Gesammelte Werke von Sir Arthur Conan Doyle: 52 Krimis & Historische Romane in einem Band. Arthur Conan Doyle

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Gesammelte Werke von Sir Arthur Conan Doyle: 52 Krimis & Historische Romane in einem Band - Arthur Conan Doyle

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meinte ich, »spielt dieser Gehilfe des Herrn Wilson keine geringe Rolle im Geheimnis des Bundes der Rothaarigen. Du hast wohl lediglich nach dem Weg gefragt, um ihn zu sehen.«

      »Nicht ihn!«

      »Was sonst?«

      »Seine Hosenkniee.«

      »Und was hast du gesehen?«

      »Was ich erwartete.«

      »Weshalb schlugst du auf das Pflaster?«

      »Mein lieber Doktor, jetzt gilt es zu beobachten, nicht zu schwatzen. Wir sind Spione im feindlichen Lager. Wir kennen nun einigermaßen Saxe-Coburg-Square. Nun gilt es, die dahinterliegenden Teile zu ergründen.« Als wir um die Ecke des stillen Platzes bogen, bot sich uns ein völlig anderer Anblick dar. Wir befanden uns in einer der Hauptadern des geschäftlichen Lebens. Auf dem Fahrweg flutete der Verkehr in einer doppelten Strömung hin und her, und auf den Seitenwegen wimmelte das eilige Heer der Fußgänger wie die Ameisen.

      »Warte ein wenig«, – sagte Holmes, an der Ecke stehen bleibend, und sah an den Häusern entlang, »ich möchte mir die Reihenfolge der Häuser hier einprägen. Ist’s doch mein Steckenpferd, London durch und durch zu kennen. Also: Mortimer, Tabakhändler, der kleine Zeitungsladen, die Filiale der City-und Vorstadtbank, dann das vegetarische Gasthaus und Mc Farlanes Wagenbau-Geschäft. Von da beginnt ein anderes Häuserviertel. Und nun sind wir fertig, Watson, nun kommt die Zeit der Erholung. Ein belegtes Brot und eine Tasse Kaffee und dann – fort ins Land der Saiten und Klänge, wo alles sanft, zart und harmonisch ist, wo es keine rothaarigen Klienten gibt, die uns mit ihren Rätselfragen den Kopf toll machen.«

      Mein Freund war ein Musik-Enthusiast, der ausgezeichnet spielte, und dessen Kompositionen sich weit über das Gewöhnliche erhoben. In völliger Glückseligkeit saß er den ganzen Nachmittag auf seinem Sperrsitz und bewegte die langen, schmalen Finger im Takt. Niemand hätte glauben können, daß dies sanft lächelnde Gesicht, diese schmachtend träumerischen Augen Sherlock Holmes angehörten, dem rastlosen, spitzfindigen, stets bereiten Kriminalagenten. In seinem sonderbaren Charakter machte sich die Doppelnatur abwechselnd geltend. Häufig fragte ich mich, ob nicht sein Scharfblick, seine außerordentliche Treffsicherheit ihre naturgemäße Ausgleichung in den beschaulichen und poetischen Stimmungen fänden, die von Zeit zu Zeit bei ihm die Oberhand hatten. Seine elastische Natur befähigte ihn, sich schnell wieder aus der äußersten Schlaffheit zur äußersten Energie emporzuschwingen, und ich wußte wohl, daß er sich nie gewaltiger zeigte, als wenn er tagelang in seinem Lehnstuhl gelegen und sich ganz seinen Improvisationen hingegeben oder in seine alten Druckwerke vertieft hatte. Dann kam plötzlich der Jagdtrieb über ihn, und seine glänzenden Vernunftschlüsse wurden zu förmlichen Eingebungen. Wer sein Wesen, seine Art und Weise nicht kannte, mußte ihn dann fast mit scheuem Staunen anblicken, wie einen Menschen, der mehr weiß als die übrigen Sterblichen.

      Als ich Holmes an dem Nachmittag in St. James so völlig in die Musik versunken sah, da dachte ich, es komme eine schlimme Zeit für diejenigen, auf welche er es abgesehen hatte.

      »Du möchtest gewiß nach Hause, Doktor«, meinte er, als wir hinausgingen.

      »Ja, es wäre mir recht.«

      »Und ich habe ein Geschäft vor, das mich einige Stunden in Anspruch nehmen wird. Die Geschichte in Coburg-Square ist ernst.«

      »Warum ernst?«

      »Ein schweres Verbrechen ist dort im Werke. Ich habe jedoch guten Grund zu der Annahme, daß wir es noch rechtzeitig verhindern können. Daß heute Sonnabend ist, macht die Sache schwieriger. Heute abend bedarf ich deiner Hilfe.«

      »Um wieviel Uhr?«

      »Um zehn ist’s früh genug.«

      »Um zehn bin ich in der Bakerstraße.«

      »Gut. Und bitte, stecke deinen Revolver ein, vielleicht ist die Sache nicht ganz ohne Gefahr.« Er winkte mir zu, wandte sich um und verschwand sofort in der Menge.

