Leni Behrendt Staffel 4 – Liebesroman. Leni Behrendt

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Leni Behrendt Staffel 4 – Liebesroman - Leni Behrendt Leni Behrendt Staffel

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von dem kleinen Gehalt mit unterhalten. Lebte nur noch auf, wenn Silje auf seiner kostbaren Geige, die sie wie ein Heiligtum hütete, musizierte. Dann gab er sich dem Wahn hin, daß seine sehr begabte Schülerin den Ruhm erlangen könnte, der einst ihm beschieden war.

      Aber dafür reichte das Können Siljes doch nicht aus. Zumal ihr die Zeit dazu fehlte, genügend zu üben und sich vollständig auf die Musik zu konzentrieren.

      Denn sie mußte ja tagsüber im Büro arbeiten, und wenn sie nach Haus kam, noch den kleinen Haushalt versehen. Hinterher war sie so müde, daß ihr wahrlich die Lust fehlte, noch stundenlang auf der Geige zu üben.

      So kam ihr Spiel zwar erheblich über den Dilettantismus heraus, genügte aber dennoch nicht, um von Kunstexperten anerkannt zu werden.

      Und da das Schicksal es nun einmal darauf abgesehen hatte, die kleine Familie, die einst vom Glück so sehr begünstigt war, niederzuzwingen, verlor Silje auch noch ihren Posten als Stenotypistin in der Fabrik. Nicht durch Unfähigkeit oder Pflichtverletzung, sondern weil der Juniorchef und Abteilungsleiter sich eine handgreifliche Abfuhr bei der empörten Angestellten holte, als er sie mit einer Liebesbezeugung belästigte.

      Denn Silje Berledes war das, was man ein bildschönes Mädchen nennt, dazu voll Grazie und Charme. Es ging etwas ungemein Stolzes, strahlend Reines von ihr aus – und das reizte den skrupellosen Verführer unbeschreiblich. Doch nachdem er die Ohrfeige weg hatte – und zwar in Gegenwart der anderen Stenotypistinnen im Saal –, kannte seine Wut keine Grenzen.

      Und wie sagt ein volkstümliches Sprichwort: Wenn man den Hund schlagen will, findet sich auch der Stock.

      Nun, der Stock fand sich – und die Stenotypistin Silje Berledes wurde fristlos entlassen. Jetzt hieß es für sie, mit der kargen Arbeitslosenunterstützung nicht nur sich, sondern auch ihren Stiefvater durchzubringen. Das tapfere Mädchen tat’s – und war schier verzweifelt, als er ernstlich zu kränkeln begann. Da zählte sie nicht mehr die Pfennige ab, machte Schulden, um ihren geliebten Kranken nur ja päppeln zu können. Und als er dann doch einer schweren Lungenentzündung, die plötzlich hinzukam, erlag, wußte die verzweifelte Silje nicht, wie sie dem Toten ein würdiges Begräbnis geben sollte. Also verkaufte sie kurzentschlossen die kleine Wohnung an ein junges Ehepaar, begrub den Stiefvater, bezahlte die Schulden und bezog dann das erste beste möblierte Zimmer, das sich ihr bot. Zwar war es erbärmlich, kostete aber dafür auch nicht viel – und das war für Silje ausschlaggebend. Denn sie mußte mit dem wenigen Geld, das ihr noch geblieben war, haushalten auf lange Sicht.

      Eine Woche später brach sie dann zusammen und kam ins Krankenhaus.

      *

      Erschrocken fuhr Silje aus tiefem Schlaf auf und starrte verständnislos um sich. Was war geschehen – wie kam sie nur hierher – auf den Sitz dieses komfortablen Autos?

      »Nun, Kleine, starr mich nicht so entsetzt an!« hörte sie nun eine lachende Männerstimme. »Wir sind angelangt.«

      »Wo angelangt?«

      »Zu Hause.«

      »Zu Hause…?« lauschte sie den Worten nach. »Ach, so was gibt’s ja gar nicht mehr für mich. Lassen Sie mich doch schlafen – ich bin ja so müde …«

      Damit legte sie sich mit einem tiefen Seufzer zurück und ließ den lieben Gott einen guten Mann sein, wie man so sagt. Doch gleich darauf schreckte sie wieder auf, denn ein starker Arm hob sie aus dem Wagen und stellte sie behutsam auf die Füße.

      »Na, nun mal hoppla!« sprach dieselbe Stimme jetzt ermunternd, und da war Silje endlich wach.

