Gesammelte Werke von Gustave Flaubert. Гюстав Флобер

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Gesammelte Werke von Gustave Flaubert - Гюстав Флобер

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sich nun schwer, und das Hauptstück, eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt, versagte vollständig. Ab und zu zischte ein dürftiges Feuerrad. Dann schrie die gaffende Menge vor Vergnügen laut auf, und in dieses Geschrei mischte sich das Kreischen der Weiber, die im Dunkeln von dreisten Händen angefaßt wurden.

      Emma schmiegte sich schweigsam an Karls Arm. Den Kopf gehoben, verfolgte sie die Feuerlinien der Raketen auf dem schwarzen Himmel. Rudolf betrachtete sie im Scheine der Lampions. Nach und nach verlöschten diese, und nun leuchteten nur die Gestirne. Ein paar Regentropfen fielen. Frau Bovary legte sich ihr Tuch über das unbedeckte Haar.

      In diesem Augenblicke fuhr der Landauer des Regierungsrates vom Gasthofe weg. Der Kutscher war bezecht und hockte verschlafen auf seinem Bocke. Man sah von weitem, wie die schwere Masse seines Körpers zwischen den Wagenlichtern hin und her pendelte, je nach den Bewegungen des Wagens auf dem holperigen Pflaster.

      »Man sollte wirklich strenger gegen die Trunksucht vorgehen«, bemerkte der Apotheker. »Mein Vorschlag geht dahin, allwöchentlich am Rathause die Namen derer auszuhängen, die sich in der Woche vorher sinnlos betrunken haben. Das ergäbe nebenbei eine Statistik, die man in gewissen Fällen…Aber entschuldigen Sie!«

      Er eilte wiederum zum Feuerwehrhauptmann, der sich gerade anschickte, nach Hause zu gehen. Ihn trieb die Sehnsucht nach seiner Drehbank.

      »Vielleicht täten Sie gut,« mahnte ihn Homais, »wenn Sie einen von Ihren Leuten schickten, oder noch besser, wenn Sie selber gingen…«

      »Lassen Sie mich doch in Ruhe!« murrte der Steuereinnehmer. »Das hätte ja gar keinen Sinn!«

      Der Apotheker gesellte sich wieder zu seinen Freunden.

      »Wir können völlig beruhigt sein«, sagte er zu ihnen. »Herr Binet hat mir soeben versichert, daß alle Vorsichtsmaßregeln getroffen sind. Es ist keine Feuergefahr mehr vorhanden. Und die Spritzen stehen voller Wasser bereit. Gehen wir schlafen!«

      »Ach ja! Ich habs sehr nötig!« erwiderte Frau Homais, die schon immer tüchtig gegähnt hatte. »Aber schön wars doch!«

      Rudolf wiederholte leise mit einem zärtlichen Blicke:

      »Wunderschön!«

      Dann verabschiedete man sich und ging voneinander.

      Zwei Tage darauf stand im »Leuchtturm von Rouen« ein langer Bericht über die Landwirtschaftliche Versammlung. Der Apotheker hatte ihn am Morgen darauf schwungvoll verfaßt.

      »Was künden diese Girlanden, diese Blumen und Kränze? Wohin wälzt sich die Menge, gleichwie die Wogen des stürmischen Weltmeeres unter den Strahlenbüscheln der tropischen Sonne, die unsere Fluren sengt?«

