie vergleichbar. Der zweite Akt wurde etwas geschwätzig. Die Gäste hatten gehörig getrunken, wobei sie die Weine je nach Laune wechselten, so daß sich in dem Augenblick, als man die Reste dieses lukullischen Mahles abtrug, bereits die lebhaftesten Auseinandersetzungen entsponnen hatten. Blasse Stirnen röteten sich, Nasen färbten sich purpurn, die Gesichter flammten, die Augen funkelten. Während dieser Morgenröte der Trunkenheit überschritt die Unterhaltung noch nicht die Grenzen des Anstands, aber Neckereien und Witzeleien entfuhren nach und nach jedem Munde; dann hob die Verleumdung ganz leise ihren kleinen Schlangenkopf und sprach mit flötender Stimme; ein paar Duckmäuser horchten gespannt auf und hofften, ihre Nüchternheit wahren zu können. Der zweite Gang fand die Geister also schon ganz erhitzt. Jeder aß beim Sprechen, sprach beim Essen, jeder trank, ohne der Menge zu achten, die ihm da durch die Kehle floß, so wohlschmeckend und aromatisch war der Wein, so ansteckend wirkte das Beispiel. Taillefer setzte seinen Stolz darein, die Gäste anzufeuern, und ließ nun die schweren Rhôneweine, den feurigen Tokaier, den berauschenden alten Roussillon auftragen. Wie frisch eingespannte Postpferde ließen dann alle diese Männer, von der prickelnden Glut des ungeduldig erwarteten, nun überreichlich genossenen Champagners aufgepeitscht, ihren Geist in leeres Gerede hineingaloppieren, auf das niemand hört; sie fingen an, jene Geschichten zu erzählen, die keine Zuhörer finden; wiederholten hundertmal jene Fragen, die unerwidert bleiben. Das Gelage allein entfaltete seine laute Stimme, eine Stimme aus hundertfältigem verworrenen Geschrei, die ins Grandiose anschwillt wie ein Crescendo

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