Historische Romane: Die Kreuzritter + Quo Vadis? + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski + Auf dem Felde der Ehre. Henryk Sienkiewicz
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Macko biß sich auf die Lippen, warf aber trotzdem stolz den Kopf zurück und sagte: »Wir wissen ganz genau selbst, was wir wert sind.«
»Um so besser,« antwortete Wolfgang von Baden.
Gleich darauf fügte er indessen hinzu: »Um so besser! Ich spreche hier freilich nicht von uns, denn wir sind demütige Mönche, welche Armut gelobt haben, ich spreche von dem Orden, der Euer Geld zum Ruhme Gottes verwenden wird.«
Darauf erteilte Macko keine Antwort. Er warf Wolfgang nur einen Blick zu, wie wenn er sagen wolle: »Rede dies jemand anderem vor«, und unverweilt begann man über die Bedingungen zu beraten. Der alte Ritter befand sich in einer äußerst schwierigen Lage. Einerseits scheute er jeden Verlust, andererseits wollte er weder Zbyszko noch sich selbst zu gering schätzen lassen. Seine Furcht, den kürzeren zu ziehen, war um so berechtigter, als Wolfgang, trotz seines zuvorkommenden Wesens, sich höchst geldgierig und hartherzig erwies. Der einzige Trost für Macko war der Gedanke, daß das Lösegeld von de Lorche für alles hinreichen werde, allein gleichzeitig schmerzte ihn auch die vergebliche Hoffnung auf Gewinn. Auf ein Lösegeld für Zygfryd durfte er nicht rechnen, denn seiner Ansicht nach verzichtete weder Jurand noch Zbyszko um irgend welchen Preis auf das Recht, das Urteil über den alten Komtur zu fällen.
Erst nach längerer Beratung wurde eine Einigung über die Höhe des Lösegeldes und über den Zeitpunkt der Auszahlung erzielt, kaum hatte sich jedoch der alte Ritter vergewissert, wie viele Mannen und wie viele Pferde Zbyszko mit sich nehmen dürfe, so eilte er zu diesem, um ihn, wohl aus Furcht, die Deutschen könnten wieder andern Sinnes werden, zu einem sofortigen Aufbruch zu veranlassen.
»So geht es eben im Ritterstande,« bemerkte er seufzend, »gestern hattest Du sie beim Schopfe, heute haben sie Dich. Bei meiner Treu, gar schwer wird’s uns gemacht, doch Gott gebe, daß auch wir wieder einmal an die Reihe kommen. Du darfst jetzt keine Zeit verlieren. Wenn Du Dich beeilst, wirst Du Hlawa einholen, und in größerer Sicherheit werdet Ihr gemeinsam dahinziehen. Habt Ihr aber erst die Wälder hinter Euch, habt Ihr die bewohnten Gefilde Masoviens erreicht, dann werdet Ihr bei jedem Edelmann, bei jedem Bauernvogt gastliche Aufnahme und Unterstützung finden. Selbst einem Fremden gewährt man bei uns Hilfe, gewiß also einem der Unsrigen! Vielleicht wird auch dies arme Weib auf der Fahrt Heilung finden.«
So sprechend, schaute er auf Danusia, die, wie in einem Halbschlafe befangen, laut und rasch atmete. Ihre auf dem dunkeln Bärenfelle ruhenden Hände zitterten wie im Fieber. Macko machte das Zeichen des Kreuzes über sie und sagte: »Hei, nimm sie und mache Dich auf den Weg! Möge ihr Gott gnädig sein, denn wie mich dünkt, schweben die Schatten des Todes über ihr.«
»Sprecht dies nicht aus!« schrie Zbyszko verzweifelt auf.
»Gott ist allmächtig! Ich werde die Pferde satteln lassen. Halte Dich also bereit.«
Aus der Hütte tretend, beeilte sich Macko, alles für die Fahrt vorzubereiten. Die Zbyszko von Zawisza geschenkten Türken führten die Pferde vor, an deren Sattel die Tragbahre befestigt war, und Wit, einer der Mannen aus des jungen Ritters Gefolge, brachte dessen aufgezäumtes Roß herbei.
