Californische Skizzen. Gerstäcker Friedrich

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Californische Skizzen - Gerstäcker Friedrich

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ungebrannten Ziegel, die damals, unter der Leitung der frommen Männer, die rothen Kinder jener Berge zusammentrugen und aufbauten zu einem Tempel des Herrn, noch liegt der alte Kirchhof so feucht und trostlos unter den Dachrinnen der Kirche und hinter die feuchte Mauer gedrückt, wie vor langen Jahren, und nur die steinerne Einfriedigung ist zusammengebrochen, die Kreuze sind morsch geworden und zerbröckelt und die Hügel eingesunken auf ihre stillen träumenden Miethsleute darunter.

      Die Wände selber aber scheinen doch, wenn das nur irgend möglich wäre, noch grauer und feuchter geworden zu sein, während die seidenen Bänder und Blumen verblichen und stockten, und der Wind, der jetzt an gar vielen Orten Ein- und Zutritt gewonnen, so unheimlich wie rauh mit dem Flittergold raschelte, das über ein Paar entsetzlichen Heiligenköpfen hing und seinem Zweck jetzt vollkommen entsprach, die Augen der Gläubigen dorthin zu lenken.

      Und so traurig und öde liegt das alte Gebäude? —

      Hörst du die Violinen und Pauken, lieber Leser, gleich da unten in dem andern Eckflügel der Kirche? — Pauken und Violinen, Guitarren und lauter lachende Stimmen — da ist Fandango, und die Paare drehen sich auch wol beim Walzer in wirbelnder Lust. —

      Und der Schrei? — o das ist nichts — da über der Brauerei, in der Mission, hat ein Doctor aus Buenos-Ayres erst kürzlich ein Hospital angelegt, und sie sagen, Einer von den „Ueberlebenden“ sei wahnsinnig geworden — ich erzähle dir die Geschichte ein andermal. —

      Brauerei, Hospital, Schenke und Priesterwohnung, Kirche und —

      Lieber Leser, du fragst wirklich zu viel — wenn Leute hier wohnen, brauchen sie auch keine Rechenschaft über sich abzulegen, noch dazu einem Fremden, der Tausende von Meilen entfernt lebt. Aber der Figur wollen wir folgen, die da eben aus der Brauerei tritt und mit leisem langsamen Schritt, des nassen Wetters nicht achtend, nach jenem alten Adobiegebäude schleicht, das etwa 300 Schritte von der Kirche entfernt, gerade oben am ersten flachen Hügel steht. Der Mann trägt einen schwarzen breiträndrigen Hut und einen schmutzigen alten dunklen Mantel, seine ganze Tracht überhaupt ist ein Mittelding zwischen geistlich und weltlich (da denn doch einmal jede der beiden ihre Mode hat) und der schielende Blick, der seinen überdieß finstern boshaften Zügen etwas wirklich Abstoßendes giebt, vollendet die ganze äußere Erscheinung des Mannes und rundet sein Aussehen gewissermaßen ab.

      Es ist wunderbarer Weise ein Deutscher und heißt Johann Stapf, aber einer von jenen Charakteren, die in ihrem Lebenslauf des Schicksals wunderlichste Launen über sich ausgeschüttet sehen, und das Glück eines armen Schriftstellers nur mit der einfachen Erzählung ihrer Erlebnisse machen könnten — wenn sie nur eben erzählen dürften, was sie erlebt hatten.

      Er gehörte mit zur Mission Dolores, stand wenigstens mit dem Geistlichen auf einem sehr vertrauten Fuß, und dennoch war es ein öffentliches Geheimniß, daß er im mexikanisch-californischen Kriege den Amerikanern zum Spion gedient. Er wäre aber von den Californiern längst einmal mit einem freundlichen Messer beseitigt worden, hätte er nicht wahrscheinlich ihnen dieselben Dienste geleistet.

      Erst lief ihm aber der Priester und dann die Mission unter den Händen weg, der Erstere eines Landprozesses wegen, der ihm alles Das absprach, was er bisher sein eigen genannt, die letztere von den Amerikanern, bis zur Kirche, einfach in Besitz genommen, und das alte Missionsinventarium, der alte Stapf — zog eben in die Minen.

      Ein anderer Priester kam auf die Mission, aber die Blütenzeit derselben war vorbei. Die Indianer, die sonst nicht allein ihre Lager in der Nähe gehabt, sondern auch durch die Häuser der spanischen Einwohner zerstreut gewesen, waren verschwunden, die Minen schienen mehr Anziehungskraft gehabt zu haben als das alte wettermüde Gebäude, und die wenigen, die sich wirklich noch in der Nähe herumtrieben, thaten es, mit sehr wenigen Ausnahmen, nur des bequemer zu bekommenden Agua ardiente oder Branntweins wegen, an den sie sich nun einmal anfingen zu gewöhnen.

