Hôtel Buchholz: Ausstellungs-Erlebnisse der Frau Wilhelmine Buchholz. Julius Stinde

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Hôtel Buchholz: Ausstellungs-Erlebnisse der Frau Wilhelmine Buchholz - Julius Stinde

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andererseits jedoch ist der Amtsrichter unmöglich mit der Mädchenkammer zufrieden. Das Fremdenzimmer ist besetzt. Und die Dorette sperrt sich gegen das Schlafen auf dem Boden.

      Hat man den Kopf voll von Einrichtungen, kann man keine allgemein einleuchtende Berichte über die Größe der Industrie und das Bedeutendste der Gesammtleistungen verfassen. Es sind in der That Leistungen draußen, von denen man, wie Napoleon oder wer es war, nur sagen kann: es sind welche! Und wie manches, geradezu nicht hoch genug anzuerkennende ist in einem Seitenflügel angebracht. — Jawohl, das ist es! — Da wird es Pflicht der Berichterstattung, es hervorzuziehen und laut zu verkündigen: da seht her, was hier gewebt ist, diese prachtvolle Qualität und dauerhaft im Tragen. Und preiswürdig! Denn bei den immensen Kosten will doch auch der Aussteller sein Geschäft machen und das kann er nicht in einem Winkel, an dem das Publikum sinnlos vorüberrennt und seinen Fleiß, seine Arbeit, seine Tüchtigkeit links liegen läßt.

      Aber ich will's schon schieben.

      Was Auswärtige nun unter »nicht fertig« denken, das würden sie selbst mit den schrecklichsten Daumenschrauben nicht gestehen können, da sie ja garnicht wissen, wie die Ausstellung werden soll, wenn sie fertig ist. Freilich, desto vollendeter sie ist, desto mehr Totaleindrücke giebt sie her, aber für Viele thut sich ohne dies schon fast zu reichlich. Außerdem hat bis jetzt noch keine große Ausstellung ihren Zeitpunkt innegehalten. Den letzten Pinselstrich hat wohl noch Niemand gesehen, wie mein Karl meint.

      Was ihn selbst betrifft... er will nicht in der Fabrik schlafen und sagt: »er sei nun einmal ein Gewohnheitsthier und werde, so weit in seiner Macht stände, sich auch nicht ändern.«

      »Karl,« hielt ich ihm vor, »die Aufgabe des menschlichen Geschlechts liegt neuerdings in der Vervollkommnung. Man muß das Thierische, das Einem noch von den Vorzeiten anstammt, immer mehr abstreifen, namentlich Gewohnheiten.«

      »Meine Familie hat sich nie zu der Darwin'schen Religion bekannt,« sagte er. »Wie Deine es damit gehalten hat, wirst Du selbst am besten wissen.«

      »Was willst Du damit behaupten? Was kannst Du mir vorwerfen? Oder willst Du meine Vorfahren verächtlich machen? Karl, die liegen in ihren Gräbern und können sich nicht vertheidigen und Du schiltst sie Gorillas?«

      »Mit keiner Silbe!«

      »Wenn einer Darwin sagt, meint er Affe. Und das verbitte ich mir für meine Ahnen, das waren Musterleute. Was mich selbst betrifft, bin ich viel zu aufgeklärt, um zu leugnen, daß ich nicht auch meine Fehler hätte.«

      »Ganz sicher.«

      »So; und welche wären das? Wie? Ich möchte sie wirklich kennen lernen. Jawohl, das möchte ich. So nenne sie doch.«

      Er besah seine Fingernägel, als wären es Polizeiakten, aber es stand nichts darauf.

      »Siehst Du, Karl, wie leicht etwas nicht bewiesen wird? Gesetzt den Fall, ich wäre nicht Deine Dich innig liebende Gattin, sondern Besuch von Außerhalb und ginge Dich direct verklagen? Bedenke den Blam! Du in allen Zeitungen, an jedem Biertisch gelesen und straffällig gefunden, verurtheilt von der öffentlichen Meinung und nie — nie Kommerzienrath. Du urtheilst zu rasch, mein Karl, Du bist zuweilen recht unüberlegt; ich will es nicht gerade tadeln, weil es an Deinem jugendlich aufwallenden Blut liegt — Du hast Dich auffallend gut konservirt — aber wenn wir Fremde haben und Du läßt Dich hinreißen und schmetterst in Deinem Leichtsinn gerichtliche Ehrenkränkungen hin wie eben... Karl, hast Du die Folgen bedacht? Ich meine Folgen, wenn ich Folgen sage...«

