Die wichtigsten Werke von Oscar Wilde. Оскар Уайльд

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Die wichtigsten Werke von Oscar Wilde - Оскар Уайльд

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malerischer ist ihr Aussehen. Die bloße Tatsache, eine Sammlung mittelmäßiger Sonette veröffentlicht zu haben, macht solchen Menschen einfach unwiderstehlich. Er lebt die Poesie, die er nicht schreiben kann. Die anderen schreiben die Poesie, die sie nicht zu leben wagen.«

      »Ich möchte wissen, ob das wirklich so ist, Harry«, sagte Dorian Gray, der inzwischen aus einem großen goldgefaßten Flakon auf dem Tische etwas Parfüm auf sein Taschentuch gegossen hatte. »Es wird wohl sein, wenn du es sagst. Jetzt aber muß ich fort. Imogen wartet auf mich. Vergiß nicht, morgen! Adieu!«

      Als er das Zimmer verlassen hatte, schloß Lord Henry die schweren Lider und begann nachzudenken. Gewiß hatten ihn wenige Menschen bisher so interessiert wie Dorian Gray, und doch verursachte ihm die wahnsinnige Leidenschaft des Jünglings für eine andere Person nicht im entferntesten Ärger oder Eifersucht. Es freute ihn. Dorian wurde dadurch nur noch interessanter. Die Methoden der Naturwissenschaft hatten ihn immer entzückt, aber der gewöhnliche Gegenstand dieser Wissenschaft war ihm kleinlich und belanglos erschienen, und so hatte er begonnen, sich selbst zu vivisezieren und hatte damit geendet, andere zu vivisezieren. Das Menschenleben – das schien ihm der einzige einer Untersuchung weite Gegenstand. Verglichen damit war alles andere ohne jegliche Bedeutung. Freilich, wenn man das Leben in dem seltsamen Schmelztiegel des Schmerzes und der Lust beobachtete, konnte man keine Glasmaske über dem Gesicht tragen, konnte auch nicht die Schwefeldämpfe abhalten, die einem das Gehirn verwirrten und die Phantasie mit monströsen Ausgeburten und mißratenen Träumen umwirbelten. Es gab so seine Gifte, daß man an ihnen erkrankt sein mußte, um ihre Eigenheiten zu kennen. Es gab so seltsame Krankheiten, daß man sie durchgemacht haben mußte, um ihre Art zu begreifen. Und doch, welchen Lohn empfing man dafür! Wie wunderbar wandelt sich einem dann die ganze Welt! Die merkwürdig strenge Logik der Leidenschaft und das buntgefärbte Trieb- und Gefühlsleben des Geistes anzumerken – zu beobachten, wo sich die beiden Linien schneiden und wo sie auseinandergehen, in welchem Punkte sie in Eintracht leben und in welchem sie sich wieder bekriegen – das ist ein Genuß! Was liegt an dem Preise dafür! Man kann nie einen zu hohen Preis für ein Sinnenerlebnis geben.

      Er war sich bewußt – und dieser Gedanke brachte einen freudigen Glanz in seine achatbraunen Augen – daß sich durch gewisse Worte, die er gesprochen hatte, musikalische Worte in melodischem Tonfall, Dorian Grays Seele diesem weißen Mädchen zugewendet und sich in Verehrung vor ihr gebeugt hatte. In hohem Maße war der Jüngling sein Geschöpf. Er hatte ihn vor der Zeit reifen lassen. Das war schon was. Die gewöhnlichen Menschen warten, bis ihnen das Leben seine Geheimnisse aufschließt, aber den wenigen Auserwählten werden die Mysterien des Daseins enthüllt, bevor der Schleier weggezogen wird. Manchmal ist das die Wirkung der Kunst, besonders der Dichtung, die ja unmittelbar die Leidenschaften und den Intellekt behandelt. Ab und zu nimmt aber eine komplizierte Persönlichkeit diesen Platz ein und übt das Amt der Kunst aus, ist eigentlich auf ihre Weise ein richtiges Kunstwerk, denn das Leben schafft ebenso seine vollendeten Meisterwerke wie die Poesie oder die Bildhauerkunst oder die Malerei.

      Ja, dieser Jüngling war vor der Zeit reich. Er erntete, während es noch Lenz war. Der Puls und die Leidenschaft der Jugend wohnten in ihm, und er begann, seiner bewußt zu werden. Es war entzückend, ihn zu beobachten. Mit seinem schönen Angesicht und seiner schönen Seele war er ein Stück Leben zum Anstaunen. Es lag nichts daran, wie das alles endete, oder enden sollte. Er glich einer der graziösen Gestalten auf einem Gobelin oder in einem Schauspiel, deren Freuden von den unseren weit entfernt zu sein scheinen, aber deren Schmerzen unseren Schönheitssinn erregen und deren Wunden wie rote Rosen sind.

