Gesammelte Werke von Sir Arthur Conan Doyle: 52 Krimis & Historische Romane in einem Band. Arthur Conan Doyle
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Sir Arthur Conan Doyle: 52 Krimis & Historische Romane in einem Band - Arthur Conan Doyle страница 108
»Was hätte ich sonst tun können? Was Sie mir sagten, geschah im strengsten Vertrauen; allerdings habe ich Ihre Meinung nicht geteilt.«
»Das weiß ich sehr wohl, aber sie sind der einzige, zu dem ich mit Sicherheit offen sprechen kann. Ich habe hier ein Geheimnis,« – er legte die Hand auf seine Brust – »das mir auf der Seele brennt. Ich wünschte, es wäre irgend jemand anderem zugetragen worden. Wenn ich es preisgebe, so geschieht ein Mord, das ist mir klar. Wenn nicht, kann es unser aller Ende bedeuten; Gott sei mir gnädig, aber ich bin am Ende meiner Kräfte.«
McMurdos scharfe Augen unterzogen den Mann einer eingehenden Musterung. Morris zitterte an allen Gliedern. Die Beiden traten in das Haus zurück, wo McMurdo seinem Gefährten ein Glas Whisky einschenkte.
»Das ist die richtige Medizin für Leute wie Sie,« sagte er. »Nun, lassen Sie mich hören, was Sie auf dem Herzen haben.«
Morris leerte das Glas, worauf etwas Farbe in seine Wangen zurückkehrte.
»Was ich zu sagen habe, kann ich in einen Satz fassen,« sagte er. »Ein Detektiv ist auf unserer Fährte.«
McMurdo starrte den Mann verblüfft an.
»Mensch,« sagte er, »Sie sind verrückt. Ist nicht die Stadt hier voll von Polizeidetektiven, und ist uns jemals etwas geschehen?«
»Nein, nein, McMurdo, es ist kein hiesiger. Die kennen wir, und von denen haben wir nichts zu fürchten. Aber haben Sie jemals von den Pinkertons gehört?«
»Ich habe von Leuten dieses Namens gelesen.«
»Nun, Sie können mir glauben, wenn die Pinkerton-Agentur auf unserer Spur ist, wird es uns schlecht ergehen. Das ist keine Regierungseinrichtung wie die Staatspolizei, der es gleichgültig ist, ob sie einen erwischt oder nicht. Es ist ein todernstes Geschäft, das nach Erfolgen bezahlt wird, und das sich in eine Sache verbeißt, bis die Erfolge da sind, koste es, was es wolle. Wenn ein Pinkertonmann hinter uns her ist, sind wir alle erledigt.«
»Wir müssen ihn um die Ecke bringen.«
»Das war auch mein erster Gedanke, und die Loge wird genau dasselbe denken. Habe ich Ihnen nicht schon gesagt, daß es auf einen Mord hinaufläuft?«
»Und wenn schon! Ein Mord weniger oder mehr in dieser Gegend will nichts bedeuten.«
»So ist es, nur ich kann es nicht über mich bringen, unsere Leute auf den Mann zu hetzen, der ermordet werden soll. Ich könnte niemals wieder ruhig schlafen. Wird uns jedoch allen an den Kragen gehen. Um Himmels willen, was soll ich tun?«
Er krümmte sich förmlich in der Qual seiner Unentschlossenheit.
Seine Worte hatten auf McMurdo einen tiefen Eindruck gemacht. Es war leicht zu erkennen, daß er die Meinung des anderen über das Bestehen einer ernsten Gefahr teilte und die Notwendigkeit einsah, ihr beizeiten entgegenzuwirken. Er ergriff Morris bei der Schulter und schüttelte ihn.
