Mami Staffel 2 – Familienroman. Gisela Reutling

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Mami Staffel 2 – Familienroman - Gisela Reutling Mami Staffel

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damit sind Sie nie fertig geworden.«

      »So ist es. Sich gegen Agnes durchzusetzen, erfordert eine unmenschliche Kraft. Ich hatte sie nach Hannerls Tod erst recht nicht. Das werfe ich mir noch heute vor. Denn für meine Mutter galt Hannerl auch nach ihrem Tod als die einzig Schuldige an dem Unglück. Sie hatte ein Kind hinterlassen, das nun versorgt werden mußte. Ich war in meinem Schmerz nicht in der Lage, diesem Baby genug Liebe zu schenken. Gritli erinnerte mich an Hannerl und an mein Versagen.«

      »Und eines Tages haben Sie sich vom Berghof und aus Ihrer Verantwortung davongestohlen.«

      »Ja. Aber vorher habe ich Tante Theres gebeten, sich um Gritli zu kümmern. Daß ich auf Nimmerwiedersehen verschwinden wollte, das ahnte sie gar nicht. Ich wollte, nein, ich mußte fort. Irgendwohin, um viel Geld zu verdienen.«

      Sie wollte ihn keine Verachtung spüren lassen. Aber nun brach es doch aus Barbara heraus: »Sieben lange Jahre waren Sie fort, Thilo. Wie konnten Sie nur!«

      Er lächelte gequält. »Ich habe wenigstens Geld mitgebracht. Und das wunderbare Gefühl, von nun an fürs Gritli sorgen zu können. Da ich sie bei Ihnen gut aufgehoben weiß, werde ich jetzt vielleicht den Mut finden, mich gegen meine Mutter aufzulehnen.«

      »Und auch die Kraft, Gritli für die lieblosen Jahre zu entschädigen.«

      Thilo überlegte. »Gritli hat sich die Liebe, die sie braucht, immer geholt. Erst von Tante Theres, jetzt von Clara. Mag sein, daß Gritli Sie auch noch liebgewinnt.« In seinem Blick schimmerte Hoffnung auf. War es nicht das einfachste der Welt, Barbara Lange ins Herz zu schließen?«

      »Sie ist dankbar, weil sie sich bei mir gut aufgehoben weiß. Ja, aber als ihre Lehrerin werde ich ihr nichts durchgehen lassen. Rechnen Sie nicht damit.«

      »Bestimmt nicht!« Er konnte seine Enttäuschung kaum verbergen. Barbara Lange war doch eine wunderbare Frau. Warum nur betonte sie immer wieder, daß sie Lehrerin war?

      »Ich denke mal, wenn Ihr Vater mich noch will, werde ich morgen bei ihm anfangen«, erwiderte er gelassen. »Gritli muß mich dann nicht vermissen, und ich kann drauf achten, daß sie Ihnen keinen weiteren Ärger bereitet.«

      »Mein Vater will Sie immer noch. Davon bin ich überzeugt.« Ihr zauberhaftes Lächeln war nicht zu übersehen.

      »Danke, Barbara. Bis morgen.« Er hielt ihre Hand sehr lange zwischen seinen. Und Barbara spürte, wie ihr Herz sich von dieser Berührung erwärmte. Dann löschte sie schnell das Licht in der Diele und horchte im Dunkeln seinen Schritten nach, die sich aus der Werkstatt und über den Hof entfernten.

      Eine Viertelstunde später, als Thilo aus dem Tunnel trat, regnete es nicht mehr. Von oben leuchteten ihm die Scheinwerfer eines langsam fahrenden Autos entgegen. Einige Schritte weiter nur, und er erkannte den alten Karren von Sepp.

      »Fräulein Baumbeer!« rief er erschrocken, denn Clara saß mit angstvoll aufgerissenen Augen hinter dem Steuer. Sie zog die Handbremse an und atmete in großer Erregung.

      »Da sind Sie ja endlich! Los, Thilo, steigen Sie ein. Ich kann den Wagen nicht wenden.«

      »Wohin wollen Sie denn? Doch nicht etwa wieder hoch?«

      »Doch. Ich wollte Sie unten bei Barbara Lange abholen. Sie müssen sofort auf den Hof.«

      »Was ist denn nun schon wieder?«

      Sie rutschte auf den Beifahrersitz, und er kletterte hinters Steuer.