      Seele und Leib, Leib und Seele – wie geheimnisvoll das alles ist! Animalisches ist in der Seele, und der Leib hat seine Augenblicke geistiger Veredlung. Die Sinne können sich läutern, und der Intellekt kann sich vergröbern. Wer kann sagen, wo die fleischlichen Triebe endigen und die seelischen beginnen? Wie flach sind die willkürlichen Erklärungen der handwerksmäßigen Psychologen! Und doch, wie schwierig ist die Entscheidung zwischen den Lehren der einzelnen Schulen. Ist die Seele ein Schatten, der im Hause der Sünde wohnt? Oder ist der Körper wirklich in der Seele eingeschlossen, wie es sich Giordano Bruno dachte? Die Trennung von Geist und Stoff ist ein Geheimnis, und die Vereinigung von Geist und Stoff ist abermals ein Geheimnis.

      Er dachte darüber nach, ob wir je die Psychologie zu einer so exakten Wissenschaft machen können, daß uns auch das kleinste Triebrädchen des Lebens offenbar würde. Wie die Dinge heute liegen, begreifen wir uns selbst nie und die anderen nur selten. Die Erfahrung hat keinerlei ethische Bedeutung. Sie ist nur das Firmenschild, das die Menschen ihren Irrtümern anhängen. Die Moralisten haben sie meist als eine Art Warnung betrachtet, haben für sie eine gewisse ethische Wirksamkeit in der Bildung der Charaktere beansprucht, haben sie als Mittel gepriesen, das uns darüber aufklärt, was wir tun und lassen sollen. Aber in der Erfahrung liegt keine bewegende Kraft. Sie ist ebensowenig eine tätige Ursache wie das Gewissen. Alles, was sie in Wirklichkeit lehrt, ist, daß unsere Zukunft ebenso sein wird wie unsere Vergangenheit, und daß wir die Sünde, die wir dereinst mit Abscheu und Widerwillen begangen haben, immer und immer wieder und dann mit Genuß wiederholen werden.

      Er war sich darüber klar, daß die Versuchsmethode die einzige sei, durch die man zu irgendeiner wissenschaftlichen Erklärung der Leidenschaften kommen könne; und sicher war ihm Dorian Gray ein bequemes Objekt und schien reiche und wertvolle Erfolge zu versprechen. Seine jähe sturmartige Liebe zu Sibyl Vane war eine psychologische Tatsache von großem Interesse. Kein Zweifel, daß die Neugier dabei stark im Spiele war, Neugier und Lust an neuen Erlebnissen; doch es war keine einfache, sondern eher eine recht komplizierte Leidenschaft. Was von dem rein sinnlichen Triebe des Knabenalters in ihr war, das hatte die Mitarbeit der Phantasie umgebildet, in irgendwas verwandelt, das dem Jüngling selbst ganz fern von allem Sinnlichen schien und gerade deshalb um so gefährlicher war. Alle Leidenschaften, über deren Ursprung wir uns selbst täuschen, üben die stärkste Herrschaft auf uns aus. Unsere schwächsten Triebkräfte sind die, über deren Natur wir klar sehen. Es kommt oft vor, daß wir im Denken mit uns selbst Experimente anstellen und glauben, sie mit anderen zu versuchen.

      Während Lord Henry noch dasaß und über diese Dinge nachgrübelte, wurde an die Tür geklopft; ein Diener trat ein und erinnerte ihn, daß es Zeit sei, sich für das Abendessen umzukleiden. Er erhob sich und blickte auf die Straße hinab. Der Sonnenuntergang hatte die oberen Fenster der gegenüberliegenden Häuser in ein feuerrotes Gold getaucht. Die Scheiben glühten wie erhitzte Metallplatten. Der Himmel drüber glich einer verwelkten Rose. Es erinnerte ihn an das junge, flammenlodernde Leben seines Freundes, und er fragte sich, wie das alles enden würde.

      Als er dann gegen halb ein Uhr nachts nach Hause kam, fand er im Vorflur auf dem Tische ein Telegramm liegen. Er öffnete es und sah, daß es von Dorian Gray war. Er teilte ihm mit, daß er sich mit Sibyl Vane verlobt habe.

       Inhaltsverzeichnis

      »Mutter, Mutter, ich bin so glücklich!« flüsterte das Mädchen und barg ihr Gesicht im Schoße der verblühten, müde aussehenden Frau, die mit dem Rücken gegen das grell eindringende Licht in dem einzigen Armstuhl saß, den ihr armseliges Wohnzimmer enthielt. »Ich bin so glücklich!« wiederholte sie, »und du wirst auch glücklich sein.«

      Frau Vane zuckte zusammen und legte ihre dünnen, wismutweißen Hände auf den Kopf ihrer Tochter. »Glücklich!« echote sie, »ich bin nur glücklich, Sibyl, wenn ich dich spielen sehe. Du darfst an nichts anderes denken als an deine Rollen. Herr Isaacs ist sehr gut gegen uns gewesen, und wir sind ihm Geld schuldig.«

      Das Mädchen sah auf und ließ die Lippen hängen. »Geld, Mutter?« rief sie, »was liegt an Geld? Liebe ist mehr als Geld!«

      »Herr Isaacs hat uns tausend Mark Vorschuß gegeben, damit wir unsere Schulden zahlen und für James eine anständige Ausrüstung anschaffen können. Das darfst

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