Mami Bestseller 10 – Familienroman. Corinna Volkner
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»Frau Doktor! Bitte kommen Sie sofort in den Kreißsaal. Man verlangt nach Ihnen. Bitte fassen Sie sich.«
*
Im ältesten Stadtteil von Tübingen gibt es ein Haus, das von fünf jungen Menschen bewohnt wird.
Es ist ein schmales Haus mit einem Erkerzimmer, in dem sich an diesem Nachmittag eine Schar Studenten eingefunden hat. Es wird gefeiert, geredet, diskutiert und heftig gespöttelt über eine der ihren. Aus einem recht erfreulichen Grund übrigens, der auch den Anlass der Fete darstellt.
Einer der Studenten drückt es so aus: »Wir vier bemühen uns um den Ruhm der Ewigkeit, während sich Rosalie darum kümmert, dass wir unterdessen nicht verhungern. Seht euch also, liebe Freunde, diesen herrlichen Scheck noch einmal an, bevor wir ihn morgen zur Bank tragen und in klingende Münze verwandeln.«
»Die wir dann wiederum für Miete, Lebensmittel und sonstige längst fällige Rechnungen ausgeben!«, ruft eine Studentin lachend dazwischen.
»Immerhin sind dreitausend Euro wahnsinnig viel Geld für Rosalies Kunstwerk«, meint ein anderer trocken.
»Und vergessen wir bitte nicht, dass es eine Lebensstellung mit sich bringen könnte. Falls Rosalie ihr Kunststudium satthat und, was fatal wäre, uns dazu«, spottet ein vollbärtiger, schlaksiger Junge, der ungefähr in Rosalies Alter sein mag.
Zu alledem schweigt sie, aber ihre heitere Miene wirkt etwas verkrampft.
Gundel, ihre engste Freundin, mit der sie auch das Zimmer teilt, hält es für an der Zeit, einzugreifen. »Was habt ihr eigentlich dagegen einzuwenden, dass Rosalie für diesen Tapetenhersteller Muster entwirft? Nun hat sie einen Preis gewonnen für die hübscheste Kinderzimmertapete. Ich find’s prima, und ihr solltet euch auch ehrlichen Herzens darüber freuen, anstatt in eine sarkastische Diskussion über Kunst und Kitsch zu verfallen.«
Natürlich wird auch Gundel übertönt. Das Geld ist schon okay, das kann man gut brauchen. Aber gegen den Wert dieser Preisverleihung muss man ganz einfach zu Felde ziehen.
»Es ist wahnsinnig verführerisch, merkst du das denn nicht?«, mahnt der älteste der Gruppe und blickt beschwörend in Rosalies Gesicht. »Nach den Tapeten kommen die bunten Teller an die Reihe, danach eventuell die Sparschweine der Banken und Sparkassen. Das will ja alles bunt und hübsch angemalt sein. Aber dafür gehst du doch nicht zur Hochschule für bildende Künste!«
»Warum eigentlich nicht?«, trotzte Rosalie plötzlich und erntet einen Sturm der Entrüstung.
Durch den Trubel dringt die Stimme des Bärtigen, der an der Tür zum Wohnzimmer auftaucht.
»Telefon für Rosalie! Mann, oh, Mann, seid doch mal ruhig. Unsere Preisgekrönte wird verlangt.«
Rosalie geht in die Diele und hört Priskas Stimme am Telefon eigentümlich leise sagen: »Rosalie, gut, dass du da bist. Ich hole dich in einer halben Stunde ab. Wir fahren zur Mutter.«
Lärm dringt aus dem Wohnzimmer, man ruft nach ihr. Rosalie nimmt den Hörer ans andere Ohr und wendet sich etwas ab. »Das geht jetzt nicht, Priska«, sagt sie schnell und hofft, dass die Schwester nicht so viel von der Musik mitbekommt. »Wir haben Besuch von einigen Kollegen aus der Uni. Ich kann unmöglich.«
»Ich brauche deine Hilfe, Kleines! Lass mich nicht im Stich! Also bis gleich!«
Es macht klick. Fassungslos blickt Rosalie auf den Hörer. Da hat Priska doch einfach aufgelegt!
