Jeremias: Eine dramatische Dichtung in neun Bildern. Стефан Цвейг

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Jeremias: Eine dramatische Dichtung in neun Bildern - Стефан Цвейг

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ich warf mich zur Erde und tränkte sie mit meinen Tränen und gelobete: so ein Sohn mir geschenkt sei, ihn zu weihen dem Herrn. Ich gelobete zu schweigen und kein Wort zu tun vom Munde in meiner schweren Zeit, daß ihm dereinst der Rede Fülle sei, zu lobpreisen den Gott.

      JEREMIAS:

      Mich gelobet ... Mutter!... auch du ... auch du ...

      DIE MUTTER:

      Selbigen Tages erkannte dein Vater mich, und ich ward dein gesegnet. Jeremias, höre, Jeremias, neun Monde begrub ich getreu die Stimme in meinem Leibe, daß dir alle Fülle des Wortes sei, daß du Lobkünder werdest des ewigen Gottes! So lösete ich mein Wort, und wir zogen dich auf, daß du lerntest die Schrift, und lieblich klang deine Stimme zum Psalter. Jeremias, nun weißt du: zum Priester bist du geweiht von Anbeginn und zum Lobkünder des Herrn. Zerreiß deiner Träume Netz und tritt in den Tag.

      JEREMIAS:

      Oh, zwiefach Gelöbnis, Mutter, oh, zwiefach Zeugnis dieser Nacht. Zum andern Male hast du mich erwecket dem Leben, ein Wissender bin ich worden an deinem Wort, denn wundersam: ich schrie auf meine Frage zu Gott, und er entsandte dich mir zur Rede! Oh Geheimnis dieses Wegs, oh Stachel der Träume, der mich aufstieß, oh Lockung der Bilder, die mich weckten, oh trefflicher Jäger, der nicht fehlet! Nun weiß ich, wer geschlagen an meines Schlafes Wand, bis ich aufstund von meines Lebens Schlummer, nun weiß ich, wer drängete meine Säumnis, nun weiß ich, wer mich gefordert ...

      DIE MUTTER:

      Was ward dir! Wie eines Trunkenen gehet deine Rede ...

      JEREMIAS:

      Ja, trunken bin ich nun der Gewißheit seines Willens und so voll der Rede, daß mich der Odem in meinem Innern ängstet. Die Siegel sind gebrochen meines Mundes, und mir brennet die Lippe der Verkündung ...

      DIE MUTTER:

      Wehe, wenn du sie kündest deine Träume, die verruchten! Mein Sohn bist du nicht, schreist du aus solchen Wahn!

      JEREMIAS:

      Dein Sohn, Mutter? Oh, wie sehr bin ich dein Sohn, wie dir gleich im Geschehen! Wisse, auch ich bin ein Unfruchtbarer gewesen, und Er hat mir ein Wort gezeuget und ein Geheimnis. Erneut habe ich, Mutter, dein Wort, auch ich habe mich ihm gelobet ...

      DIE MUTTER:

      So tritt hin in sein Haus, daß du ihm opferst, der dich erweckte, daß du lobpreisest seinen Namen!

      JEREMIAS:

      Nein, Mutter, nicht Opferers Dienst hab ich genommen – selbst will ich das Opfer sein. Ihm bluten entgegen meine Adern, ihm brennet mein Fleisch, ihm flammet meine Seele. Ich will ihm dienen, wie keiner gedient, seine Wege sind meine Wege nunab. Oh, siehe, schon morgents im Tale, und auch in mir war es Tag aus den Dunkelheiten! Sein Himmel brennet in Feuer, und auch mir entbrannte das Herz. Oh, Wagen Elias, auffahrend im Feuer, reiß mit meine Rede, daß sie niederstürze wie Donner in der Menschen Tag! Wehe, mir brennet die Lippe schon, fort, ich muß fort ...

      DIE MUTTER:

      Wohin willst du vor Tag?

      JEREMIAS:

      Ich weiß nicht, Gott weiß es.

      DIE MUTTER:

      Doch sage, was planest du?

      JEREMIAS:

      Ich weiß nicht, ich weiß nicht! Sein ist mein Herz, sein ist die Tat!

      DIE MUTTER:

      Jeremias, ich lasse dich nicht, du schwörest mir denn, daß du verschweigst deine Träume ...

      JEREMIAS:

      Ich schwöre nicht! Ihm allein bin ich verschworen!

      DIE MUTTER:

      ... daß du nicht kündest Schrecknis vor dem Volke.

      JEREMIAS:

      Sein ist die Verkündung, mein nur die Lippe!

      DIE MUTTER:

      Wehe, du fliehest mein Wort! So höre und wisse: wer ausgehet Zweifel zu säen in Israel, geht nicht mehr ein in mein Haus.

      JEREMIAS:

      Sein ist mein Wort, sein meine Hausung.

      DIE MUTTER:

      Wer nicht glaubet an Zion, ist nicht mehr mein Sohn!

      JEREMIAS:

      Sein bin ich allein, der mich eintat deinem Leibe.

      DIE MUTTER:

      So weichest du? Aber höre vordem noch, Jeremias, höre, eh du auftust die Lippe vor dem Volke: Ich fluche aus meiner Seele Kraft dem, der Schrecknis wirft über Israel, ich fluche ...

      JEREMIAS (schauernd):

      Nicht fluche, Mutter, nicht fluche!

      DIE MUTTER:

      Ich fluche dem, der Sturz sagt den Mauern und Wüstung den Gassen, ich fluche dem, der Tod schreit über Israel. Möge sein Leib in Feuer fallen und seine Seele in des lebendigen Gottes Faust.

      JEREMIAS:

      Nicht Fluch sprich ... Mutter ... vielleicht stößt Er mich unter ihn ...

      DIE MUTTER:

      Ich fluche dem Zweifler, der mehr vertrauet den Träumen denn Gottes Barmherzigkeit! Ich verfluche, ich verfluche den Leugner Gottes und wäre es mein Kind! Zum letztenmal, Jeremias ... wähle!

      JEREMIAS:

      Ich ... geh ... meinen Weg ... (Er beginnt mit schwerem Schritt zur Treppe zu treten.)

      DIE MUTTER:

      Jeremias ... mein einzig Kind bist du und meines Alters Trost ... entweiche meinem Fluch ... denn Gott wird ihn erhören, wie er erhörte mein Gelöbnis.

      JEREMIAS:

      Auch ich bin ihm gelobet, Mutter, auch mich hat er erhöret. Lebe wohl! (Er schreitet die erste Stufe hinab.)

      DIE MUTTER (aufschreiend):

      Jeremias! Über mich geht dein Schritt! Du zertrittst mir das Herz!

      JEREMIAS:

      Ich weiß die Straße nicht, die ich schreite ... ich fühl die Steine nicht, die ich trete ... ich fühl einen Ruf nur ... einen Ruf, der mich rufet ... und ich folge dem Ruf ...

      (Er steigt langsam die Stufen nieder, das Antlitz ernst und verhalten, die Augen starr in den Himmel.)

      DIE MUTTER (zur Treppe hinstürzend, in Verzweiflung):

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