Die bekanntesten Werke von Jack London. Джек Лондон
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die bekanntesten Werke von Jack London - Джек Лондон страница 49
5. Kapitel. Der schlafende Wolf
Um diese Zeit waren die Zeitungen voll von den Taten eines Sträflings, der tollkühn aus dem Gefängnis von San Quentin entsprungen war. Derselbe war ein wilder, mordlustiger Gesell, dem schon die Natur schlimme Gaben verliehen, und den die Hand der Umstände nicht besser gemacht hatte. So war er zur menschlichen Bestie geworden, furchtbar wie ein gewaltiges Raubtier.
Die Gefängnisstrafe hatte Jim Hall nicht bessern können; Zwangsjacke, Hunger und Prügel, das war nicht die richtige Behandlung für ihn gewesen. So übel war er von jeher behandelt worden, als er noch ein kleines Bübchen in einem der Winkelgäßchen von San Franzisko gewesen war, wo er weicher Ton war, aus dem man alles Mögliche hätte formen können. Im dritten Jahre seiner Haft war in dem Gefängnis ein Wärter, der fast ebenso schlimm, wie Jim Hall selber, war. Dieser verleumdete und verfolgte ihn. Allein der trug ein Bund Schlüssel und hatte einen Revolver, und Jim Hall hatte nichts als seine nackten Hände und die Zähne, und so geschah es, daß er eines Tages über den Wärter herfiel und ihn wie ein wildes Tier bearbeitete.
Darauf sperrte man Jim Hall in die Zelle der unverbesserlichen Verbrecher ein. Dort blieb er drei Jahre. Diese Zelle war ganz aus Eisen, die Wände, die Decke und der Fußboden. Nie verließ er dieselbe, nie sah er Himmel und Sonnenschein, lebendig war er in der eisernen Gruft begraben. Kein menschliches Antlitz sah er, mit keinem menschlichen Wesen sprach er; sein Essen wurde ihm hineingeschoben. Manchmal brüllte und schrie er ganze Tage und Nächte lang in seiner Wut gegen die Welt und die Menschen, manchmal verharrte er ganze Wochen und Monate in starrem Schweigen, und in einer Nacht war er entflohen. Man hatte behauptet, daß das eine Unmöglichkeit sei, dennoch war die Zelle leer, nur der Leichnam eines Gefangenenwärters lag darin, und noch zwei Leichen bezeichneten den Weg, den er bis zur Außenmauer eingeschlagen hatte. Die Waffen der Erschlagenen hatte er an sich genommen und war in die Berge entflohen.
Ein hoher Preis wurde auf seinen Kopf gesetzt, und habsüchtige Farmer verfolgten ihn mit Flinten, um mit dem Blutgeld eine Hypothek zu tilgen oder einen Sohn zur Universität zu schicken. Ebenso ergriffen patriotische Bürger die Büchsen, um den bestellten Wächtern des Gesetzes zu helfen, die mit Telephon, Telegraph und Extrazug ihn Tag und Nacht verfolgten.
Manchmal traf man auf ihn, und dann gab es einen verzweifelten Kampf, dessen Bericht die ruhigen Bürger am Morgen darauf beim Frühstück lasen. Die Toten und Verwundeten wurden in die nächste Stadt geschafft, und ihre Stelle durch frische Leute besetzt. Plötzlich verschwand Jim Hall; man hatte seine Spur verloren. In entlegenen Tälern hatten harmlose Viehzüchter sich über ihre Identität auszuweisen, und einigemale wurden Jim Halls sterbliche Reste in den Bergen von Leuten entdeckt, die das Blutgeld einziehen wollten.
Unterdessen las man in Sierra Vista die Zeitungen weniger aus Neugier als aus Angst. Besonders die Frauen taten das. Richter Scott lachte sie aus und nahm die Sache leicht, hatte aber wenig Grund dazu, denn Jim Hall war im letzten Jahr seines Richteramtes verurteilt worden, und im offenen Gerichtshof hatte derselbe vor den Versammelten laut geschworen, daß er sich an dem Richter, der ihn verurteilt hatte, rächen wolle.
Von alledem wußte Wolfsblut nichts. Allein zwischen ihm und Alice, der Gattin des Herrn, schwebte ein Geheimnis. In der Nacht, wenn jedermann in Sierra Vista zu Bett gegangen war, stand sie auf und ließ Wolfsblut ins Haus ein. Da er aber kein Haushund war und nicht im Flur schlafen durfte, so schlüpfte sie an jedem Morgen früh hinab und ließ ihn hinaus, ehe die Familie auf war.