Sofort fühlt sich das junge Mädchen bevormundet. Wie springt Priska denn mit ihr um? Bestimmt so einfach über sie, als wäre Rosalie immer noch die kleine Schwester. Aber nicht so! Das ist ein für alle Mal vorbei.
»Und ich komme nicht mit!«, stößt sie hervor und wirft das Haar trotzig über die Schultern zurück. Gerade jetzt, wo es gemütlich wird.
Sie will zurückgehen. Doch dann stockt ihr Schritt. Was hat Priska gesagt? Ich brauche deine Hilfe?
Das gibt’s doch nicht, denkt Rosalie, während sie sich wieder zu den anderen gesellt.
Lass mich nicht im Stich!
Priskas Worte gleichen doch einem flehentlichen Appell.
Reglos steht Rosalie an der Tür zum Wohnzimmer, sieht plötzlich, dass alle sie anstarren, und sagt ruhig: »Ich muss fort. Meine Schwester hat angerufen.«
Sofort werden energische Stimmen laut, die ihr gebieten, sich um Himmels willen nicht so herumkommandieren zu lassen.
»Du hast dich wohl immer noch nicht gelöst? Und das mit fast zwanzig Jahren! Mädchen, du tust mir leid.«
Henning kommt und will sie um die Taille greifen, aber Rosalie wehrt ihn fast schroff ab. »Ihr spinnt ja!«, ruft sie unter Tränen. »Es muss sich um was Ernstes handeln, sonst hätte Priska mich wenigstens angehört.«
Sie rennt hinaus und in ihr Zimmer am Ende des Korridors. Dort bleibt sie atemlos stehen und denkt nach.
»Mutter«, flüstert sie dann in aufsteigender heißer Sorge. Ist etwas mit ihrer Mutter geschehen?
Schon reißt sie die Häkeltasche vom Rundständer und stopft sie voll mit ein paar Dingen, die sie zu brauchen glaubt. Plötzlich geht es ihr nicht schnell genug, von hier fortzukommen.
*
»Fahre du. Bitte!«
Priska ist schon auf den Nebensitz gerückt, und Rosalie steigt ein. »Prima, dass du mich mal ranlässt«, sagt sie erfreut. Zwar besitzt sie seit einem halben Jahr den Führerschein, doch zu einem eigenen Wagen hat’s bisher nicht gereicht. Aber vielleicht bleibt von dem Scheck etwas übrig. Eine Anzahlung würde schon genügen. Den Rest könnte sie in monatlichen Raten von Priskas Zuschuss abstottern.
»Du, Große«, beginnt sie hoffnungsvoll, »demnächst habe ich mein eigenes Auto. Da staunst du, was? Dreitausend hat mir die Firma für meinen letzten Entwurf gezahlt.«
Rosalie fährt zügig.
»Warum hast du mich eigentlich unbedingt mitnehmen wollen?«, fragte sie und legt an Geschwindigkeit zu. Bald sind sie am See, dann sind es nur noch wenige Minuten bis daheim. Nur noch den schmalen Seeweg hinauffahren. Privatweg der Villa Eschwald.
Alles hier gehört zum Besitz dieser Villa, auch ihr Elternhaus. Auch Mutter Bonas erbrechtlich bewohntes Verwalterhaus.
»Ich wäre längst schon mal nach Hause gekommen«, regt sich Rosalie erneut auf, angesichts des starren Schweigens ihrer Schwester. »Mein Fahrrad hat einen Platten, sonst wäre ich am vorigen Sonntag gekommen. Wenn ich erst meinen Wagen habe, besuche ich Mama öfter. Aber das scheint dich ja alles nicht zu interessieren. Auch nicht mein Preis. Du bist genau wie die Jungs in unserer Kommune. Machst dich vielleicht auch lustig über mich.«
»Nein, Rosalie. Aber nein, Kleines.« Priska sieht sie an, und ihre sonst so klaren blauen Augen wirken ganz dunkel.
Sie blickt in Rosalies Gesicht und denkt: Lass sie ruhig eine Weile noch so froh sein. So halb zornig, halb kindhaft trotzig, weil sich anscheinend niemand mit ihr über den errungenen Preis im Tapetenwettbewerb freut und niemand stolz auf sie ist,