Das Mondschaf steht auf weiter Flur. Christian Morgenstern

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Das Mondschaf steht auf weiter Flur - Christian Morgenstern Literatur (Leinen)

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schieße keine Möwe tot,

      ich laß sie lieber leben –

      und füttre sie mit Roggenbrot

      und rötlichen Zibeben.

      O Mensch, du wirst nie nebenbei

      der Möwe Flug erreichen.

      Wofern du Emma heißest, sei

      zufrieden, ihr zu gleichen.

       Igel und Agel

      Ein Igel saß auf einem Stein

      und blies auf einem Stachel sein.

      Schalmeiala, schalmeialü!

      Da kam sein Feinslieb Agel

      und tat ihm schnigel schnagel

      zu seinen Melodein.

      Schnigula schnagula

      schnaguleialü!

      Das Tier verblies sein Flötenhemd …

      »Wie siehst Du aus so furchtbar fremd!?«

      Schalmeiala, schalmeialü –.

      Feins Agel ging zum Nachbar, ach!

      Den Igel aber hat der Bach

      zum Weiher fortgeschwemmt.

      Wigulawagula

      waguleia wü

      tü tü …

       Der Werwolf

      Ein Werwolf eines Nachts entwich

      von Weib und Kind und sich begab

      an eines Dorfschullehrers Grab

      und bat ihn: »Bitte, beuge mich!«

      Der Dorfschulmeister stieg hinauf

      auf seines Blechschilds Messingknauf

      und sprach zum Wolf, der seine Pfoten

      geduldig kreuzte vor dem Toten:

      »Der Werwolf« – sprach der gute Mann,

      »des Weswolfs, Genitiv sodann,

      dem Wemwolf, Dativ, wie man’s nennt,

      den Wenwolf, – damit hat’s ein End’.«

      Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,

      er rollte seine Augenbälle.

      »Indessen«, bat er, »füge doch

      zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!«

      Der Dorfschulmeister aber mußte

      gestehn, daß er von ihr nichts wußte.

      Zwar Wölfe gäb’s in großer Schar,

      doch »Wer« gäb’s nur im Singular.

      Der Wolf erhob sich tränenblind –

      er hatte ja doch Weib und Kind!!

      Doch da er kein Gelehrter eben,

      so schied er dankend und ergeben.

       Die Fingur

      Es lacht die Nachtalp-Henne,

      es weint die Windhorn-Gans,

      es bläst der schwarze Senne

      zum Tanz.

      Ein Uhu-Tauber turtelt

      nach seiner Uhuin.

      Ein kleiner Sechs-Elf hurtelt

      von Busch zu Busch dahin …

      Und Wiedergänger gehen,

      und Raben rufen kolk,

      und aus den Teichen sehen

      die Fingur und ihr Volk …

       Km 21

      Ein Rabe saß auf einem Meilenstein

      und rief Ka-em-zwei-ein, Ka-em-zwei-ein …

      Der Werhund lief vorbei, im Maul ein Bein,

      Der Rabe rief Ka-em-zwei-ein, zwei-ein.

      Vorüber zottelte das Zapfenschwein,

      der Rabe rief und rief Ka-em-zwei-ein.

      »Er ist besessen!« – kam man überein.

      »Man führe ihn hinweg von diesem Stein!«

      Zwei Hasen brachten ihn zum Kräuterdachs.

      Sein Hirn war ganz verstört und weich wie Wachs.

      Noch sterbend rief er (denn er starb dort) sein

      Ka-em-zwei-ein, Ka-em-Ka-em-zwei-ein …

       Geiß und Schleiche

      Die Schleiche singt ihr Nachtgebet,

      die Waldgeiß staunend vor ihr steht.

      Die Waldgeiß schüttelt ihren Bart,

      wie ein Magister hochgelahrt.

      Sie weiß nicht, was die Schleiche singt,

      sie hört nur, daß es lieblich klingt.

      Die Schleiche fällt in Schlaf alsbald.

      Die Geiß geht sinnend durch den Wald.

       Der Purzelbaum

      Ein Purzelbaum trat vor mich hin

      und sagte: »Du nur siehst mich

      und weißt, was für ein Baum ich bin:

      Ich schieße nicht, man schießt mich.

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