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war, dem jungen Grafen angetraut wurde, der sie gleich Anfangs nicht haben wollte und nur dem Befehl seines Vaters, des Königs, Folge leistete. Wir würden auf sie zurückkommen, wenn es uns erlaubt wäre, in unserer kleinen Gemäldesammlung auch das Bild des Grafen von Sachsen zu betrachten.

      Was ihre quedlinburger Angelegenheiten betraf, so gelangte Aurora trotz ihrer Klugheit und ihrer zur rechten Zeit angewandten Schmeichelkünste nicht zum gewünschten Ziel; sie wurde nicht Aebtissin und somit nicht wirkliche Reichsfürstin, welcher Titel mit dieser Stelle von selbst verknüpft war. Als die Prinzessin von Sachsen-Weimar starb, wählte man nach langem Zögern eine Prinzessin von Holstein-Gottorp. Aurora hatte es gleich Anfangs darin versehen, daß sie wenig Lust bezeigte, wie ihre alte Freundin, die Prinzessin von Sachsen-Weimar, es verlangte, im Stift zu wohnen und ein stilles, erbauliches Leben zu führen. Sie war fortwährend auf Reisen, und wenn sie zufällig einmal im Stifte ihre Wohnung aufschlug, so zog sie durch ihre Anwesenheit einen Schwarm Weltleute in die stille Behausung, womit den frommen Damen ebenfalls nichts gedient war. Der neue Schutzherr, der König von Preußen, schrieb ihr öfters: »Madame, begeben Sie sich wieder auf Ihren Posten, reisen Sie in Ihr Stift zurück. Ich höre, daß dort vielfältige Zänkereien ausgebrochen sind, bringen Sie durch Ihr Ansehen die Parteien zur Ruhe!« Aber solchen Aufforderungen leistete Aurora nie Folge; sie kam, wenn es ihr beliebte und sie sonst nirgends anderswo die Zeit angenehmer zuzubringen wußte, in's Stift zurück. Die alten Damen waren außer sich und thaten ein Gelübde, eine so ausgelassene Weltdame um keinen Preis zur Oberin zu wählen. Besonders zeichnen sich in dieser Opposition die von uns bereits erwähnten zwei Gräfinnen Schwarzburg aus, die einen eigenen Geschäftsträger am wiener Hofe besoldeten, um die Bemühungen Aurora's zu hintertreiben. Aurora blieb also bis an ihr Lebensende Pröbstin.

      Um die Heiterkeit ihres Geistes, den anmuthigen Scherz, womit sie die Langeweile der Höfe verscheuchte und sich zur Königin der geselligen Kreise machte, zu bezeichnen, mögen hier ein paar Briefe eingeschaltet werden, die sie im Sommer 1698 aus Toplitz schrieb. Die Originale sind französisch. – »Meine Damen, am ersten Tage nach unserer Ankunft die Badeberichte zu beginnen, werden Sie sicherlich für zu zeitig halten; da wir aber bereits gerne wieder nach Hause gingen, sind sie es in der That nicht. Und es sind uns schon merkwürdige Dinge begegnet, die sich zur Mittheilung eignen. Große Berge zu erklettern ist keine leichte Sache. Als wir am Rande der Abgründe anlangten, sahen wir mit unbeschreiblichem Entsetzen, wohin wir gelangt waren. Die Furchtsamen unter uns drängten zur Umkehr, allein wir Anderen fanden, dem Himmel sei Dank! noch so viel Muth in unseren Herzen, daß wir diesem Rathe nicht folgten und uns in Lehnstühle setzten, um uns in die Tiefe hinabtragen zu lassen. Wir riefen die Dämonen des Gebirges an. Ich dachte einen Moment daran, ob das Schicksal wol beabsichtige, mir hier den Hals zu brechen, gleich darauf fielen mir bei dem ruckweisen Schwanken des Tragsessels die Verse der Frau von Houliére ein – ab hic et hoc! und ich mußte lachen. Als ich meine Blicke in die Höhe richtete, sah ich am äußersten Gipfel des Gebirges eine Burg hängen, die aussah, als wollte sie jeden Augenblick auf mein Haupt niederstürzen. Meine Führer versicherten mich, es sei dies eine Zauberburg, und ein gewisser König Marcus habe sie in grauer Vorzeit erbaut. Nie hatte ich noch von einem König Marcus gehört, ich suchte bei meinen Trägern Belehrung, und diese erwiederten mir, König Marcus sei ein König von Schweden gewesen. Nun hatte ich's. Es war der weise und erhabene Monarch, von dem ich abzustammen die Ehre habe. Sogleich war ich entschlossen, mein Geheimniß nicht zu verrathen, denn, sagte ich bei mir selbst, erfahren diese guten Leute, daß du die Enkelin dieses verwünschten Königs bist, der ein so arger Zauberer war, so sind sie im Stande und werfen dich ohne weitern Prozeß sogleich in den Abgrund. Nein, trotz der Ehre, von einem Könige abzustammen, will ich doch hier lieber die Sicherheit meines Halses wahren. – Kaum waren wir einige Schritte weiter, so erschien diesmal ein wahrhafter Zauberer, nämlich der Mai, der seine größten Schönheiten in dieses einsame Gebirge verstreuete. Wohin geht dein Lauf, schöner Gott? rief ich ihm zu. Warte einen Augenblick und sage mir, ob ich in Töplitz gute Gesellschaft finden werde. Der junge Gott trocknete sich die erhitzte Stirn und erwiederte keuchend: »Nein, Madame, Sie kommen zu früh und finden dort noch Niemand!« – Ach, er hatte wahr gesprochen! Wir sitzen hier in der drückendsten Einsamkeit. Ich sehe in der That Niemand, wenn ich einige Kranke ausnehme, die im Schlafrock und in Pantoffeln an unseren Fenstern vorüberpilgern.«