      Ich glaube nicht, daß ich mehr auf den Kopf gefallen bin als ein anderer, aber Sherlock Holmes gegenüber drückt mich stets das Bewußtsein meiner eigenen Dummheit. Auch diesmal hatte ich genau dasselbe gehört und gesehen, wie er, und seine Worte bewiesen klar, daß er nicht nur alles, was geschehen war, deutlich durchschaute, sondern auch was kommen würde, während mir die Sachlage immer noch verworren und abenteuerlich erschien. Auf der Heimfahrt nach Kensington überlegte ich noch einmal alles, von der sonderbaren Geschichte des rothaarigen Kopisten an bis zu unserem Besuch in Saxe-Coburg-Square und bis auf die bedeutungsvollen Worte, mit denen Holmes von mir gegangen war. Wozu die nächtliche Expedition? Weshalb sollte ich bewaffnet sein? Wohin würden wir gehen, und was hatten wir vor? Holmes hatte mir einen Wink gegeben, dieser so geschickte Gehilfe sei ein furchtbarer Mensch – ein Mensch, der vielleicht einen verwegenen Streich plante. Ich sann hin und her, verzweifelte aber daran und ließ die Sache endlich ruhen, bis die Nacht mir Klarheit bringen würde.

      Es war ein Viertel nach neun, als ich zu Hause aufbrach und mich durch den Park und die Oxfordstraße nach der Bakerstraße begab. Zwei Wagen standen vor der Tür, und als ich in den Flur trat, hörte ich Stimmen oben. Ich fand Holmes in lebhaftem Gespräch mit zwei Männern; in dem einen erkannte ich Peter Jones, den Polizeibeamten, der andere war ein langer, magerer, trübselig blickender Herr in schwarzem Rock und Hut von tadelloser Beschaffenheit.

      »Ha! nun sind wir vollzählig!« sagte Holmes, knöpfte seine bequeme Jacke zu und nahm seinen Hirschfänger vom Nagel. »Ich denke, Watson, Herr Jones von Scotland-Yard ist dir bekannt. Erlaube mir, dich Herrn Merryweather vorzustellen, der an unserm nächtlichen Vorhaben teilnehmen wird.«

      »Wir jagen wieder paarweise, Doktor«, meinte Jones in seiner praktischen Weise. »Unser Freund hier, der versteht’s, das Wild aufzuspüren. Er braucht weiter nichts als einen alten Hund, der ihm beim Hetzen hilft.«

      »Hoffentlich jagen wir etwas anderes auf als eine ›Ente‹« bemerkte Herr Merryweather mürrisch.

      »Vertrauen Sie nur ruhig Herrn Holmes«, erwiderte der Polizeiagent überlegen. »Er hat seine eigenen kleinen Griffe und Kniffe, die, wenn er es mir nicht übel nimmt, vielleicht etwas zu theoretisch und phantastisch sind, aber in ihm steckt ein wahrer Detektiv. Es läßt sich nicht leugnen, daß er ein-oder zweimal der Wahrheit näher gekommen ist als die Polizei, z.B. in Sachen des Scholtomordes und des Agraschatzes.«

      »Nun, wenn Sie mir diese Versicherung geben, Herr Jones, dann bin ich beruhigt«, sagte Merryweather. »Ich gestehe indessen, daß mir meine Partie Sechsundsechzig [sic!] schon lieber wäre. Es ist seit siebenundzwanzig Jahren der erste Samstagabend, wo ich mein Spielchen nicht mache.«

      »Mich dünkt«, sprach Sherlock Holmes, »Sie werden selbst bald erkennen, daß Sie heute um höheren Einsatz spielen als je bisher, auch wird das Spiel aufregender sein. Für Sie, Herr Merryweather, handelt es sich um etliche dreißigtausend Pfund, und für Sie, Jones, um den Mann, den Sie gern beim Kragen kriegen möchten.«

      »Ja, ja, dieser John Clay«, fiel ihm der Polizeiagent ins Wort, »ein Mörder, Dieb, Falschmünzer, Schriftfälscher und dabei noch ein junger Mann, versteht sein Geschäft gründlich. Keinem Spitzbuben Londons legte ich die Handschellen lieber an als ihm. Ein merkwürdiger Mensch ist dieser junge John Clay. Sein Großvater war ein Herzog, und er selbst studierte in Eton und Oxford. Er hat einen klugen Kopf und geschickte Hände; alle Augenblicke begegnen wir seinen Spuren, dem Mann selbst aber niemals. Seit Jahren bin ich ihm auf der Fährte, habe ihn aber noch nie zu sehen bekommen.«

      »Ich

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