      »Agnes hat Sepp hinausgeworfen.«

      »So! Das war vorauszusehen. Und wo ist er jetzt?«

      »Bei mir in Tante Theres Häuschen.«

      Fast hätte er höhnisch aufgelacht. »Und Sie müssen los und Hilfe holen? Schickt Sepp Sie? Na, da haben Sie sich aber einen Helden erobert.«

      Claras Augen schimmerten feucht durch die Brillengläser.

      »Wir brauchen Sie, Thilo. Ich sorge mich nur um Ihre Mutter. Sie dürfen sie jetzt nicht allein lassen. Gritli ist fort, Sepp ist fort… Sie sind der einzige, der sie beruhigen und trösten kann.«

      Unendlich langsam kroch der Karren über die glitschigen Straßen bergan. »Beruhigen? Trösten?« wiederholte Thilo mit einem langen Seufzer. »Nein. Aber ich werde sie zur Vernunft bringen. Jetzt habe ich die Kraft dazu.«

      Clara druckste ein wenig herum. »Ich liebe Sepp und möchte, daß Frieden zwischen ihr und mir herrscht.«

      »Das möchte ich auch hoffen, Clara!« grinste er, nahm ihre Hand und drückte sie kräftig. »Sonst werden Sie nämlich nie eine richtige Berghofbäuerin.«

      *

      Noch in der Nacht nach dem Hagelsturm hatte Thilo seiner Mutter Agnes unmißverständlich klargemacht, lieber würde er wieder ins Ausland verschwinden und Gritli mit sich nehmen, als noch einen Tag ihren Starrsinn zu ertragen und mit anzusehen, wie sie sich dem Glück seines Bruders Sepp mit der netten Clara Baumbeer weiterhin in den Weg stellte. Dann hatte er Agnes vorgeschlagen, von nun an in Theres’ Hütte zu leben und ihre Zimmer für das junge Paar zu räumen. Im oberen Stock wollte er mit Sepp weitere Räume und Kammern zu zwei Wohnungen umgestalten, damit dort jemand einzog, der dem jungen Paar bei der vielen Arbeit helfen konnte. War dann noch Platz und zudem Frieden eingekehrt, würde er mit Gritli auf den Hof zurückkehren.

      Agnes war nur zusammengezuckt, und in ihrem Blick wechselten sich zorniger Trotz aber auch langsam wachsende Einsicht. Am nächsten Morgen, bevor Thilo hinunter zur Schreinerei mußte, gab Agnes zu, daß es ja lange ihr Wunsch sei, sich in Tante Theres’ Häuschen zur Ruhe zu setzen.

      Thilo hatte sie umarmt, war hinüber ins Häuschen gerannt und hatte Sepp angefleht, seinen Mut zusammen und Clara bei der Hand zu nehmen, zu Agnes zu gehen und ihr seine Heiratsabsichten zu verkünden.

      Das Wunder geschah, denn als er von seinem ersten Arbeitstag bei Lange zurückkehrte, herrschte so etwas wie Waffenstillstand auf dem Hof. Agnes saß zwar mit bockigem Gesicht in der Abendsonne, aber Clara machte sich seit den Morgenstunden in der riesigen Küche zu schaffen, um dort erstmal für Ordnung und Übersicht zu sorgen.

      Einige Tage später hatten Barbara, ihr Vater und Thilo das kleine Gastzimmer in der Wohnung über der Schreinerei in ein bescheidenes Kinderreich verwandelt. Für Gritli, die eine hübsche Einrichtung nur aus den bunten Illustrierten von Ingrid Scholz kannte, war das ein Paradies.

      Eine knappe Woche weiter, und überall hatte sich herumgesprochen, daß Gritli nun bei ihr über der Schreinerei lebte. So wurde aus dem ›Gritli über den Wolken‹ das ›Gritli über der Werkstatt‹, aber als Thilo seine Tochter einige Male nach dem Unterricht abholte und die Kinder den Weltreisenden respektvoll bewundert hatten, verging ihnen auch der Spaß an dieser Stichelei. Von nun an gehörte Gritli zu ihnen und tollte nachmittags mit Karli, Patricia, Petra und wie sie alle hießen, über die Wiesen.

      Das Schönste für Gritli aber war das tägliche Mittagessen mit Barbara, Thilo und Ruppert. Sie lernte sehr schnell, ihrer Lehrerin bei den Vorbereitungen zur Mahlzeit zu helfen, den Tisch hübsch zu decken und dann hinunter in die Werkstatt zu eilen, um die Männer an den Tisch zu holen. Und keinem blieb verborgen, wie Gritli im Beisein ihres Vaters und an der Seite ihrer so gefürchteten Lehrerin aufblühte.

      In den letzten Tagen vor den Ferien entstand zwischen

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