Gesammelte Werke von Gustave Flaubert. Гюстав Флобер

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Gesammelte Werke von Gustave Flaubert - Гюстав Флобер

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flogen Raben um die Eichen.

      Sie saßen ab. Rudolf band die Pferde an. Emma schritt ihm voraus, den Weg weiter, über Moos in alten Wagenspuren. Ihr langes Reitkleid erschwerte ihr das Gehen, obwohl sie es mit der einen Hand aufgerafft hatte. Rudolf ging hinter ihr. Er sah zwischen dem schwarzen Tuch und den schwarzen Stiefeln das lockende Weiß ihres Strumpfes, das er wie ein Stück Nacktheit empfand.

      Emma blieb stehen.

      »Ich bin müde!« sagte sie.

      »Gehen wir weiter! Versuchen Sie es!« bat er. »Mut!«

      Hundert Schritte weiter blieb sie abermals stehen. Der blaue Schleier, der ihr von ihrem Herrenhute bis zu den Hüften herabwallte, übergoß ihr Gesicht mit bläulichem Licht. Es sah aus, wie in das Blau des Himmels getaucht.

      »Wohin gehen wir denn?«

      Er gab keine Antwort. Sie atmete heftig. Rudolf hielt Umschau und biß sich in den Schnurrbart. Sie standen in einer Lichtung, in der gefällte Baumstämme dalagen. Sie setzten sich beide auf einen.

      Von neuem begann Rudolf, von seiner Liebe zu reden. Um Emma nicht durch Überschwenglichkeit zu verprellen, blieb er ruhig, ernst, schwermütig. Sie hörte ihm gesenkten Hauptes zu, während sie mit der Spitze ihres Stiefels den Waldboden aufscharrte. Aber bei dem Satze:

      »Sind unsre beiden Lebenspfade nunmehr nicht in einen zusammengelaufen?« unterbrach sie ihn:

      »Nein! Das wissen Sie doch! Es ist unmöglich!«

      Sie stand auf und wollte gehen. Er umfaßte ihr Handgelenk, und so blieb sie. Sie sah ihn eine kleine Weile liebevoll und mit feucht schimmernden Augen an, dann sagte sie hastig:

      »Genug! Reden wir nicht mehr davon! Gehen wir zurück zu unsern Pferden!«

      Rudolf machte eine Bewegung zornigen Ärgers. Sie wiederholte:

      »Gehen wir zu unsern Pferden!«

      Da lächelte er seltsam und näherte sich ihr mit vorgestreckten Händen, zusammengebissenen Zähnen und starrem Blicke. Sie wich zitternd zurück und stammelte:

      »Ich fürchte mich vor Ihnen! Sie tun mir weh! Gehen wir zurück!«

      »Wenn es sein muß!« gab er zur Antwort. Sein Gesichtsausdruck wandelte sich. Er sah wieder ehrerbietig, zärtlich, schüchtern aus.

      Emma reichte ihm den Arm. Sie traten den Rückweg an.

      »Was hatten Sie denn vorhin?« fragte er. »Was war es? Ich habe Sie nicht begriffen. Gewiß haben Sie mich mißverstanden. Sie thronen in meinem Herzen wie eine Madonna, hoch und hehr und unerreichbar! Aber ich kann ohne Sie nicht leben! Ich muß Ihre Augen sehen, Ihre Stimme hören, Ihre Gedanken wissen! Seien Sie meine Freundin, meine Schwester, mein Schutzengel!«

      Er schlang seinen Arm um ihre Taille. Sie versuchte, sich ihm sanft zu entwinden, aber er ließ sie nicht los. So gingen sie nebeneinander hin. Da hörten sie ihre Pferde, die Blätter von den Bäumen rupften.

      »Noch nicht!« bat Rudolf. »Reiten wir noch nicht zurück! Bleiben Sie!«

      Er zog sie mit sich vom Wege ab in die Nähe eines kleinen Weihers, dessen Spiegel mit Wasserlinsen bedeckt war. Zwischen Schilf träumten verwelkte Wasserrosen. Vor dem Geräusch ihrer Schritte im Gras hüpften die Frösche davon und verschwanden.

      »Es ist nicht recht von mir … es ist nicht recht von mir! Ich bin toll, daß ich auf Sie höre!«

      »Warum? Emma! Emma!«

      »Ach, Rudolf!« flüsterte die junge Frau, indem sie sich an ihn anschmiegte.

