Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

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Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри

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sagte er ernst, »kannst du dir nicht denken, daß ich nicht in der Laune für Spielereien sein kann.«

      »Gut,« erwiderte die Rose, »dann wollen wir keine Spielereien treiben, sondern ernst und traurig sein. Weißt du, was klagende Bäume sind, Harro?«

      Er sah sie erstaunt an. »Ja, das weiß ich... Und Reiher darüber wie schwere, sehnsüchtige Gedanken. Aber es ist kein Vordergrund da. Der Vordergrund müßte eine dunkle Wasserfläche sein, deren Ufer versteckt sind unter herabgefallenen Blättern, dunkelgrünen Blättern und dazwischen das Gewässer, wie Augen aus der Tiefe sieht es zwischen den Blätterinseln hervor...«

      Rosmaries Herz klopfte wild. Wenn er jetzt nach seiner Kreide griffe. Zuckte nicht schon seine Hand danach? ... Nein, er ließ sie wieder hängen.

      »Und vorn eine schmaler Streifen Land, da stehen die Asphodelosblüten, gelb, geheimnisvoll, wie Seelen aus dem Schmerzenswald,« fuhr sie fort.

      Harro legte sich hinüber in seinen Stuhl und schloß die Augen. »So, ja so... keine Farbe weiter... nur das dunkle Grün und Blau der Bäume, die düsterbraunen Stämme.«

      Plötzlich sah er wieder auf. Er erwischte den Blick seiner Frau, der mit unsäglichem Schmerz und Trauer an ihm hing. »Rose, was ist dir? Nein, so sollst du nicht aussehen. Du willst etwas... Was wolltest du doch... dir etwas zeichnen soll ich, und ich sage heute nein zu allem, was du bittest.«

      Er nahm hastig die Kreide. Die Rose seufzte erleichtert. Er ging an seine Staffelei, und seine Kreide flog. Zuerst schienen es Bäume zu sein, dann Reiher im Fluge, dann wischte und strich er daran herum und zeichnete hastig die allersonderbarsten Dinge.

      Seine Frau hatte er wohl ganz vergessen. Er drehte sich gar nicht mehr nach ihr um. Was für sonderbare Gebilde waren denn das... Die Umrisse eines Menschen... einer Frau, jetzt verwischte er es wieder, nur die sonderbaren Gebilde blieben stehen, dicke und dünne Stränge verbanden sie... immer wieder wischte er daran und verbesserte. Nun sah es aus, als schneide ein Skelett durch die Linien... Da begriff sie... So mochte wohl der Mensch von innen beschaffen sein, unter der schönen, freundlichen Decke der Haut. Und das unregelmäßige Ding dort, das mit den Strängen verbunden war, das war das Herz. Ihr Herz, wie es jetzt in ihrer Brust seinen ängstlichen, unruhigen, mühseligen Weg ging. Sie sah, daß er immer wieder an den Linien veränderte. Und eine kalte Angst ergriff sie. Ihr geliebter Mann war krank, sehr krank. Seine Wildheit gestern, sie war nicht ein plötzlicher Ausbruch gewesen seines Jammers und die Gedanken waren nicht zum erstenmal in ihm aufgestiegen, die schlugen vielleicht schon lange ihre wilden, finsteren Schwingen um sein Haupt. Und draußen lachte das Kind und glänzte der goldene Morgen, und Schmetterlinge aus der Sommerwelt verirrten sich herein, und Harro stand da und korrigierte an seinem Liniengewirr. Schon fünfmal stand der unregelmäßige Beutel da mit seinen Strängen.

      »Wenn ich jetzt fort könnte, wenn ich nicht so angekettet wäre! Daß er nicht merkt, wie schauerlich mir das ist. Nun muß ich liegen und ihm zusehen, oh, mein armer Harro! Und ob ich ihn stören soll, weiß ich nicht... und ob ich lügen soll, daß ich nicht weiß, was er da macht, weiß ich auch nicht.«

      »Harro!« – Er drehte sich herum, er sah grünweiß aus. Er sah sie an, wie wenn er nicht wüßte, wo sie auf einmal hergekommen.

      »Ja, ja, da bist du, Rose!« Er drehte sich so, daß er seine Zeichnung verdeckte... »Willst du in die Sonne... ich bin noch nicht ganz fertig.«

      »Doch, du bist fertig, Harro,« sagte sie... »es macht dich noch kränker als du schon bist, das Zeichnen ... Komm mit mir heraus...«

      »Krank, ich bin doch nicht krank!« er drehte sich um und fuhr auf seine Zeichnung los und wischte sie hastig aus. Er konnte sich nicht genug wischen, bis die Leinwand die gleiche gräuliche Farbe hatte. Dann kehrte er sich um und warf sich erschöpft auf einen Stuhl. »Es waren Ornamente,« stammelte er, »aber sie taugten nichts.«

      »Nein, Harro, es waren kranke Herzen, und sie taugten auch nicht mehr viel.«

      Er fuhr auf. »Welche Idee...«

      »Sie taugten nur noch zu einem großen Kummer um dich.«

      Harro verbarg sein Gesicht in seine Hände.