Bald darauf trug Zbyszko auf seinen Armen Danusia aus der Hütte. Dieser Anblick war ein so rührender, daß Arnold und Wolfgang von Baden, die, von Neugierde getrieben, herzugekommen waren, sich wechselseitig bedeutsam anschauten und von Ingrimm gegen die Urheber eines solchen Jammers erfaßt wurden, als sie Danusia sahen mit ihrer kindlichen Gestalt, ihrem Gesichte, das dem Antlitz einer Heiligen auf irgend einem Kirchenbilde glich, als sie die Schwäche der Beklagenswerten bemerkten, deren Köpfchen schwer auf Zbyszkos Schulter ruhte. »Das Herz eines Henkersknechtes, nicht das eines Ritters hat Zygfryd,« flüsterte Wolfgang dem Bruder zu, »und wenn auch jenes verruchte Weib, jene Schlange, zu Deiner Rettung beigetragen hat, werde ich sie doch mit Ruten auspeitschen lassen.« Beide waren auch tief bewegt davon, daß Zbyszko sein Weib auf den Armen trug, wie eine Mutter ihr Kind trägt, und sie hatten Verständnis für seine große Liebe, denn jugendfrisches Blut floß in ihren Adern.
Zbyszko stand eine Weile zögernd da. Er wußte nicht recht, ob er sein krankes Weib vor sich auf den Sattel nehmen, oder ob er es auf die Tragbahre niederlegen solle. Schließlich entschied er sich für das letztere, von dem Gedanken ausgehend, Danusia könne nur bei äußerster Schonung die Fahrt überstehen. Rasch näherte er sich hierauf seinem Ohm und beugte sich nieder, um dessen Hand zum Abschied zu küssen. Obwohl nun Macko vor den Deutschen gern seine Erregung verborgen hätte, vermochte er sich doch nicht zu bezwingen, sondern nahm Zbyszko in seine Arme und preßte seine Lippen auf dessen üppige goldblonde Haare.
»Gott sei mit Dir!« sagte er. »Vergiß nicht des alten Mannes, denn Gefangenschaft ist ein gar hartes Los.«
»Ich werde Euer stets gedenken,« antwortete Zbyszko.
»Möge Dir die heilige Mutter Gottes Trost gewähren.«
»Gott lohne Euch für diese Worte, und für alles, was Ihr mir gethan.«
Schon nach wenigen Minuten saß Zbyszko zu Pferde. Dem alten Ritter schien aber ein neuer Gedanke gekommen zu sein, denn er sprang auf seinen Bruderssohn zu, und, seine Hand auf dessen Knie legend, sagte er: »Höre! Wenn Du Hlawa einholst, siehe zu, daß Du Dich Zygfryd gegenüber im Zaume hältst, damit Du nicht auf Dich, damit Du nicht auf meine grauen Haare Schande häufst. Jurand mag richten – ihm überlasse die Rache! Schwöre mir dies auf Dein Schwert und auf Deine Ehre.«
»So lange Ihr nicht frei seid, darf auch Jurand nicht gegen Zygfryd vorgehen, damit sich die Deutschen, Zygfryds wegen, nicht an Euch rächen,« entgegnete Zbyszko.
»Liegt Dir mein Geschick so sehr am Herzen?«
Da lächelte der junge Ritter traurig und meinte: »Ihr solltet mich doch kennen!«
»Zögere nicht mehr, ziehe mit Gott und in Gesundheit dahin.«
Die Pferde setzten sich in Bewegung, und bald waren alle hinter dem dichten Gestrüppe des Waldes verschwunden. Mit einem qualvollen Gefühle der Vereinsamung blieb Macko zurück, hing er doch mit allen Fibern des Herzens an seinem Bruderssohn, auf dem das Geschick des ganzen Geschlechtes beruhte. Allein bald überwand er seinen Kummer, bald ward er wieder Herr seiner selbst.
»Gott sei gepriesen, daß nicht Zbyszko, sondern ich der Gefangene bin,« dachte er bei sich, und sich zu den Deutschen wendend, fragte er: »Und wann gedenkt Ihr aufzubrechen, Ihr Herren, und wohin wollt Ihr Euch wenden?«
»Wir brechen auf, wann es uns beliebt,« antwortete Wolfgang, »und wir ziehen nach Marienburg, wo Ihr, o Herr, Euch zunächst vor dem Großmeister zu verantworten haben werdet.«
»Hei, ich muß wohl mit meinem Kopfe dafür büßen, daß ich den Samogitiern beigestanden habe,« sagte sich Macko.
Dabei gewährte ihm aber ebensowohl der Gedanke an de Lorche einigen Trost, wie die Ueberzeugung, daß ihn Arnold und Wolfgang von Baden schon allein wegen des Lösegeldes schützen würden.
»Doch traun, wenn ich zu Grunde gehe,« dachte der alte Kämpe bei sich, »dann fällt für Zbyszko die Verpflichtung hinweg, sich wieder zu stellen, sich selbst an seinem Eigentum zu schädigen.«
Und auch dieses Erwägen verursachte ihm eine gewisse Erleichterung.
Drittes Kapitel.