Der Postsekretär im Himmel, und andere Geschichten. Ludwig Thoma
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»Angermayer!«
Er fuhr aus seinen Gedanken auf, als er seinen Namen mit einiger Ungeduld rufen hörte, und sah einen großen Engel am Himmelsportale stehen, der ungefähr so aussah, wie ein Genius vom Oberammergauer Passionsspiel, und der jetzt die Hände vor den Mund hielt und wiederum den schallenden Ruf ertönen ließ:
»Martin — Angermayer aus München!«
»J — ja!« antwortete mißmutig der Sekretär, »was wollen's denn?«
»Vielleicht ist es Ihnen endlich gefällig, einzutreten?« schrie der Engel.
»I kumm scho,« knurrte Angermayer, und er schob sich langsam durch die Gaffer hindurch, die erstaunt über sein Zögern die Köpfe nach ihm umdrehten, und die noch überraschter waren, als sie der Genosse ihrer künftigen Freuden mit groben Ellenbogen beiseite schob.
»Da bin i. Desweg'n brauchen's do net so plär'n,« sagte der Sekretär zum Engel, der den merkwürdigen Gast mit leuchtenden, kugelrunden Augen maß.
»Ich habe Dich mindestens dreimal gerufen,« sprach er dann mit leisem Tadel.
»Von mir aus sechsmal,« erwiderte Angermayer mit einer im langjährigen Schalterdienst erprobten Grobheit, und er setzte beinahe feindselig hinzu:
»Für de Arbeit wer'n Sie wahrscheinlich zahlt wer'n.«
»Dein Ton ist ungehörig,« sagte der Engel. »Hier ist ganz und gar nicht der Ort für solche Aeußerungen, mein lieber Angermayer.«
»I bin net Eahna Lieber, verstengen Sie mich! Und d' Säu hamm ma aa no net mitanand' g'hüat. Und drittens bin i der königlich bayerische Sekretär, des mirken's Eahna!«
»Das bist Du gewesen! Und jetzt bist Du eine Seele, und sonst nichts, und hast Dich in die Hausordnung zu fügen.«
»Wo is denn Eahna Hausordnung? Wenn Sie a Hausordnung hamm, nacha schaugn's zerscht, daß de Kinder net so umanandrolz'n und lassen's de Schlawiner da d' Füaß wasch'n. Dös waar a Hausordnung, verstengen Sie mich, und dena können's was vazähl'n von Eahnara Hausordnung, aba net an königlich'n Sekretär, der wo seiner Lebtag g'wißt hat, was si g'hört ...«
»Ja, Michael!« rief es ungeduldig von drinnen.
»Gleich!« erwiderte der Engel und schob mit einer im Himmel sonst nicht üblichen Energie den streitsüchtigen Sekretär in das Paradies hinein.
Jeder andere wäre geblendet gewesen von dem schier undenkbaren Glanze, der hier strahlend ausgebreitet war, und jeder andere hätte verzückt dem unbeschreiblichen Wohllaute der in der Ferne singenden und musizierenden Engel gelauscht.
Allein Angermayer hatte sich schon von allem Anfang vorgenommen, hier nichts so übermäßig schön zu finden, und dann war er von Natur nicht überschwenglich, und dann war er noch verbittert durch seinen Streit mit dem Erzengel.
Also blickte er mürrisch darein und schnitt ein Gesicht, das deutlich fragte:
»Is dös all's?«
Vor ihm saß inmitten von schön gelockten Engeln ein unglaublich gütig lächelnder Greis, der eine dunkelblaue Toga trug, in welche goldene Schlüssel eingestickt waren.
Es war der heilige Petrus, der unserm Angermayer nunmehr freundlich zunickte und sagte: »Da bist Du ja, mein Sohn! Sei willkommen in unserem Reiche!«
»Was sagst Du?« fügte er bei, da der Sekretär etwas vor sich hinmurmelte.
»Mi hätt'ns scho no a Zeitlang drunt lass'n kinna. Es hätt ma gar net pressiert,« wiederholte dieser, und seine griesgrämige Miene wollte sich nicht aufhellen.
»Aber Martin!« rief der Apostel, »Du bist der erste, der an dieser Stelle nicht vor Freude jauchzt.«
»Mit'n Jauchz'n hab' i's überhaupts net, und i waar froh, wenn i drunt mein Grüabig'n hätt'.«
Petrus wandte sich lächelnd an die Engel, die neben ihm saßen.
»Seht da, ein Münchner, der sich erst an den Himmel gewöhnen muß!«
Und ernster sagte er zu Angermayer: »Nun geh' und freue Dich und bedenke, daß manches in Deinem armseligen Leben Strafe verdient hätte. Aber es ist Dir Mitleid erwiesen worden.«
Der Sekretär merkte am Tone, daß der Heilige als Vorgesetzter gesprochen hatte, und er schwieg.
Ein lebhafter Jüngling mit hüpfendem Gange, der genau so aussah wie einer aus der Schwabinger Stefan-George-Gemeinde, faßte ihn bei der Hand, indem er in singendem Tone sprach:
»Komm, seltsamer Geist, ich will Dich führen.«
In dem Postsekretär regte sich wohl sogleich die grimmige Abneigung gegen die Art seines Begleiters, aber er war zu niedergedrückt, um die rechten Worte zu finden, und er schritt griesgrämig und schweigsam neben dem Engel einher.
Der wurde nun gesprächig und erklärte dem Neuling die Grundidee des paradiesischen Lebens.
»Du mußt wissen,« sagte er, »daß hier alles auf unendliche Fröhlichkeit gestimmt ist. In den obersten Regionen, wohin wir ja nicht gelangen, befinden sich die erhabenen Geister, welche in fortlaufenden Gesprächen ihrer unbeschreiblichen Freude Ausdruck verleihen. Die Heiligen befinden sich in Verzückung, die Engel musizieren, und Du hörst ja die erhabenen Klänge des Konzertes, wir andern aber, zu denen Du nun auch gehörst, bilden die Heerschar der Seligen, und wir haben die Aufgabe, nach unsern bescheidenen Kräften den Eindruck des höchsten Glückes hervorzubringen.
Zu diesem Zwecke erhält jeder eine Harfe.
Ich führe Dich jetzt zu unserm Obersten, dem Engel Asrael, welcher sie Dir verabreichen wird.«
»Was tua denn i mit a Harpfen?« unterbrach ihn Angermayer sehr unwirsch.
»Du mußt frohlocken,« sagte sein Begleiter.
»M-hm, ja! Is scho recht! Weil i gar so guat aufg'legt bi, und überhaupts — i ko gar net Harf'n spiel'n — —«
»Du mußt nur in die Saiten greifen — siehst Du, so ...«
Der lebhafte Jüngling nahm sein Instrument, das an einem rosaroten Bande über seine Schulter hing, und klimperte ein wenig.
Dabei hüpfte er im Takte abwechselnd einige Male auf dem rechten und linken Fuße nach vorne und sang mit näselnder Stimme: »Ha — a — lä — ä — lu — u — jah ... Ha lalala — ha lälälä — u — u — ha — ha!...«
Er hielt inne und blickte den Sekretär lächelnd an.
Der machte ein Gesicht, als wenn er saures Bier getrunken hätte.
»Wia hoaßt ma dös?«
»Das ist das Frohlocken der Heerscharen,« antwortete der Jüngling.
»Und Sie glaub'n,«