      Mehre Male sah ich eins ihrer Leichenbegängnisse mit Violinen und Clarinetten fröhlich zur Kirche und durch das niedere Pförtchen auf den Todtenacker ziehen, wo die Gestorbenen in ihre stillen Stübchen eingeschachtelt wurden. Nach der Kirche begannen dann ihre alten Wehklagen, trotzdem daß ihnen doch für die Geschiedenen christliche Seligkeit versprochen worden. Bis in die Nacht hinein heulten und jammerten sie, und dann lagen sie draußen im Schlamme mit ihren dünnen cattunenen Ueberwürfen, und stöhnten die ganze kalte Nacht hindurch. Zuerst über den Gestorbenen, zuletzt über ihr eignes Elend.

      Die Mission hat — wie es auch so manchem Menschen auf der weiten Welt zu gehen pflegt — ihren Lebenszweck verfehlt. Sie war, mit den vielen ähnlichen Orten im Lande, von den Jesuiten damals als eine Fackel an der Küste aufgesteckt worden, von hier aus das Licht der christlichen Religion über die heidnischen Völkerschaften zu gießen, die in dem weiten Länderstrich zerstreut lebten. Alle diese Millionen wurden als Mittelpunkt eines bestimmten Districts betrachtet, der den Stämmen selbst im Falle eines feindlichen Angriffs als Zufluchtsort und Vorrathskammer dienen konnte, und einzeln zogen von hier aus die Prediger in die Wüste, verkündeten Gottes Wort, verkündeten den blinden verwahrlosten Heiden, daß sie eigentlich im Schweiße ihres Angesichts ihr Brod verdienen, und deshalb um die Mission herum den Acker bestellen und alle nützliche andere Arbeiten verrichten müßten, und verhießen ihnen, wenn sie den Glauben der weißen Männer annähmen, ihm treu blieben und ihre Arbeiten verrichteten, himmlischen Lohn.

      Still und friedlich leben die Leute hin, in ihrem Gott vergnügt und glücklich; einzelne Stämme nahmen Sitte und Civilisation wirklich an, und nach unendlich langen mühsamen Jahren versprach eine Art von Erfolg die rastlosen Bemühungen der wirklich aufopfernden Patres zu krönen. Und wie sollte sich dieser Erfolg entwickeln? — Ein paar Stückchen glänzenden Metalls, hunderte von Meilen weit in den Bergen zufällig beim Graben eines Dammes gefunden, warfen das ganze System über den Haufen, als ob es ein Kartenschloß gewesen wäre. Was Jahrzehnte gekostet hatte mit unendlichem Fleiß und rastlosem Eifer aufzubauen, was ein Gebäude schien für eine Ewigkeit, das zertrümmerte ein gelbes Steinchen, unten herausgezogen, und der ganze stolze Bau polterte zusammen. Massen von Kirchen sind jetzt allerdings an deren Statt gebaut, es ist wahr, „Gottes Wort“ steigt in den verschiedensten Sprachen und Auslegungen zu dem Allerbarmer empor, und eine wahre Flut von Christen und auch Heiden füllt die Thäler. Wie es die Missionare früher nie, selbst in ihren kühnsten Träumen für möglich gehalten, hat sich die Civilisation des ganzen Landstrichs bemächtigt — aber der stille Frieden ist gewichen, und der Gott, dem jetzt sogar bis in den Missionen geopfert wird — ist das Gold.

      Das alte Missionsgebäude selber ist in einem großen Viereck errichtet und umschließt einen weiten etwa 80 Schritt langen und 60 Schritt breiten Hofraum. Außerdem lagen noch drei kleine Straßen mit niederen einstöckigen Häusern darum her, in denen früher theils Altmexicaner, von dem Süden eingewandert, oder auch hier Geborene, wie einzelne civilisirte Indianer ihren Wohnort hatten. Zwischen diese hineingedrängt haben sich aber jetzt Amerikaner, Engländer, Iren, Deutsche und Franzosen, und wie zum Spott, selbst der alten christlichen Mission gerade gegenüber, schlagen heidnische Chinesen, vom christlichen Gesetz beschützt, ihre Wohnungen auf, und Angesichts der alten ehrwürdigen lebensmüden Kirche dampfen die Weihrauchbüchsen der Zopfträger vor den Bildern und Figuren ihrer Lieblingsgötzen.

      Von allen Theilen der Welt sind dabei fertige Häuser hierherüber gesandt, ein- und zwei- und dreistöckige, mit und ohne Schindeln und in jeder Form und Bauart, und wie sich die Europäer und Amerikaner zwischen die alten Ureinwohner hier eindrängten, so steigen die wunderlichen Formen ihrer Häuser ebenfalls zwischen den altergrauen niederen Steingebäuden auf, nehmen ihren jetzigen Nachbarn, den früheren Besitzern, Licht, Aussicht und Sonne, und kümmern sich den Henker um seine Fest- und Feiertage, um seine Sitten und Gewohnheiten.

      Der Haß der Californier gegen die Amerikaner ist aber auch groß und rührt sich desto gewaltiger, je mehr sie eben fühlen und sehen, wie sie nicht das

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