      Ein zweiter Brief lautet: »Meine Damen, Ihre geistvollen Antworten machen mich fürchten, daß ich nur schlecht dazu tauge, mit Ihnen in Verkehr zu stehen; ich müßte denn den Herrn von Seiverditz bitten, mir einen Pegasus zu borgen, um einige Cavalcaden vor Ihnen auszuführen. Wenn jedoch die geringfügigen Details unserer hiesigen Abenteuer Sie interessiren, so will ich nicht zögern, sie Ihnen zu berichten. Die Gesellschaft vermehrt sich merklich; einige Grafen aus Prag, deren Ankunft vom Thurme herab durch die Trompete verkündet wurde, langten in diesen Tagen an. Sie errathen, wie unsere Koketten sich sogleich in Angriffszustand versetzten. Wir haben mehre Partien unternommen, die immer mit Regen endeten; dann wurden Gastmahle gegeben, bei denen man einschlief. Doch sind das Alles keine Mittel, Lähmungen zu heilen. Neulich veranstalteten unsere Damen ein Bad, in das wir mit Blumen geschmückt, wie Nymphen der Diana, gingen. Diana wurde durch das Loos gewählt; Frau von Reisewitz wurde es. Ueber dem Badebassin war ein Zelt ausgespannt, und wir gingen Alle paarweise in's Bad. Kaum vertrauten die Schönen, welche ihre Reize nur von dünnen Schleiern verhüllen ließen, sich dem kühlen Elemente an, als man im Hintergrunde des Bades eine fremde Nymphe bemerkte, die ein blödes und dummes Ansehen hatte und sich furchtsam in den Schatten drückte. Mit Schrecken gewahrten wir, daß diese alte Nymphe einen Bart hatte, und als Diana Lärm schlug, sprang jene heraus und wir erkannten den alten Grafen Trautmannsdorf, der sich diesen Spas erlaubt hatte, um recht viele Schönheiten im Bade zu sehen und nebenbei Frau von Reisewitz einen tödtlichen Schreck einzujagen. Gleich darauf zeigte sich der Graf Isterle als Aktäon in einem Schlafrocke, mit Stiefeln und einer Bärenfellmütze. Wir spritzten ihm Wasser an den Kopf und sogleich wurde ein hohes Hirschgeweih sichtbar. Unsere alte Nymphe sprang aus dem Wasser und setzte Aktäon nach, und bei der Gelegenheit konnten wir sehen, daß der gute Graf Trautmannsdorf, obgleich er sechszig Jahre alt ist und durch die Gicht krumm und lahm, dennoch sich wacker zu tummeln wußte. Er gab dem Aktäon einen tüchtigen Schlag auf's Haupt, den dieser jedoch sehr geschickt mit seinem Geweih auffing. »Glück auf zu deinen Hörnern!« rief Graf Tautmannsdorf und setzte gleich darauf hinzu: »Geh zu allen Teufeln nach Polen, du alter gehörnter Windbeutel!« Während dieses Streites gewann Diana mit ihren Nymphen den Ausgang, doch wurden sie von einem neuen Ruhestörer, dem jungen Grafen Zwirbi, erschreckt, der sich ihnen in den Weg stellte und tausend Possen trieb. Bei der Gelegenheit sang man ein deutsches Lied, dessen Anfang lautet: »Geduld, mein lieber Florian! Sieht doch die Katz den Kaiser an« u. s. w. Ich schließe meinen Bericht mit der Bitte, ihn nicht für eine Fabel zu halten und Glauben zu schenken Ihren – gehorsamsten und treuesten Nymphen.«

      Von Aurora's französischen Versen theilen wir dem Leser keine mit, weil sie in der Thal nicht geeignet sind, ihren Ruhm zu vermehren. Es ist jene incorrecte französische Prosa, metrisch gegliedert, die man damals allgemein Poesie nannte. In dieser Weise konnte gewiß jede gebildete Dame dichten. Aurora verfaßte auch eine Grabschrift auf ihre Mutter, aber auch von dieser müssen wir leider sagen, daß sie nichtssagend und frostig ist; das schon erwähnte Epigramm auf Karl XII. ist das beste ihrer Gedichte, weil darin persönlicher Unwille den Kern hergibt. Sie war eine Frau der That, des raschen gesprochenen Wortes, nicht der Reflexion, der in der Stille gekünstelten Empfindung.

      Unzählig sind die Gedichte, die auf sie von den Zeitgenossen und auch später gemacht worden; wir haben jedoch unter allen, die uns zu Gesicht gekommen, kein einziges werthvolles finden können. Am zierlichsten sind die Verse, die sich einst, von unbekannter Hand geschrieben, auf einem Blättchen Papier unter ihrem Bilde in der Moritzburg fanden. Ein bis zum Possenhaften philisteriöser Autor, Namens Paullin, hat in seinem Werke »Hoch- und Wohlgelahrtes deutsches Frauenzimmer, Frankfurt und Leipzig 1722« Gedichte von Auroren mitgetheilt, selbst geistliche, und dann einige aus dem Lateinischen übersetzte. In allen diesen Dingen besteht aber durchaus nicht der Werth und der Glanz unserer Heldin. Als Beweis, wie wenig sie von ihrer eigenen Poesie erwärmt wurde, dienen die ganz heterogenen Bemerkungen, die auf denselben Papierschnitzeln neben den Versen stehen, besonders

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