Butler Parker 139 – Kriminalroman. Günter Dönges
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Sie schob sich in gewohnt energischer Art durch die dichte Menschenmenge und wurde erneut abgelenkt, da ein aufgeregt-schrilles Glockenleuten zu hören war, das von einer Art Donnerschlag abgelöst wurde. Sie orientierte sich und entdeckte ein Gerät, das zur Messung der persönlichen Körperkraft diente.
Mit einem schweren, langstieligen Holzhammer mußte man dazu auf einen kräftigen Eisenbolzen schlagen, der die so übertragene Kraft über ein Hebelsystem auf einen kleinen Schlitten übertrug, der senkrecht nach oben geschickt wurde. Reichte die Kraft, dann löste der Schlitten am Ende des galgenähnlichen Gerüstes das Glockengeläut und zusätzlich einen Donnerschlag aus.
»Sehr interessant«, fand die ältere Dame und lachte nicht gerade leise, als ein stark aussehender Mann es mit Mühe und Not schaffte, den bunten Schlitten bis zur Hälfte des Gerüstes hochzutreiben.
»Ein Gerät, das der sogenannte Volksmund ›Haut-den-Lukas‹ zu nennen pflegt«, erläuterte Parker, während der von Mylady Belachte sich drohend zu der älteren Dame umwandte.
»Ich weiß, ich weiß«, gab Lady Agatha zurück, »trauen Sie sich zu, den Schlitten völlig hochzujagen, Mr. Parker?«
»Mylady sehen in meiner bescheidenen Wenigkeit einen relativ müden und verbrauchten Mann«, erwiderte Josuah Parker.
»Nun, dann werde ich Ihnen mal zeigen, wie man so etwas macht«, äußerte Agatha Simpson und schien animiert. Da sie auch jetzt nicht gerade leise gesprochen hatte, war man auf sie und Parker natürlich aufmerksam geworden.
Die große Gruppe der Zuschauer witterte einen Spaß und sparte nicht mit Kommentaren. Man feuerte die Lady an, oder aber man hegte laut und deutlich Skepsis. Butler Parker schätzte es gar nicht, daß die Zahl der Zuschauer sich von Sekunde zu Sekunde vergrößerte. Er dachte an den Mann, der immerhin versucht hatte, ein Messer zu werfen. Wie leicht konnte der Täter sich unter die Zuschauer mischen und seinen Mordversuch wiederholen.
»Sie wollen wirklich den Hammer, Mylady?« fragte inzwischen der Betreiber des Kraftmesserunternehmens, ein vierschrötiger Mann mit gerötetem Gesicht und listigen Augen.
»Hoffentlich sind Sie gut versichert, junger Mann«, antwortete Agatha Simpson.
»Wieso, wollen Sie etwa mich treffen?« gab der Mann ironisch zurück.
»Ihr Kraftmesser wird gleich auseinanderfliegen«, prophezeite die ältere Dame laut und deutlich. Ihre Ankündigung löste weitere Kommentare und ungeniertes Lachen aus.
»Dann beeilen Sie sich aber«, meinte der Mann gutmütig-spottend, »Ihr Altersheim wird bald geschlossen.«
»War das gerade eine Beleidigung, Mr. Parker?« fragte Agatha Simpson sofort. Gleichzeitig riß sie dem verdutzen Mann den schweren, langstieligen Holzhammer aus der Hand.
»Es handelte sich nur um eine volkstümlich lustige Bemerkung ohne tieferen Sinn«, wiegelte Parker ab. Er sah den Holzhammer in Myladys Händen und wußte, wie gefährlich die resolute Dame jetzt war.
»Nun gut, ich habe heute meinen friedlichen Tag«, sagte Agatha Simpson und reichte Parker ihren Pompadour. Dann öffnete sie die Jacke ihres viel zu weiten Kostüms und trat einen halben Schritt zurück.
Die Menge wich achtungsvoll zur Seite und sorgte dafür, daß die Lady ungeniert ausholen konnte. Der Besitzer des Kraftmessers grinste spöttisch und beging den Kardinalfehler, gewisse Dinge nicht in Sicherheit zu bringen. Dabei handelte es sich um den Klappstuhl, auf dem er normalerweise saß und auf Kunden wartete, dann um den kleinen Holztisch, auf dem die Geldkassette stand und schließlich um einen geöffneten Holzkoffer unter dem Tisch. In ihm befanden sich weitere Hab Seligkeiten des Mannes, die man allerdings nicht genau ausmachen konnte.