In einer Nacht, als das ganze Haus schlief, erwachte Wolfsblut, lag aber ganz still. Er sog still die Luft ein, die ihm Kunde von der Gegenwart eines Fremden brachte. Auch schlugen an sein Ohr Laute, welche die Gegenwart eines solchen verrieten. Er bellte nicht, das war nicht seine Manier, und wenn der Fremde leise schlich, so war er noch leiser, denn er hatte keine raschelnden Kleider an. Lautlos folgte er jenem, denn in der Wildnis hatte er unsäglich scheues Wild gejagt, und er kannte die Vorteile eines Überfalles. Der Fremde blieb am Fuß der großen Treppe stehen und lauschte; als er wartend dastand, und ebenso still und regungslos stand Wolfsblut und wartete auch. Die Treppe hinauf ging es zu dem Gebieter und zu denen, die ihm das Liebste auf der Welt waren. Wolfsbluts Haar sträubte sich, als er so wartete. Da hob der Fremde den Fuß empor und setzte ihn auf die erste Stufe. Auch Wolfsblut sprang in die Höhe. Ohne einen warnenden Laut, ohne Knurren, schoß er hoch durch die Luft auf die Schultern des Fremden herab und senkte die Zähne in den Nacken desselben. Es dauerte nur einen Augenblick, dann hatte er den Mann nach hintenüber zu Boden gerissen, und zurückspringend griff er ihn sogleich, als jener sich aufgerafft hatte, wiederum an.
Ganz Sierra Vista erwachte über den Lärm. Es erhob sich unten ein Getöse, als ob eine Schar Dämonen miteinander kämpfte, und dazwischen ertönten die Schüsse eines Revolvers und die Stimme eines Menschen, der in Todesnöten schrie, begleitet von einem lauten, ununterbrochenen Knurren und Grollen, das sich in das Geklirr und Geknatter zerschmetterter Möbel und zerbrochenen Glases mischte.
Allein fast ebenso schnell wie der Lärm entstanden war, erstarb er auch, denn der Kampf hatte nicht länger als drei Minuten gedauert. Die erschrockene Familie versammelte sich oben an der Treppe. Von unten wie aus einem Abgrund kam ein gurgelnder Laut herauf, als ob Luftblasen im Wasser emporstiegen. Dann verwandelte sich der Ton in zischendes Pfeifen; auch dieses ward immer leiser und hörte bald auf. Darauf ertönte nichts mehr in der Finsternis, als ein schweres Keuchen, wie wenn ein Erstickender nach Luft ränge.
Weedon Scott drückte den Knopf der elektrischen Leitung, und Treppe und Hausflur lagen im Nu im hellen Lichte da. Dann stieg er mit dem Richter vorsichtig und mit dem Revolver in der Hand die Treppe hinunter. Allein diese Vorsicht war nicht nötig, Wolfsblut hatte seine Arbeit getan. Denn unter den umgeworfenen Möbeln lag auf der Seite und das Gesicht unter dem einen Arm verborgen ein Mensch. Weedon Scott beugte sich über ihn, schob den Arm zurück und drehte das Gesicht des Mannes aufwärts. Eine klaffende Wunde am Halse zeigte, wie er den Tod gefunden hatte.
»Jim Hall,« sagte Richter Scott, und Vater und Sohn blickten sich bedeutsam an.
Dann wandten sie sich zu Wolfsblut. Auch er lag auf der Seite, und seine Augen waren geschlossen, aber er erhob die Lider ein wenig, als die beiden Männer sich über ihn beugten, und sein Schwanz bewegte sich zu einem Wedeln. Weedon Scott streichelte ihn, und aus Wolfsbluts Halse stieg als Antwort ein Grollen empor, doch leise nur und schwach, und schnell erstarb es. Dann senkten sich die Augenlider und schlossen sich wieder, und der Körper streckte sich steif auf dem Boden aus.
»Es ist aus mit ihm, dem armen Teufel!« murmelte sein Herr.
»Das wollen wir doch sehen,« entgegnete der Richter und ging ans Telephon.
Der Doktor kam und arbeitete anderthalb Stunden an Wolfsblut herum.
»Wenn er durchkommt, so ist es ein Wunder,« sagte er. »Unter Tausenden käme unter den Umständen kaum einer mit dem Leben davon.«
Die Dämmerung schaute unterdessen durchs Fenster, und das elektrische Licht erschien dadurch trübe. Mit Ausnahme der Kinder war die ganze Familie um den Doktor versammelt, um den Ausspruch desselben