Gesammelte Gedichte von Rainer Maria Rilke. Rainer Maria Rilke

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Gesammelte Gedichte von Rainer Maria Rilke - Rainer Maria  Rilke

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geängsteter denn eine Erstlingsherde;

       und draußen wacht und atmet deine Erde,

       sie aber sind und wissen es nicht mehr.

      Da wachsen Kinder auf an Fensterstufen,

       die immer in demselben Schatten sind,

       und wissen nicht, daß draußen Blumen rufen

       zu einem Tag voll Weite, Glück und Wind, –

       und müssen Kind sein und sind traurig Kind.

      Da blühen Jungfraun auf zum Unbekannten

       und sehnen sich nach ihrer Kindheit Ruh;

       das aber ist nicht da, wofür sie brannten,

       und zitternd schließen sie sich wieder zu.

       Und haben in verhüllten Hinterzimmern

       die Tage der enttäuschten Mutterschaft,

       der langen Nächte willenloses Wimmern

       und kalte Jahre ohne Kampf und Kraft.

       Und ganz im Dunkel stehn die Sterbebetten,

       und langsam sehnen sie sich dazu hin;

       und sterben lange, sterben wie in Ketten

       und gehen aus wie eine Bettlerin.

      Da leben Menschen, weißerblühte, blasse,

       und sterben staunend an der schweren Welt.

       Und keiner sieht die klaffende Grimasse,

       zu der das Lächeln einer zarten Rasse

       in namenlosen Nächten sich entstellt.

      Sie gehn umher, entwürdigt durch die Müh,

       sinnlosen Dingen ohne Mut zu dienen,

       und ihre Kleider werden welk an ihnen,

       und ihre schönen Hände altern früh.

      Die Menge drängt und denkt nicht sie zu schonen,

       obwohl sie etwas zögernd sind und schwach, –

       nur scheue Hunde, welche nirgends wohnen,

       gehn ihnen leise eine Weile nach.

      Sie sind gegeben unter hundert Quäler,

       und, angeschrien von jeder Stunde Schlag,

       kreisen sie einsam um die Hospitäler

       und warten angstvoll auf den Einlaßtag.

      Dort ist der Tod. Nicht jener, dessen Grüße

       sie in der Kindheit wundersam gestreift, –

       der kleine Tod, wie man ihn dort begreift;

       ihr eigener hängt grün und ohne Süße

       wie eine Frucht in ihnen, die nicht reift.

      O Herr, gib jedem seinen eignen Tod.

       Das Sterben, das aus jenem Leben geht,

       darin er Liebe hatte, Sinn und Not.

      Denn wir sind nur die Schale und das Blatt.

       Der große Tod, den jeder in sich hat,

       das ist die Frucht, um die sich alles dreht.

      Um ihretwillen heben Mädchen an

       und kommen wie ein Baum aus einer Laute,

       und Knaben sehnen sich um sie zum Mann;

       und Frauen sind den Wachsenden Vertraute

       für Ängste, die sonst niemand nehmen kann.

       Um ihretwillen bleibt das Angeschaute

       wie Ewiges, auch wenn es lang verrann, –

       und jeder, welcher bildete und baute,

       ward Welt um diese Frucht, und fror und taute

       und windete ihr zu und schien sie an.

       In sie ist eingegangen alle Wärme

       der Herzen und der Hirne weißes Glühn –:

       Doch deine Engel ziehn wie Vogelschwärme,

       und sie erfanden alle Früchte grün.

      Herr: Wir sind ärmer denn die armen Tiere,

       die ihres Todes enden, wennauch blind,

       weil wir noch alle ungestorben sind.

       Den gib uns, der die Wissenschaft gewinnt,

       das Leben aufzubinden in Spaliere,

       um welche zeitiger der Mai beginnt.

      Denn dieses macht das Sterben fremd und schwer,

       daß es nicht unser Tod ist; einer der

       uns endlich nimmt, nur weil wir keinen reifen.

       Drum geht ein Sturm, uns alle abzustreifen.

      Wir stehn in deinem Garten Jahr und Jahr

       und sind die Bäume, süßen Tod zu tragen;

       aber wir altern in den Erntetagen,

       und so wie Frauen, welche du geschlagen,

       sind wir verschlossen, schlecht und unfruchtbar.

      Oder ist meine Hoffahrt ungerecht:

       sind Bäume besser? Sind wir nur Geschlecht

       und Schooß von Frauen, welche viel gewähren? –

       Wir haben mit der Ewigkeit gehurt,

       und wenn das Kreißbett da ist, so gebären

       wir unsres Todes tote Fehlgeburt;

       den krummen, kummervollen Embryo,

       der sich (als ob ihn Schreckliches erschreckte)

       die Augenkeime mit den Händen deckte

       und dem schon auf der ausgebauten Stirne

       die Angst von allem steht, was er nicht litt, –

       und alle schließen so wie eine Dirne

       in Kindbettkrämpfen und am Kaiserschnitt.

      Mach Einen herrlich, Herr, mach Einen groß,

      

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