Californische Skizzen. Gerstäcker Friedrich
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Читать онлайн книгу Californische Skizzen - Gerstäcker Friedrich страница 10
Ein Stierkampf war diesmal die Veranlassung, und die Arena eine im Mittelpunkt des Ortes errichtete starke Umzäunung, um die her eine Art von erhöhten Sitzen angebracht war, den Entrée Zahlenden doch einigermaßen Entschädigung für das gewöhnlich nur höchst mittelmäßige Schauspiel zu bieten. Die Wirthe der Mission schienen übrigens bewiesen zu haben, wie richtig sie ihre Nachbarschaft kannten, die wirklich immer nur auf eine Gelegenheit wartete, ihr Geld, sei es für was es wolle, zum Fenster hinauszuwerfen. Schaaren von Menschen füllten die breiten Straßen des kleinen Orts, drängten um die Barriere und zankten um ihre Plätze, oder tummelten ihre Pferde vor dem Missionsgebäude, auf dessen Veranda die ganze schöne Welt versammelt schien und manches dunkeläugige holde Mädchengesicht auf die kühnen Reiter hinüberblitzte.
Das wilde Publikum, Amerikaner und Mexikaner, Wilde und Weiße, bunt durch einander, hatte indeß an Plätzen eingenommen, was eben zu erreichen war, und theils eine nahe kleine Erhöhung des Bodens, theils die aufgerichteten Gestelle benutzend, den Platz umlagert, auf dem ihr Pfeifen und Trommeln, Stampfen und Schreien noch immer nicht die ersehnten Stiere und Kämpfer hervorrufen konnte.
Mehre buntgekleidete, frech und ungeschickt genug aussehende Burschen, Mexikaner ihrem Aeußeren nach, und Einer, ein Halbindianer, dem tiefe Blatternarben das ganze Gesicht entstellten, trieben sich indeß in der Arena umher, und tanzten und sangen und suchten durch Späße die Geduld des Publikums etwas länger hinzuhalten. Wenn ihnen das aber auch vielleicht bei dem spanischen Theil desselben gelungen wäre, der oft in ein lautes und rohes Gelächter bei den roheren Witzen ausbrach, half das Nichts bei dem englischen oder amerikanischen, der das Spanische gar nicht verstand. Ja diese wurden eher noch ärgerlicher, daß sich Andere amüsiren sollten, während sie ihr gutes Geld ebenfalls gezahlt hatten und nun nicht einmal herausbekommen konnten, weshalb das „Gesindel“ lachte.
Der Lärm wurde immer toller, und einige Amerikaner, halbtrunkene Seeleute, denen der Spaß zu lange währte, sprangen schon in die Arena hinunter, thätigen Antheil an dem Singen und Springen der unten Befindlichen zu nehmen, das sie wenigstens ihrer eigenen Versicherung nach „all to smash“ überbieten konnten, als plötzlich das enge, in den Kreis führende Thor aufgerissen wurde, und ein brauner, zwar kleiner aber doch muthiger Stier so urplötzlich zwischen die natürlich nicht wenig überraschten Seeleute hineinschoß, daß diese im ersten Augenblick rath- und thatlos dastanden und dem Thier, hätte es wirklich Böses im Schild geführt, oder irgend einen Angriff beabsichtigt, leichte und nicht zu rettende Beute gewesen wären.
Der Jubel der Zuschauer bei diesem kleinen Intermezzo läßt sich gar nicht beschreiben. Von allen Seiten zugleich brach er los, war aber auch die einzige Rettung der bestürzten und unfreiwilligen Stierfechter, denn der eingelassene muthige Stier stand bei dem furchtbaren Lärm, der von allen Seiten auf ihn einbrach, im ersten Moment wie verdutzt da und warf nur unwillig die Hörner bald da, bald dort hin, und riß den Boden auf mit den scharfen Hufen.
Der erste Schreck war vorüber und die Matrosen flüchteten mit völlig abgekühltem Kampfesmuth und unter dem Lachen, Pfeifen und Zischen der Zuschauer so rasch sie konnten über die Fenz zurück. Daß sie das nach verschiedenen Seiten zu thaten, deckte zugleich ihren Rückzug, denn der Stier wurde sie gewahr und suchte sie noch zu erreichen, konnte aber nicht gleich eine Wahl zwischen den ihm von allen Enden verlockend genug zugedrehten Rücktheilen treffen, und bekam dadurch keins.
Jetzt aber sprangen auch die wirklichen Stierkämpfer aus einem eigens für sie gebauten Verschlag in den eingezäunten Raum und begannen das überdies schon gereizte Thier durch all die schon tausendmal beschriebenen Arten und Weisen, mit Schwärmern und kleinen Speeren und Fahnen zu necken und zu peinigen. Aber sie hielten dem zuletzt wüthend Gemachten nie Stand, bis das Publikum endlich in einem wahren Chaos der schauerlichsten Töne sein Mißfallen zu erkennen gab.
