Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

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Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри

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ist verschwunden. Rosmarie liegt still und gerade unter ihrer weißen Decke. Sie ist so, schön, daß es Harro fast den Atem verschlägt. Obgleich der Himmelsglanz von der Stirne gewichen ist. Er kann nicht begreifen, daß es nicht Sitte sein soll, daß man vor ihr auf die Knie fällt. Und nun besieht er seinen Sohn, über dessen Anblick der Fürst in laute Bewunderung ausbricht, und findet ihn »menschenähnlich«. Aber sie müssen beide Zu ihrem großen Schmerz hinaus, und Harro sieht mit Erstaunen, daß Rosmarie sehr zärtlich mit der Kollegin tut und mit ihren Augen an ihrem Munde hängt. Dann geht Harro hinauf in die Tantenstube und tut einen eisernen Schlaf. Der Fürst wandelt auf und ab zwischen Atelier und Empfangshalle, so schnell kann er sich nicht trennen. Ein Sohn, ein Sohn!

      Dreiunddreißigstes Kapitel.

       Wolken

       Inhaltsverzeichnis

      Im Goldhaus ist ein sehr schönes Tauffest gefeiert worden. Tante Ulrike und Marga, schwarzatlassen und strahlend, waren erschienen. Tante Helen aus Baden und sehr schüchtern in einem wunderbaren schwarzen Rock Hans Friedrich als Pate. Auch die Fürstin ist da und benimmt sich fast tadellos. Sie ist sogar ganz menschenfreundlich zu Hans Friedrich und tolerant gegen die Tanten. Nur Tante Helen scheint sie zu meiden. Und wenn diese nach ihrer Richtung sieht, zieht sie die Augenbrauen hoch. Der Fürst strahlt und schämt sich Zar nicht, bei des Herrn Pfarrers Taufrede von seinem Taschentuch Gebrauch zu machen. Es ist ein wundervoller Apriltag mit ziehenden Schäfchen am Himmel und Holzapfelblütensträußen in allen Vasen und Zimmern. Und Märt verbraucht gewiß eine Handvoll Salz.

      Am Abend, ehe der Fürst hinüberfährt, kommt er noch in Rosmaries Zimmer, wo sie am Fenster sitzt, ihr Kind, das eben getrunken hat und darüber eingeschlafen ist, im Arm. Er beugt sich über die beiden Geliebtesten und ergreift ihre linke Hand und läßt etwas hineingleiten. Sie sieht erstaunt auf:

      »Vater, kannst du mir denn gar nicht genug tun? Und was hast du mir gegeben! Das hättest du nicht dürfen, den Brautring!«

      Sie sieht erschrocken auf ihre Hand, daran der Ring der Braunecker glänzt, kostbare, wohl italienische Arbeit. In der Mitte ein Saphir von der Art, die auf ihrem Grunde einen hellen Stern trägt. Das Rankenwerk, das den Stein trägt, ist von großer Zartheit und doch Festigkeit und so gearbeitet, daß der Ring jeder Hand paßt, ein Federdruck verändert seine Weite und stellt sie ein. Rosmaries Mutter hat den Ring getragen, sie haben ihn alle getragen, die Brauneckerinnen. »Vater, das darf ich nicht annehmen, er gehört ja Mama.«

      »Hat sie ihn je gewollt? Sie war ganz außer sich über die Zumutung, den Ring einer Toten zu tragen. Wir haben den ersten Streit darüber gehabt. Ich gab nach und schenkte ihr den großen Solitär, den sie immer trägt. Und es soll das Zeichen sein dessen, was ich mit dir sprach in jener Nacht nach deiner Hochzeit in Berlin.«

      »Mama wird ihn an meiner Hand sehen, und sie wird ihn erkennen. Sie wird verletzt sein.«

      »Rosmarie, trage ihn in Hoffnung auf die Zeit, wo er dir gebühren wird. Mamas Launen sind so vielfach, und es gibt so viele Dinge, die sie entrüsten und erregen, daß dies wirklich mit unterlaufen mag.«

      »Aber ihr ein gewisses Recht einzuschränken, Vater, ein Recht!«

      Auf des Fürsten Stirne schwoll ein Äderchen auf wie ein blauer Zickzack, und seine dunkeln Augen flammten.

      »Recht? Schweigen wir davon, Rosmarie!!«

      Sie wagt nichts mehr zu sagen und küßt ihres Vaters Wange über ihr schlafendes Kind hinüber. Ihr Kuß nimmt etwas Trübes von ihm hinweg, und er nickt ihr zu. An der Türe wendet er sich noch einmal um.