      Sodann sprach er von der Lage der Landbevölkerung. »Gewiß, die Regierung hat hier viel getan, aber noch nicht genug. Mut! Tausend Reformen sind unerläßlich. Man gehe an sie heran!« Bei der Schilderung der Ankunft des Regierungsvertreters feierte er »das martialische Aussehen unsrer Miliz«, die »behenden Dorfschönen,« die »kahlköpfigen Greise, diese Patriarchen, die Letzten der unsterblichen Legionen, deren Soldatenherzen beim Wirbeln der Trommeln höher schlagen.« Seinen eigenen Namen zählte er unter den Preisrichtern als ersten auf und erwähnte in einer Anmerkung sogar, daß Herr Homais, der Apotheker von Yonville, unlängst eine Denkschrift über den Apfelwein an die Rouener Agronomische Gesellschaft eingereicht habe. Bei der Preisverteilung angelangt, schilderte er die Freude der Ausgezeichneten mit dithyrambischer Begeisterung. »Väter fielen ihren Söhnen um den Hals, Brüder ihren Brüdern, Gatten ihren Gattinnen. Mehr denn einer zeigte voll Stolz seine schlichte Medaille, und heimgekehrt in sein stilles Kämmerlein, mag sie so mancher, Tränen in den Augen, an die Wand gehängt haben … Gegen sechs Uhr abends vereinigte ein Festmahl in dem auf der Herrn Liegeard gehörenden Wiese errichteten großen Zelte die hervorragendsten Festteilnehmer. Von Anfang bis Ende herrschte die größte Gemütlichkeit. Mehrere Toaste wurden ausgebracht. Herr Regierungsrat Lieuvain trank auf Seine Majestät, Herr Bürgermeister Tüvache auf den Herrn Landrat, sodann Herr Rittergutsbesitzer Derozerays auf das Gedeihen der Landwirtschaft, Herr Apotheker Homais auf die Industrie und ihre Schwestern, die Künste und Wissenschaften, so zuletzt Herr Leplichey auf den Fortschritt. Am Abend erleuchtete ein prächtiges Feuerwerk plötzlich aller Gesichter. Man kann wohl sagen, es war ein wahres Kaleidoskop, eine herrliche Operndekoration, und im Moment durfte sich unser kleiner Ort in die Wunderwelt von Tausendundeiner Nacht entrückt wähnen. Zum Schlusse stellen wir mit Freuden fest, daß auch nicht ein einiger unliebsamer Vorfall das Volksfest gestört hat. Zu bemerken wäre nur noch das Fernbleiben der Geistlichkeit. Offenbar hat man unter ihr andre Ansichten von Allgemeinwohl und Fortschritt. Haltet es, wie ihr wollt, ihr Jünger Loyolas!«

      Neuntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Sechs Wochen flossen hin. Rudolf kam nicht. Endlich, eines Spätnachmittags, erschien er.

      »Man darf sich nicht so schnell wieder sehen lassen. Das wäre ein Fehler!«

      Nach dem Feste war er auf die Jagd gegangen. Und nach der Jagd hatte er sich gesagt, nun sei es zu spät zu einem Besuche. Sein Gedankengang war folgender:

      »Wenn sie mich vom ersten Tage an geliebt hat, wird sie mich nach dem Hangen und Bangen des Wartens nur um so mehr lieben. Warten wir also noch eine Weile!«

      Als er Emma in der Großen Stube entgegentrat, sah er, wie sie blaß wurde. Da wußte er, daß er sich nicht verrechnet hatte.

      Sie war allein. Es dämmerte. Die kleinen Mullgardinen an den Scheiben der Fenster vermehrten das Halbdunkel. Das blanke Metall des Barometers, auf das ein Sonnenstrahl fiel, glitzerte auf der Fläche des Spiegels über dem Kamin wider wie flammendes Feuer.

      Rudolf stand noch immer. Emma antwortete nur mit Mühe auf seine ersten Höflichkeitsworte.

      »Ich war stark beschäftigt. Und dann bin ich auch krank gewesen.«

      »Ernstlich?« fragte sie erregt.

      »Na,« erwiderte Rudolf, indem er sich ihr zur Seite auf einen niedrigen Sessel setzte, »eigentlich wollte ich nicht wiederkommen.«

      »Warum?«

      »Erraten Sie es nicht?«

      Wiederum sah er sie an, diesmal so leidenschaftlich, daß sie rot wurde und die Augen senkte.

      Er begann von neuem:

      »Emma!«

      »Herr Boulanger!« rief sie und rückte ein wenig von ihm ab.

      »Ah!« sagte er in wehmütigem Tone. »Sehen Sie, wie recht ich hatte, wenn ich nicht wiederkommen wollte! Ihr Name…, dieser Name, der mein ganzes Herz erfüllt…, er ist mir entschlüpft, und Sie verbieten mir, ihn auszusprechen! Frau Bovary! Alle Welt nennt Sie so! So heißen Sie! Und doch ist das der Name – eines andern!« Nach einer Weile wiederholte er: »Eines andern!« Er hielt sich die Hände vor sein Gesicht. »Ach, ich denke fortwährend an Sie…. Die Erinnerung bringt mich in Verzweiflung…. Verzeihen Sie mir…. Ich gehe…. Leben Sie wohl! Ich will weit, weit weg … so weit gehen, daß Sie nichts mehr von mir hören werden! Aber heute … heute … ach, ich weiß nicht, was mich mit aller Gewalt hierher zu Ihnen getrieben hat! Gegen sein Schicksal kann keiner kämpfen! Und wo Engel lächeln,

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