»Mann,« rief er mit einer vor Aufregung fast kreischenden Stimme »damit ist uns nicht geholfen, daß Sie hier sitzen und jammern, wie ein altes Weib beim Leichenbegängnis. Heraus mit dem, was Sie wissen. Wer ist der Kerl und wo ist er? Wie haben Sie davon gehört, und warum kommen Sie gerade zu mir?«
»Ich kam zu Ihnen als dem einzigen Menschen, der mir einen Rat geben kann. Ich sagte Ihnen schon, daß ich in den Oststaaten einen Laden hatte, bevor ich hierherkam. Ich habe dort noch gute Freunde und einer davon ist im Telegraphendienst. Gestern erhielt ich von ihm einen Brief. Lesen Sie ihn selbst, hier dieser Teil ist es, auf der oberen Seitenhälfte.«
McMurdo las das Folgende:
»… Wie geht’s den Rächern? Wir lesen viel darüber in den Zeitungen. Ich erwarte, von Ihnen baldigst darüber zu hören. Fünf große Bergwerksgesellschaften und zwei Eisenbahnen haben die Sache in allem Ernst in die Hand genommen. Sie sind entschlossen, den Rächern den Garaus zu machen, und Sie können sich darauf verlassen, daß es ihnen gelingen wird. Die Sache ist schon weit gediehen. Pinkertons sind mit den Nachforschungen betraut, und der Beste ihrer Leute, Birdy Edwards, arbeitet in der dortigen Gegend. Sie wollen ein für allemal Schluß machen mit der Mörderbande.«
»Und jetzt lesen Sie die Nachschrift.«
»… Was ich Ihnen mitgeteilt habe, ist Amtsgeheimnis und bleibt daher selbstverständlich unter uns. Tagtäglich gehen meterlange Streifen in Chiffreschrift aus Ihrer Gegend durch meine Hände, aber ich weiß nicht, was ich daraus machen soll.«
McMurdo saß eine Zeitlang schweigend da, mit dem Brief in seinen ruhelosen Händen. Der Dunstkreis um ihn hatte sich verzogen, und der Abgrund lag klar erkennbar vor ihm.
»Weiß sonst noch jemand etwas davon?« fragte er.
»Ich habe noch kein Sterbenswörtchen verlauten lassen.«
»Und hat dieser Mensch, Ihr Freund, hier noch andere Bekannte, denen er möglicherweise dasselbe schreiben würde?«
»Ich glaube noch ein paar.«
»Auch solche aus der Loge?«
»Sehr leicht möglich.«
»Ich frage Sie danach, weil er vielleicht irgend jemandem eine Beschreibung dieses Menschen Birdy Edwards gegeben haben könnte. Dann wären wir in der Lage, dem Mann auf die Spur zu kommen.«
»Kann sein, aber wahrscheinlich kennt er ihn gar nicht. Er hat mir nur mitgeteilt, was ihm im Amt bekanntgeworden ist. Woher sollte er den Pinkertonmann kennen?«
McMurdo fuhr plötzlich auf.
»Bei Gott!« rief er. »Ich weiß, wer es ist. Wie töricht von mir, nicht sogleich daran zu denken. Gott sei’s gedankt! Das ist unser Glück. Wir können ihn unter die Finger kriegen, bevor er Unheil stiften kann. Sagen Sie, Morris, wollen Sie mir die Sache überlassen?«
»Selbstverständlich. Ich bin nur zu froh, wenn ich damit nichts zu tun habe.«
»Nun gut, Sie können zusehen, während ich handle. Nicht einmal Ihr Name braucht genannt zu werden. Ich werde so tun, als ob ich selbst den Brief bekommen hätte. Sind Sie damit einverstanden?«
»Ich könnte mir nichts Besseres wünschen.«
»Gut, dann bleiben wir dabei, und Sie halten Ihren Mund fest verschlossen. Ich gehe jetzt zur Loge hinunter und wir werden bald den alten Pinkertonmann so weit haben, daß es ihm leid tun wird, hierhergekommen zu sein.«
»Sie wollen ihn doch nicht umbringen?«
»Je weniger Sie wissen, Freund Morris, desto leichter wird Ihr Gewissen sein, und desto besser werden Sie schlafen. Fragen Sie nicht, und lassen Sie mich die Sache machen. Sie liegt jetzt in meinen Händen.«
Morris schüttelte wehmütig des Kopf, als er sich empfahl.
»Ich werde mir immer einbilden, daß sein Blut an meinen Händen klebt,« stöhnte er.
»Selbstschutz ist kein Mord,«