      »Hast du das schon oft gezeichnet?...«

      »Nichts anderes in der letzten Zeit. Ich habe oft etwas begonnen. Es wird immer das gleiche. Es macht mich halb verrückt, der Gedanke, man hätte dir vielleicht helfen können, wenn sie es anders gemacht hätten... Ich glaube selbst, daß ich krank bin, Rose. Ich fing an, deine klagenden Bäume zu zeichnen. Es ist wie ein Dämon in mir, die Gedanken treiben mich im Kreise herum.«

      »Wenn du dich zwingen könntest, ein Bild zu malen, das dich ganz beschäftigte, ausfüllte, fortrisse, bedrängte. Ich weiß ja, wie es dir zumute sein muß, du mußt den Augenblick nicht erwarten können, wo du dich wieder darauf stürzen darfst. Du müßtest dran siebenmal in einem Tage verzweifeln und siebenmal selig darüber sein. Harro, Lieber! Hörst du auf mich?«

      Er sah auf. »Doch... aber ich kann nur noch ein Bild malen, mein letztes. Ich sehe es vor mir, es verfolgt mich, um ihm zu entgehen, mache ich die Zeichnungen.«

      »Du hast ein Bild im Herzen? Was ist es denn? Laß mich es wissen.«

      »Du wirst unglücklich sein, wenn du es siehst, Rose... und wenn ich es male, bricht mir das Herz darüber...«

      Er stöhnte. »Ich muß sehen, immer sehen! Vor mir verbirgst du nichts. Du kannst das stolzeste, das freundlichste, das liebevollste Gesicht machen. Ich sehe doch, wie du leidest, jeden feinen Schmerzenszug seh ich. Ich seh es, wenn es so schlimm wird, daß du deine Hände verstecken mußt. Du bist gar nicht immer traurig bei deinem Leiden, du lachst sogar einmal, daß es mich eine Sekunde blendet, dann seh ich es schon wieder. Und wie es schlimmer wird, seh ich, und wie es wohl sein mag, wenn du allein sein willst mit Ulrike. Siehst du denn so aus?« Er zog eine Farbenskizze hervor, die mit wahrhaft entsetzlicher Kunst gemalt war. Wie in jener Gewitternacht, so todblaß, solche verkrampften Hände, so wilde, schmerzliche Augen, und um den Mund ein Zug von hilfloser Qual.

      Er warf die Skizze hinweg. »So bin ich, so geh ich mit dir um, das zeig ich dir!... Warum rufst du nicht nach deiner Mutter, daß sie den Menschen entfernt? Daß du Ruhe vor ihm hast!... Ja, nun stößt es wieder, dein Herz. So dunkel deine Augen.«

      »Nimm den Pinsel, Harro, und male, was du siehst,« sagte sie mühsam. »Wenn du es doch sehen mußt, so male es dir vom Herzen... Ich bin ja immer dein Modell gewesen. Ich halt dir ja still, helfen kann man mir nicht, reden darf ich nicht mehr... So mal doch, Harro ...«

      Er riß seine Pinsel heraus, seine Farben, mit wilden Strichen arbeitete er; seine dämonischen Augen ruhten auf ihr, glitten unbarmherzig über ihre bebenden Hände, über das ins Kissen zurückgeworfene Haupt mit den halbgeschlossenen Augen und den im heftigsten Leiden noch stolz geschlossenen Mund. Sein Schatten war auf ihm. Der Fluch seines Segens...

      Im Garten jubelte das Kind und bellte das Hündchen, mit dem es spielte. Die alte Dame klopfte, aber niemand antwortete ihr.

      Plötzlich entfiel ihm der Pinsel –, was war das? Fast plötzlich hatte Rosmarie die Augen weit geöffnet, die Iris lag nur noch als schmaler Rand, um die Pupille. Sie sah geradeaus ihn an und sah ihn doch nicht. In einem Momente spielte ein wundervolles Lächeln um ihre Lippen, das er noch gar nie an ihr gesehen hatte. Fremd und lieblich und hoheitsvoll. Der Ausdruck verstärkte sich in jedem Augenblick. Jede Spur des Leidens war aus dem Gesicht gewichen, sogar auf den Lippen blühte ein leises Rot auf, von innen her wie das

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