      »Entschuldige, Onkel Philipp«, sagte sie hastig. »Ich war wirklich noch schlaftrunken …«

      »Hab ich gemerkt. Und nun mal herein in die gute Stube! Vertrau dich unserm Philchen an, dann bist du bestens aufgehoben.«

      Wer dieses Philchen war, sollte Silje erst zum Bewußtsein kommen, als sie sich in einem traulichen Gemach befand, in das sie durch die Halle und über die Treppe hinweg gelangte. Nun stand sie vor einem zierlichen weiblichen Wesen, das freundlich zu ihr sprach: »Kipp nur nicht aus den Schlorrchen, du kleines elendes Wurm! Setz dich hier auf den Diwan, für alles andere sorge ich dann schon.«

      Und Philchen tat’s. Ehe Silje sich recht versah, lag sie ausgekleidet in einem Bett, das weich und mollig war. Und ehe sie noch einen klaren Gedanken fassen konnte, schlief sie schon wieder tief und fest, während der Herr des Hauses seine Familie aufsuchte, die sich, außer der dazugehörigen Philine, im Wohnzimmer befand.

      Da war zuerst einmal die Gattin des Hünen, eine stille, feine Frau mit gütigem Gesicht unter weißem Haar, dann die Tochter Thea, eine üppige Blondine von vierunddreißig Jahren, die vor Jahresfrist verwitwet war und nun mit ihrem achtjährigen Töchterchen wieder im Elternhaus lebte, weil sie nach dem Tod des Gatten vor dem Nichts stand.

      Denn auch sie hatte dem geliebten Mann ihre reiche Mitgift bedingungslos in die Hände gegeben, die dieser jedoch erst angriff, als das Rauschgift ihn erbarmungslos in seinen Krallen hielt. Außerdem mußte man in den letzten Jahren von dem Geld noch leben, weil der Privatdozent seinen eigentlichen Beruf aufgeben mußte. Und was er dann mit kleinen schriftstellerischen Arbeiten verdiente, war gewiß nicht viel. Er siechte langsam dahin, und als er starb, mußten Frau und Kind im Hadebrecht-Haus Zuflucht suchen.

      Thea war eine phlegmatische Natur und gefiel sich darin, in »höheren Regionen zu schweben«. Konnte aber auch wiederum recht erdgebunden sein, wenn es um Geld ging. Sie hatte immer Angst, irgendwie zu kurz zu kommen.

      Also hatte das Ehepaar Hadebrecht an dieser Tochter nicht viel Freude. Nur ihr Jüngster, der jetzt dreißigjährige Eike, war so geworden, wie die Eltern es erhofften – bis auf seine Ehe, damit machte auch er ihnen Kummer.

      Sie paßte aber auch gar nicht zu dem ernsten, zielbewußten Mann, die brünette, kapriziöse Ilona, die sich den »schönen Eike« nun mal in ihr eigenwilliges Köpfchen gesetzt hatte und ihn dann auch nach – vielen geschickten Be­mühungen einfing. Denn der damals Sechsundzwanzigjährige, der gerade seinen Dr. jur. gemacht hatte, war noch zu wenig Frauenkenner, um die listige Ilona zu durchschauen. Ihm gingen erst die Augen nach der Hochzeit auf – und zwar schon bald.

      Ilona jedoch war zuerst so richtig glücklich, bis sie dann merkte, daß der Gatte sich nicht von ihr beherrschen ließ, wie sie erwartet hatte. Da begann sie, ihm Szenen zu machen, die aber an seiner Gelassenheit abprallten wie an einem Felsen.

      Außerdem behagte der launenhaften, sehr verwöhnten Ilona das Leben in dem Hadebrecht-Haus nicht, das so ganz von dem Willen ihres Schwiegervaters beherrscht wurde. Sie konnte diesen »Despoten« nicht ausstehen und setzte ihm immer Widerstand entgegen, wobei sie jedoch stets den kürzeren zog. Und wenn sie dann vor Wut zu platzen glaubte, packte sie ihre Koffer und reiste zu ihren Eltern, die ständig unterwegs waren, schloß sich ihnen an – um schon nach einigen Wochen wieder plötzlich im Hadebrecht-Haus aufzutauchen.

      Für eine Weile fand sie es dann ganz erträglich in dem »Eulennest«, wie sie das komfortable Haus oft in ihrer Wut nannte – bis sie ihm wieder entfloh. Also ein ewiges Auf und Ab, das von dem Gatten nebst seiner Familie schon längst nicht mehr tragisch genommen wurde.

      Nicht einmal von dem jetzt zweieinhalbjährigen Töchterchen, das die Mutter durchaus nicht vermißte, weil es im Schoß der Familie so viel Liebe fand, wie sie ein Kind nun einmal haben muß, um recht gedeihen zu können.

      Heute jedoch war Ilona anwesend und hörte mit an, was der Herr des Hauses seiner Familie zu sagen hatte.

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