Der Held unserer Zeit: Kaukasische Lebensbilder. Михаил Лермонтов

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Der Held unserer Zeit: Kaukasische Lebensbilder - Михаил Лермонтов

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Dolch findet man bei keinem einzigen. Und nun gar erst die Osseten!

      „Sie waren also lange in Tschetschen?“

      — Ja gewiß, ich lag wohl an die zehn Jahre mit einer Kompagnie in einer Festung, da bei Brückburg, — wissen Sie?

      „Ich habe davon gehört.“

      — Nein, mein Bester, was diese Händelmacher mir zu schaffen gemacht haben! Jetzt, Gott sei Dank, ist’s da weit ruhiger; aber früher, Gott bewahre! früher brauchte man nur hundert Schritt vom Walle abzugehen, und so ein zottiger Teufel saß wahrhaftig auf der Lauer: kaum hatte man ausgegähnt, so saß einem auch schon eine Schlinge um den Hals oder eine Kugel im Nacken. Aber tapfere Jungens! . . .

       „Ei, da müssen Sie ja wahrhaftig recht viele Abentheuer erlebt haben?“ sagte ich, vor Neugierde brennend.

      — Wie denn nicht! wahrhaftig.

      Hier begann er seinen linken Schnurrbart zu flattiren, ließ den Kopf auf die Brust sinken und verfiel in Nachdenken. Ich hätte ihm gar zu gern irgend ein Geschichtchen abgelockt, — ein Wunsch, der übrigens allen Verfassern von Reisememoiren und allen Volksschriftstellern mit mir eigen ist. Unterdessen war der Thee fertig geworden; ich zog aus meinem Koffer zwei Feldbecher, schenkte sie voll und stellte einen derselben hin: „Ja, wahrhaftig!“ Dieser Ausruf gab mir große Hoffnungen. Ich weiß nur zu gut, wie sehr die alten Krieger im Kaukasus zu sprechen und zu erzählen lieben; es wird ihnen auch so selten geboten: wie mancher steht da fünf Jahre lang in irgend einem abgelegenen Winkel mit seiner Abtheilung, und hört die ganzen fünf Jahre über kein einziges „Guten Tag,“ weil der Feldwebel ihn nur mit „Ich wünsche Ihnen Gesundheit“8) begrüßt. Und was wüßten sie nicht alles zu erzählen! Rundum ein wildes, interessantes Volk, jeden Tag eine Gefahr; was für wunderbare Fälle kommen da nicht vor! Hier bedauert man unwillkührlich daß bei uns so wenig geschrieben wird.

      „Wollen Sie nicht ein wenig Rum hinzufügen?“ fragte ich meinen Reisegefährten, „ich habe weißen, aus Tiflis; es ist jetzt kalt.“

      — Nein, ich danke, ich trinke nicht.

      „Wie so?“

      — Je nun, so. Ich habe mir das Wort gegeben. Einmal, als ich noch Secondelieutenant war, müssen Sie wissen, und wir uns untereinander einmal recht etwas zu Gute gethan hatten, wird des Nachts plötzlich Alarm geschlagen; wir, angerissen wie wir waren, hinaus; ja, das wäre uns bald gut bekommen als Alexéi Petrówitsch es erfuhr — Gott soll mich bewahren, wie er böse wurde! Es fehlte nicht viel, so hätte er uns vor ein Kriegsgericht gestellt. Und so geschieht’s jedesmal: zu einer andern Zeit lebt man das ganze Jahr hindurch und sieht keine Menschenseele; nimmt man aber einmal ein Gläschen zu viel, so ist man auch ein verlorner Mensch!

      Bei dieser Erzählung verlor ich fast wieder alle Hoffnung.

      — Nun nehme man aber gar erst die Tscherkessen, fuhr er fort, wenn die sich erst bei Hochzeits- oder Begräbnißgelagen in Busa9) betrinken, dann kommt’s auch gleich an’s Einhauen. Ich war einmal mit Gewalt und noch dazu bei einem friedlichen Fürsten10) zu Gaste gezogen worden.

      „So? Wie war denn das zugegangen?“

      — Sehen Sie . . . (er stopfte sich eine Pfeife, that ein paar tüchtige Züge und begann zu erzählen) sehen Sie also, ich stand damals mit einer Kompagnie in einer Festung jenseits des Tereks, — es wird nun bald an die fünf Jahre sein. Da kam einmal um die Herbstzeit ein Transport mit Proviant an, und bei diesem Transporte befand sich ein Offizier, ein junger Mensch von ungefähr fünf und zwanzig Jahren. Er stellte sich mir in voller Uniform vor und eröffnete mir, daß er die Ordre erhalten habe bei mir in der Festung zu bleiben. Er war so zart, so weiß, seine Uniform war so neu, daß ich sogleich errieth, er sei erst unlängst nach dem Kaukasus gekommen.