      Das Tuch ihres Jacketts lag dicht am Samt seines Rockes. Sie bog ihren weißen Hals zurück, den ein Seufzer schwellte. Halb ohnmächtig und tränenüberströmt, die Hände auf ihr Gesicht pressend und am ganzen Leib zitternd, gab sie sich ihm hin….

      Die Dämmerung sank herab. Die Sonne stand blendend am Horizont und flammte in den Zweigen. Hier und da, um die beiden herum, im Laub und auf dem Boden, tanzten lichte Flecke, als hätten Kolibris im Vorbeifliegen ihre schimmernden Federn verloren. Rings tiefes Schweigen. Die Bäume atmeten süße Melancholie.

      Emma fühlte, wie ihr Herz wieder klopfte, wie ihr das Blut durch den Körper kreiste.

      In der Ferne, hinter dem Walde, über der Höhe ertönte ein langgezogener seltsamer Schrei, unaufhörlich. Dem lauschte sie schweigend. Er mischte sich in die verklingenden Schwingungen ihrer zuckenden Nerven und ward zu Musik….

      Rudolf rauchte eine Zigarette und stellte mit Hilfe seines Taschenmessers einen zerrissenen Zügel wieder her.

      Auf demselben Wege ritten sie nach Yonville zurück. Sie sahen im weichen Boden die Spuren ihres Hinrittes, die Huftritte beider Pferde dicht beieinander, sie erkannten die Büsche wieder und einzelne Steine am Rain. Nichts um sie herum hatte sich verändert, und doch kam es Emma vor, als sei etwas höchst Bedeutsames geschehen, als seien die Berge von ihrem Platze geschoben. Von Zeit zu Zeit beugte sich Rudolf zu ihr herüber, um ihre rechte Hand zu erfassen und zu küssen. Er fand Emma im Sattel entzückend aussehend, bei ihrem geraden Sitz, ihrer schlanken Figur, der schicken Haltung ihres rechten Knies, ihren von der scharfen Luft geröteten Wangen, – alles im Abendrot.

      Als sie Yonville erreichten, wurde ihr Pferd unruhig. Einmal machte es sogar kehrt. Aus allen Fenstern sah man ihr zu.

      Beim Essen machte Karl die Bemerkung, Emma sähe vorzüglich aus. Als er sich aber darnach erkundigte, wie der Spazierritt gewesen sei, tat sie, als hätte sie die Frage überhört. Sie stützte sich auf die Ellenbogen und starrte über ihren Teller weg in die flackernden Kerzen.

      »Emma!«

      »Was denn?«

      »Weißt du, ich bin heute nachmittag beim Pferdehändler gewesen. Er hat eine recht gut aussehende alte Mutterstute zu verkaufen. Die Knie sind nur ein bißchen durch. Ich bin überzeugt, für hundert Taler …« Da sie nichts dazu sagte, fuhr er nach ein paar Augenblicken fort: »Ich habe gedacht, es sei dir erwünscht, und da habe ich mir den Gaul zurückstellen lassen … nein, gleich gekauft…. Ists dir recht? Sag mal!«

      Sie nickte bejahend mit dem Kopfe.

      Eine Viertelstunde später fragte sie:

      »Gehst du heute abend aus?«

      »Ja. Warum denn?«

      »Ach, ich wollt es bloß wissen, Bester!«

      Sobald sie von Karl befreit war, ging sie in ihr Zimmer hinauf und schloß sich ein.

      Sie war zunächst noch wie unter einem Banne. Sie sah im Geist die Bäume, die Wege, die Gräben, den Geliebten und fühlte seine Umarmung. Das Laub wisperte um sie herum, und das Schilf rauschte. Dann aber erblickte sie sich im Spiegel. Sie staunte über ihr Aussehen. So große schwarze Augen hatte sie noch nie gehabt! Und wie tief sie lagen! Etwas Unsagbares umfloß ihre Gestalt. Sie kam sich wie verklärt vor.

      Immer wieder sagte sie sich: »Ich habe einen Geliebten! Einen Geliebten!«

      Der Gedanke entzückte sie. Es war ihr, als sei sie jetzt erst Weib geworden. Endlich waren

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