      »Du weißt doch, daß der Ring wunderbare Kräfte haben soll. Laß es dir von Tante Helen erzählen.«

      Damit ging er hinaus. Rosmarie betrachtete das Kleinod und seufzte. Mama war so friedlich heute, nun wird sie wieder gereizt werden. Und der Tag mag schwer genug für sie gewesen sein. Und was Harro zu dem Geschenk sagen wird, weiß sie nicht. Den tieferen Sinn darf sie ihm ja nicht offenbaren. Sie versucht den Ring vom Finger gleiten zu lassen, aber es ist ganz unmöglich, die Feder hält ihn fest. Es fällt ihr ein, daß sie von dem Ring doch schon gehört hat. Der leuchtende Stern in der Tiefe des Steins soll verschwinden, wenn die Trägerin die Treue nicht bewahrte. Und über Rosmaries Herz streicht eine Ahnung, daß der Braunecker Ring wohl auch schon eine schwere Fessel gewesen sein mag.

      Prinzessin Helen wohnt in Brauneck, und am späten Abend hat sie sich noch in die Sommerstube begeben, um ein Wort mit ihrem Bruder zu sprechen. Und zuerst reden sie von der großen Freude. Von dem kleinen Heinz Friedrich mit den blauen Augen und der kleinen eigensinnigen Haartolle. Und Helen sagt: »Du hast das Klügste getan mit deiner Rosmarie. Geändert hätte sie niemand. Und nun ist's eine wahre Wonne, sie zu sehen. Sie ist wunderschön. Ich möchte wissen, woher. Früher sah man ihr nur die Brauneckerin an, namentlich, als sie noch schwächlich war, nun ist's eine fremde Fee. Wie kommt dieser Glanz in unsere Hütte? Ich habe heute allen alten Tanten die Nasen entlang gesehen. Ach du lieber Himmel! Gut Brauneckisch und häßlich. Alle Schönheit ist auf die Männer gekommen.«

      »Nun, wir können's tragen,« meint der Fürst.

      »Und Harro! Fried, dieser Harro ist ein großer Künstler. Ich habe ein Bild von ihm gesehen, als erste. Die armen Seelen können es ja niemand zeigen. Ich kann dir nur sagen, es war mir heute den ganzen Tag, als ob ich etwas geschenkt bekommen hätte. Als ob in der innersten Herzkammer ein Licht scheine, von dem alles andere beleuchtet würde.«

      »Ja warum zeigt er es denn nicht? Wo haben sie es denn?«

      »Das ist es eben. Es hängt im Atelier und sieht wie ein großer flacher Wandschrank aus. Es fällt gar nicht auf. Rosmarie schloß mir auf. Innen ist das Bild in seinem goldenen Rahmen. Es stellt die Sage von der Fee von Schloß Schweigen und dem Braunecker dar. Denke dir die alte Thorsteiner Mauer mit dem Rosenbusch in Blüte und dem singenden Brunnen. Auf seinem Rande sitzt die Fee, eine Perlmutterschale in der Hand. Es ist die Rosmarie. Wie sie Gott geschaffen hat. Einen Rosenkranz auf dem Haupte. Ernst und königlich und lieblich, wie sie das sein kann. Du erinnerst dich, heute, als sie bei der Taufe ihre Hand auf das Kind legte! Auf einer grünen Wiese kniet vor ihr der Braunecker. Harro ist's, geharnischt von Kopf bis zu den Füßen. Schild und Lanze hat er neben sich liegen. Die Sturmhaube auf dem Kopf, und eine wunderbare, ja wie soll ich's heißen, Andacht in seinem Gesicht und seiner Haltung. Und der Gegensatz von dem blinkenden harten Metall zu der blütenzarten Fee. – Es ist eine Weihe auf dem Bilde, ein Liebeszauber perlt aus dem Brunnen, eine Reinheit und Andacht liegt darauf. Und etwas Geheimnisvolles noch. Die Rosmarie ist durchaus nicht lockendes Weib. Sie ist die Fee. Es ist, wie wenn über den beiden in ihrer Herrlichkeit und ihrer Liebe etwas von einem tragischen Hauch liege. Rosmarie würde das besser ausdrücken. Sie belobte mich sehr, daß ich es herausgefühlt habe, denn es sei in der Sage begründet. Vielleicht geben sich Feen auch nie ganz her. – Ja und nun hängt das da, und kein Mensch kann's genießen, praktisch ist dieser Harro nicht. Aber er hätte wohl auch keinen Kopf gefunden, der zu dem Körper gepaßt hätte. Rosmarie meint, wenn ich gestorben bin und kein Mensch mich mehr kennt, wird das Bild leben, Bilder leben ja so lange –«

      Der Fürst sagte nur: »Harro wird doch vorsichtig sein und immer abschließen.«

      Dann fing er an nervös auf seinem Schreibtisch zu kramen.

      »Ich will dir etwas zeigen, Helen. Ich will Palais Brauneck verkaufen.«

      »Palais Brauneck, Fried! Das kann dein Ernst nicht sein.« Helens schönste Jugenderinnerungen hängen an dem Hause, und

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