Lady Agatha hob prüfend den wirklich nicht leichten Holzhammer und lächelte, als die Menge im Chor skandierte und die ältere Dame mit Worten in den richtigen Schwung zu bringen versuchte.
Butler Parker, der die ungebändigte Energie seiner Herrin nur zu gut kannte, brachte sich in Sicherheit, wandte sich halb ab und musterte die freudig gestimmte Menge, die sich eine kleine Sensation versprach. Parker war nach wie vor mißtrauisch und rechnete mit dem Auftauchen des Messerwerfers.
Lady Agatha hatte inzwischen weit ausgeholt und setzte zum Schlag an. Aus der Menge waren Anfeuerungsrufe zu vernehmen, die Mylady mehr oder weniger drastisch aufforderten, das Gerät ungespitzt in den Boden zu schlagen.
Ja, und dann schlug Mylady zu ...
*
Ihre Treffsicherheit war bemerkenswert, wenn auch im negativen Sinn. Ein dumpfes Ächzen der Bewunderung ging durch die Menge. Der schwere Hammerkopf aus Holz senkte sich fast zielsicher auf den kleinen Holztisch und verwandelte ihn in Trümmer. Die Geldkassette sprang zur Seite, wirbelte etwa anderthalb Meter hoch durch die Luft und verstreute dabei ihren Inhalt unter das staunende Volk, das sich plötzlich reich beschenkt fühlte und Kleingeld für Vergnügungen witterte. Die Zuschauer des Kraftaktes wirbelten bunt durcheinander und grapschten nach den Münzen.
Inzwischen heulte der Betreiber des Kraftmessers auf und wollte Lady Agatha an einem weiteren Schlag hindern, doch dann wich er entsetzt zurück und brachte sich in Sicherheit. Die ältere Dame hatte gerade zu einem zweiten Rundschlag angesetzt und ... zertrümmerte den Holzstuhl.
Applaus jener Leute brandete auf, die sich am Einsammeln der Münzen nicht beteiligten.
»Nun, was sagen Sie?« Lady Agatha schaute zufrieden auf die Trümmer und sah Parker an.
»Bemerkenswert, Mylady, wenn man so sagen darf«, kommentierte der Butler die beiden Rundschläge.
»Das Gerät stand leider nicht an der richtigen Stelle«, redete die ältere Dame freundlich weiter und widmete sich dem Besitzer des Gerätes.
»Mein Geld, mein Geld«, jammerte der Mann. Er hatte längst eingesehen, daß da für ihn nichts mehr zu retten war.
»Haben Sie sich nicht so!« meinte Agatha Simpson fast verächtlich, »viel war ohnehin nicht in der Kassette. Mr. Parker, regeln Sie diese unwichtige Kleinigkeit, aber lassen Sie sich nicht übers Ohr hauen.«
»Sie werden in jedem Fall zurechtkommen«, tröstete Josuah Parker den Vierschrötigen.
»Ob ich nicht doch noch einen dritten Schlag anbringen sollte?« fragte Agatha Simpson nachdenklich und dennoch laut. Sie langte wieder nach dem schweren Holzhammer.
»Warum ruinieren Sie zur Abwechslung nicht mal den Schießbudenbesitzer?« wollte der Vierschrötige hastig wissen.
»Werden Sie nicht anzüglich, junger Mann«, warnte Lady Agatha ihn umgehend und maß ihn mit scharfem Blick.
»Es war ja nicht so gemeint«, entschuldigte sich hastig der Kraftmesserbesitzer, »vielleicht stand das Gerät wirklich nicht an der richtigen Stelle.«
»Was ich ja gerade gesagt habe. Eigentlich müßten Sie für den kleinen Schaden aufkommen. Ist es nicht so, Mr. Parker?«
»Eine Frage der Rechtsauffassung, Mylady«, gab Parker höflich zurück, »Mylady dachten, wenn man höflichst daran erinnern darf, auch noch an die Tombola.«
»Ein guter Hinweis, Mr. Parker.« Sie ließ sich prompt