Wilhelm Hauff: Märchen, Romane, Erzählungen & Gedichte. Wilhelm Hauff
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Wilhelm Hauff: Märchen, Romane, Erzählungen & Gedichte - Wilhelm Hauff страница 36
Ein wässeriges Bild! entgegne ich, und zugleich eine Sottise; befand sich denn in jener Arche nicht mehr Vieh als Menschen? und will der Meister warten, bis die Flut sich verlaufe und dann seine Stierlein und Eselein, seine Pfauen und Kamele, Paar und Paar auf die Erde spazieren lassen?
Will er vielleicht wie jener Patriarch die Erfindung des Weines sich zuschreiben, sich ein Patent darüber ausstellen lassen und über seine Schenke schreiben, hier allein ist Echter zu haben, wie Maria Farina auf sein Kölnisches Wasser, so für alle Schäden gut ist?
Aber, um wieder auf Mephistopheles zu kommen; gerade dadurch, daß er einen so überaus populären und gemeinen Teufel gab, hat Goethe offenbar nichts für die Würde seines schönsten Gedichtes gewonnen. Er wird zwar viele Leser herbeiziehen, dieser Mephisto, viele Tausende werden ausrufen: »Wie herrlich! das ist der Teufel wie er leibt und lebt.« Um die übrigen Schönheiten des Gedichtes bekümmern sie sich wenig, sie sind vergnügt, daß es endlich einmal eine Figur in der Literatur gibt, die ihrer Sphäre angemessen ist.
»Aber erkennst du denn nicht«, wird man mir sagen »erkennst du nicht die herrliche, tiefe Ironie, die gerade in diesem Mephistopheles liegt?«
Ironie? und welche? ich sehe nichts in diesem meinem Konterfei, als den gemeinen »Ritter von dem Pferdefuß«, wie er in jeder Spinnstube beschrieben wird. Man erlaube mir, dieses Bild noch näher zu beleuchten. Ich werde nämlich vorgestellt als ein Geist, der beschworen werden kann, der sich nach magischen Gesetzen richten muß:
»Gesteh ich’s nur, daß ich hinausspaziere,
verbietet mir ein kleines Hindernis
der Drudenfuß auf Eurer Schwelle«;
und dieser Schwelle Zauber zu zerspalten
»Bedarf ich eines Rattenzahns«,
daher befiehlt:
»der Herr der Ratten und der Mäuse,
der Fliegen, Frösche, Wanzen, Läuse«
in einer Zauberformel seinem dienstbaren Ungeziefer die Kante, welche ihn bannte, zu benagen. Auch kann ich nicht in das Studierzimmer treten, ohne daß der Doktor Faust dreimal »Herein!« ruft. In andere Zimmer, wie z. B. bei Frau Martha und in Gretchens Stübchen trete ich ohne diese Erlaubnis. Doch den Schlüssel zu diesen sonderbaren Zumutungen finden wir vielleicht in dem Vers:
»Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört,
Es müsse sich dabei auch etwas denken lassen!«
Doch weiter.
Ich stehe auf einem ganz besondern Fuß mit den Hexen. Die in der Hexenküche hätte mich gewiß liebevoller empfangen, aber sie sah keinen Pferdefuß, und um mich bei ihr durch mein Wappen zu legitimieren, mache ich eine unanständige Gebärde.
»Mein Freund, das lerne wohl verstehen,
Das ist die Art, mit Hexen umzugehen.«
Auf dem Brocken in der Walpurgisnacht bin ich noch viel besser bekannt. Das Gehen behagt mir nicht, ich sage daher zum Doktor:
»Verlangst du nicht nach einem Besenstiele?
Ich wünschte mir den allerderbsten Bock.«
Auch hier
»Zeichnet mich kein Knieband aus,
Doch ist der Pferdefuß hier ehrenvoll zu Haus.«
Um unter diesem gemeinen Gelichter mich recht zu zeigen, tanze ich mit einer alten Hexe und unterhalte mich mit ihr in Zoten, die man nur durch Gedankenstriche
»Der hatt ein – – – – –
So – es war, gefiel mir’s doch«
anzudeuten wagt.
Ich bin, selbst in Fausts Augen, ein widerwärtiger, hämischer Geselle, der
»– kalt und frech
Ihn vor sich selbst erniedrigt –«
Ich bin ohne Zweifel von häßlicher, unangenehmer Gestalt und Gesicht, zurückstoßend, was man, mit mildem Ausdruck markiert, intrikant und im gemeinen Leben einen abgefeimten Spitzbuben zu nennen pflegt.
Daher sagt Gretchen von mir:
»Der Mensch, den du da bei dir hast,
Ist mir in tiefer innrer Seele verhaßt.
Es hat mir in meinem Leben
So nichts einen Stich ins Herz gegeben
Als des Menschen widrig Gesicht. –
Seine Gegenwart bewegt mir das Blut,
Ich hab vor dem Menschen ein heimlich Grauen. –
– Kommt er einmal zur Tür herein
Sieht er immer so spöttisch drein
Und halb ergrimmt. –
Es steht ihm an der Stirn geschrieben,
Daß er nicht mag eine Seele lieben« etc.
Daher sage ich auch nachher:
»Und die Physiognomie versteht sie meisterlich,
In meiner Gegenwart wird ihr, sie weiß nicht wie,
Mein Mäskchen da weissagt verborgnen Sinn,
Sie fühlt, daß ich ganz sicher ein Genie,
Vielleicht wohl gar der Teufel bin.«
Soll dies bei Gretchen Ahnung sein? Ist sie befangen in der Nähe eines Wesens, das, wie man sagt, ihren Gott verleugnet? Ist es etwa ein unangenehmer Geruch, eine schwüle Luft, die ihr meine Nähe ängstlich macht? Ist es kindlicher Sinn, der den Teufel früher ahnet, als der schon gefallene Mensch, wie Hunde und Pferde vor nächtlichem Spuk scheuen, wenn sie ihn auch nicht sehen? Nein – es ist nur allein mein Gesicht, mein Mäskchen, mein lauernder Blick, mein höhnisches Lächeln, das sie ängstlich macht, so ängstlich, daß sie sagt:
»– Wo er nur mag zu uns treten,
mein ich sogar, ich liebte dich nicht mehr –«
Wozu nun dies? warum soll der Teufel ein Gesicht schneiden, das jedermann Mißtrauen einflößt, das zurückschreckt, statt daß die Sünde, nach den gewöhnlichsten Begriffen, sich lockend, reizend sehen läßt?
Wer hat nicht die herrlichen Umrisse über Goethes Faust von dem genialen Retsch gesehen! Gewiß, selbst der Teufel muß an einem solchen Kunstwerk Freude haben. Ein paar Striche, ein paar Pünktchen bilden das liebliche, sinnige Gesicht des kindlichen, keuschen Gretchens, Faust in der vollendeten Blüte des Mannes