      »Wilhelmine, ich weiß nicht, wie Du mir vorkommst.«

      »Bange Blicke in die Zukunft, die Besorgniß um Dich...«

      »Aber Kind...«

      »Karl, es ist das Beste,... Du schläfst in der Fabrik, dann kann so etwas garnicht passiren.«

      »Nein!«

      »Und wenn's nachher zu spät ist? Wenn es sich erfüllt, wie ich voraussehe?«

      »Für das, was geschieht, übernehme ich, Karl Buchholz, die Verantwortung. Bist Du damit zufrieden?«

      »Vollständig. Gewiß, mein Karl. Ich möchte den sehen, der Dir irgendwie käme... Aber wenn Du in der Fabrik schlafen wolltest...«

      Was er sagte, als er das Lokal jetzt verließ, verstand ich nicht genau. Ich glaube beinahe, er fluchte.

      Aber er hat nun einmal das Prinzip, nicht in die Fabrik überzusiedeln und Prinzipien sind um so eigensinniger, je höher sie gehalten werden.

      Und doch... mein Karl muß in die Fabrik.

      Meine Stimmung war eine durchwachsene; es that mir wohl, daß mein Mann nicht von mir weg wollte, und gleichzeitig verdrossen mich seine Sperenzken. Um diese beiden Drehpunkte bewegten sich meine Gedanken, als ich mich nunmehr hinsetzte, der Kliebisch Tag und Woche zu schreiben, wann wir sie mit Gatten bei uns sehen könnten, und nebenbei einige Andeutungen über ihren Briefstil zu verabreichen, der mein Mißfallen erregt hatte.

      Daß die Kliebisch kommen wollte, war mir recht, wenn auch mein Karl murrte.

      Wir lernten uns in Italien kennen, nicht als gewöhnliche Eisenbahnabtheils-Bekannte oder Table d'hôte-Mitesser, sondern mancherlei Erlebnisse brachten uns näher, Gefahren und glückliches Entschlüpfen, wie ich in dem Buche »Buchholzen's in Italien« wahrheitsgemäß wiedererzählt habe, von dem jedoch die Krausen hinter meinem Rücken laut behauptet, ich hätte es garnicht geschrieben, sondern Jemand anders. Ganz derselben Meinung war früher die Bergfeldten. Welche Mühe hat es mich gekostet, ihr diesen Wahnwitz auszureden. »Bergfeldten,« fragte ich sie eindringlich, »wie kann man ein Buch über etwas schreiben, wenn man nicht da war? Wie denken Sie sich das? So aus heiler Haut? Meinen Sie vielleicht, man setzt sich an den Schreibtisch und, haste nicht gesehen, Neapel geschildert oder Rom oder die Bevölkerung und, was sonst malerisch ist, ohne persönliche Anschauung?«

      Und was antwortete sie darauf? Was?

      »Das Papier ist geduldig.«

      Hierauf wollte ich tödtlich werden, wie es sich auch eigentlich gehörte, aber da ich kürzlich vorher in der Familienbeilage unseres Blattes gelesen hatte, daß Langmuth und Unnachgiebigkeit herrlicher von Erfolg gekrönt werden als Jähzorn mit Handhabungen, wendete ich Nachsicht an und sagte, sie möchte doch um Alles in der Welt nicht über Dinge reden, die für sie ewig unaufgegangene Seifensieder blieben, so lange sie sich absichtlich der Wahrheit verschlösse.

      Da gestand sie denn, daß sie blos sagte, was die Krausen gesagt hätte. Ich hatte die Krausen damals noch nicht so durchschaut wie später, und stand einigermaßen ziemlich mit ihr, so daß diese Offenbarung mir durch und durch ging, weshalb ich rügte: »Man muß sich nie als Sprachrohr gebrauchen lassen, weil zu viel verdreht herauskommt.«

      Die Kliebisch sowohl wie ihr Gatte sollen nun der Butschen sowohl wie der Krausen mitten in's Gesicht beeidigen, daß ich mit ihnen zusammen in Italien war. Lügen müssen wie die Schwaben immerwährend ausgerottet werden, sonst dauern sie lebenslänglich.

      Was mich in ihrem Schreibebriefe ärgerte, das waren Bemerkungen. — »Wir haben hier auch das Abschreckungs-Plakat in dem Dorfkruge hängen,« schrieb sie, »und hatten in Folge dessen anfangs gar keine Lust zur Ausstellung. Der sehnige Arm, der aus der Erde sich brutal erhebt und mit dem Hammer Jeden zu zerschmettern droht, hatte für mich etwas Widriges, bis mein Hinnerich sagte, das

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