      „Sie sind wahrscheinlich aus Rußland hierherversetzt worden?“ fragte ich ihn. — „Zu befehlen, Herr Stabskapitain,“ war seine Antwort. Ich faßte ihn bei der Hand und sagte: Sehr erfreut, sehr erfreut; nur wird es Ihnen hier ein Bischen langweilig vorkommen . . . nun, wir wollen schon freundschaftlich mit einander leben. Indessen bitte ich Sie, nennen Sie mich nur ganz einfach Maksim Maksimitsch und dann — wozu denn diese volle Uniform? Kommen Sie nur immer in der Feldmütze zu mir.“ — Man wies ihm eine Wohnung an, und so setzte er sich denn in der Festung fest.

      „Und wie hieß er?“ fragte ich Maksim Maksimitsch.

      — Er hieß . . . Grigór Alexándrowitsch Petschórin. Ein feiner Junge, das kann ich Ihnen versichern; nur etwas Sonderling. So konnte er sich z. B. im Regen und Frost den ganzen Tag auf der Jagd umhertreiben: alle Anderen sind durchgefroren und abgemattet, aber ihm thut das nichts. Ein anderes Mal sitzt er am Fenster in seinem Zimmer; der Wind bläßt ein Bischen und er versichert einem, daß er sich erkältet habe; oder die Fensterlade schüttert etwas und er fährt zusammen und erbleicht, und doch habe ich ihn ganz allein gegen einen Eber angehen sehen; manchmal kriegte man Stundenlang kein Wort aus ihm heraus, fing er aber erst einmal an zu erzählen, ja da mußte man sich den Bauch vor Lachen halten . . . Ei ja, ein großer Sonderling, und er muß auch reich gewesen sein, denn was hatte er alles für kostbare Sächelchen! . . .

      „Blieb er denn lange bei Ihnen?“ fragte ich weiter.

      — Wohl ein Jahr; dafür wird mir aber auch dieses Jahr ewig im Gedächtniß bleiben! Hat der mir zu schaffen gemacht, nein, das kann ich Ihnen gar nicht sagen! Sehen Sie, es giebt wahrhaftig solche Leute, denen es schon in der Wiege bestimmt ist, daß ihnen ganz außergewöhnliche Dinge widerfahren werden!

      „Außergewöhnliche Dinge?“ rief ich mit Neugierde aus, indem ich ihm Thee einschenkte.

      — Ja, ich werde Ihnen gleich erzählen. In der Entfernung von ungefähr sechs Werst von der Festung lebte ein friedlicher Fürst. Sein Sohn, ein Junge von fünfzehn Jahren, hatte sich angewöhnt jeden Tag zu uns herüber zu reiten, bald nach diesem bald nach jenem, und Grigórii Alexándrowitsch und ich, wir hatten ihn auch wirklich ganz verwöhnt. Es war aber auch ein wackrer Junge, der alles machen konnte, was er nur wollte; im vollen Carriere hob er eine Mütze von der Erde auf oder feuerte ein Gewehr ab. Eins war nicht hübsch an ihm: er war ungeheuer auf’s Geld versessen. Einmal versprach ihm Grigórii Alexándrowitsch zum Spaße ihm einen Dukaten zu schenken, wenn er den schönsten Bock aus seines Vaters Heerde stehlen könne; und was meinen Sie? am andern Abend bringt er ihn bei den Hörnern herangeschleppt. Kam es einmal vor, daß wir ihn foppen wollten — gleich unterliefen seine Augen mit Blut und er griff nach dem Dolche. „Ei, Asamat, man thut Dir ja nichts zu Leide,“ pflegte ich dann zu sagen, „Dein toller Sinn wird Dich noch ins Verderben stürzen!“

      — Einst kam der alte Fürst selbst zu uns herüber, um uns zur Hochzeit einzuladen; er verheirathete seine älteste Tochter und wir standen mit ihm in Gastfreundschaft; na, da konnten wir ihm doch nicht absagen, ob er schon ein Tatar war. Wir machen hin. Im Aúle11) kam uns ein ganzer Rudel Hunde mit lautem Gebell entgegen; die Weiber versteckten sich bei unserm Anblicke; diejenigen, deren Gesichter wir etwa sehen konnten, waren nichts weniger als schön. „Ich hatte eine weit bessere Meinung von den Tscherkessinnen,“ sagte Grigórii Alexándrowitsch zu mir. — Warten Sie nur! antwortete ich ihm, indem ich lächelte. Ich hatte schon die Meinige im Sinn.

       — Bei dem Fürsten hatte sich bereits eine Masse Volk in der Hütte versammelt. Sie wissen, daß es bei den Asiaten Gebrauch ist alle diejenigen zur Hochzeit einzuladen, denen man begegnet oder die am Hause vorübergehen. Man empfing uns mit allen nur möglichen Ehrenbezeugungen und führte uns ins Gastzimmer. Ich übersah es indessen nicht aufzupassen, wohin sie unsere Pferde brachten, wissen Sie, für

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