Der Stier wurde indessen durch Blutverlust und Hin- und Herhetzen so erschöpft, daß er den stets nutzlosen Anreizungen nicht mehr nachgeben wollte. Er wußte, die feige Schaar seiner Angreifer hielt ihm doch nicht Stand, und brüllend und den Boden scharrend blieb er in der Mitte der Arena stehen, und nahm geduldig einen ganzen Hagel kleiner Pfeile, Geschosse und Schwärmer hin, der von allen Seiten auf ihn einregnete.
Der Lärm und das Toben der unbefriedigten Zuschauer wuchs jetzt dermaßen, daß Einer der Leute dem Stier einen Lasso um die Hörner warf und ihn dem wieder geöffneten Eingang zuzog, durch den er mit ihm unter dem Pfeifen und Zischen der Versammelten verschwand.
Unter den Letzteren zeichnete sich besonders ein Indianer aus — ein schlanker, schöngewachsener Bursche, in der malerischen mexikanischen oder californischen Tracht, mit kurzer Jacke und an den Seiten offenen Hosen, einen breiträndigen, mit Wachstuch überzogenen Hut auf dem Kopf, der, eine volle Flasche in der linken Hand, eben auf eine der Bänke gesprungen war und die feigen „Matadoren“ auf jede mögliche Art und Weise verhöhnte.
„Caracho compañero“ schrie ihm endlich Einer der von San Francisco dazu herüber gekommenen Stierkämpfer trotzig zu — „mach’s besser wenn du kannst, aber steh’ und brülle da nicht, als ob du das Hirn verbrannt hättest an deinem agua ardiente[3]. Schreien kann Jeder,“ und in den Bart, als er sich wandte, murmelte er: „rothe, verdammte Bestie, ich wollte er spränge herunter zum nächsten Stier.“
„Zeig’ du’s ihnen einmal, Valentin, wie man’s machen muß,“ wandten sich jetzt aber auch einzelne von den Einwohnern der Mission, die den Indianer und seinen tollen Muth kannten, an den Eingebornen, der, als der beste Reiter und Lassowerfer sich selbst unter den Californiern einen Ruf erworben hatte.
„Zeig’ ich ihnen?“ erwiederte der halbcivilisirte Indianer mit einem verächtlichen Lachen in ziemlich reinem, nur wenig gebrochenem Spanisch — „zeig’ ich ihnen? und weshalb? — Mexikaner haben die Unzen — viel Unzen — Valentin hat Nichts — zerreißt seine Kleider, zerbricht seine Flasche — pah, wofür? — Für weiße Männer über Valentin zu lachen — laß’ die Matadoren kämpfen.“
„Aber sie können nicht!“ antworteten ihm Stimmen von fünf, sechs verschiedenen Seiten.
„Bah, es sind Stierkämpfer und nehmen Geld dafür,“ lachte der Indianer, „und die Weißen kommen in Schaaren und werfen es ihnen in den Hut — Stierkämpfer, ha, ha, ha, caracho, sie wagen es nicht einmal sich einem Kalb entgegenzustellen — Valentin ist zu gut für sie.“
Der Indianer warf den Kopf verächtlich zurück und seine edle Gestalt hob sich in dem Selbstgefühl der eigenen Kraft und Geschicklichkeit. Da fiel sein Blick auf die Flasche, die er, in dem Unwillen über die hölzernen Stierkämpfer fast vergessen, noch in der Hand trug, und mit einem heiseren, triumphirenden Lachen den Hals derselben an seine Lippen bringend, sog er in gierigem Zug den heißen, scharfen Trank durch die Kehle.
Das Jubelgeschrei der Menge unterbrach ihn, und wandte seine Aufmerksamkeit der Arena zu, in die jetzt, frei und ungehindert ein kohlschwarzer, wilder Stier getrieben und seinen Peinigern wieder übergeben wurde.
Der neue Stier war von ungemein starkem und kräftigem Wuchs und von trotzig finsterem Aussehen, was besonders durch die dichten und dunklen Haarbüschel verstärkt wurde, die über seinen Augen standen. Er strafte denn sein Aussehen auch keineswegs Lügen, und den Sand über sich werfend, daß er wie eine dichte Wolke auf ihm lag, wühlte und stampfte er den Boden mit Nase, Horn und Vorderhuf, und suchte brüllend den ersten Feind, seine Wuth an ihm auszulassen.
Auf einen Angriff sollte er auch nicht lange zu warten haben, denn zwei der mexikanischen Stierkämpfer in ihren kurzen bunten Jacken und Hosen, sprangen gegen ihn an,