Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

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Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри

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sind alle tot, und ist gar keiner da außer mir – kein Junge – deshalb muß ich der Graf werden, und mein Großpapa hat jemand geschickt, der mich nach England abholen soll.«

      Mr. Hobbs schien es immer heißer zu werden, er wischte seine Stirn und seinen kahlen Schädel und schnaubte und pustete ganz fürchterlich. Daß hier ein sehr merkwürdiges Ereignis vorlag, fing an, ihm aufzudämmern, wenn er dann aber wieder den kleinen Jungen auf der Biskuitkiste ansah mit den ängstlichen, unschuldigen Kinderaugen, an dem so ganz und gar nichts verändert zu sein schien, sondern der ganz der nämliche hübsche, fröhliche kleine Kerl war in seinem schwarzen Röckchen mit der roten Krawatte, wie er am Tage vorher auch da gesessen, so überwältigte ihn diese Geschichte von Adel und Titeln immer wieder aufs neue, und weil Cedrik sie mit solcher Einfachheit und Unbefangenheit wiedergab, offenbar ohne sich selbst einen Begriff von ihrer Tragweite zu machen, steigerte sich seine Verblüffung immer mehr.

      »Und, und wie hast du gesagt, daß du jetzt heißest?« fragte Mr. Hobbs.

      »Cedrik Errol, Lord Fauntleroy,« erwiderte der arme kleine Edelmann. »So nennt mich Mr. Havisham; als ich ins Zimmer trat, hat er gesagt: ›So, so, das ist also der kleine Lord Fauntleroy.‹«

      »Da will ich mich doch gleich räuchern lassen!«

      Dies war eine bei Mr. Hobbs in Fällen großer Gemütsbewegung sehr beliebte Redewendung, und in diesem aufregenden Moment fiel ihm eben gar nichts andres ein. Cedrik war auch weit entfernt, darin etwas Ungeeignetes zu sehen; seine Verehrung und Bewunderung für Mr. Hobbs waren so fest gegründet, daß er die Richtigkeit seiner Bemerkungen blindlings anerkannte, auch hatte er noch zu wenig von Gesellschaft gesehen, um zu wissen, daß Mr. Hobbs nicht gerade korrekt war. Daß er ganz anders war als seine Mama, fühlte er freilich, aber Mama war eben eine Dame, und daß Damen und Herren verschieden geartete Wesen, war ihm selbstverständlich.

      Er sah Mr. Hobbs sehr ernsthaft an.

      »England ist weit weg, nicht wahr?« fragte er.

      »Ueberm Atlantischen Ozean drüben, einfach,« erläuterte Mr. Hobbs.

      »Das ist das Schlimmste an der Sache,« sagte Cedrik traurig. »Vielleicht sehe ich Sie da lange nicht mehr – mag gar nicht dran denken, Mr. Hobbs.«

      »Auch die besten Freunde müssen scheiden,« erwiderte Mr. Hobbs feierlich.

      »Wir sind nun schon viele, viele Jahre Freunde, nicht wahr?«

      »Seit du auf der Welt bist. Sechs Wochen, schätz' ich, warst du alt, da machtest du deinen ersten Ausflug auf die Straße.«

      »Ach,« bemerkte Cedrik mit einem tiefen Seufzer, »damals dachte ich noch nicht, daß ich einmal ein Graf werden sollte.«

      »Du meinst also, es sei keine Möglichkeit, aus der Patsche zu kommen?«

      »Keine, fürcht' ich; Mama sagt, daß es Papas Wunsch sein würde, daß ich gehe. Aber wenn ich auch ein Graf sein muß, so bleibt mir doch eins – ich kann versuchen, ein recht guter zu werden; ein Tyrann werde ich gewiß nicht. Und wenn wieder ein Krieg mit Amerika kommt, so werde ich dem ein Ende machen, wenn ich kann.«

      Es folgte nun eine eingehende, ernsthafte Besprechung mit Mr. Hobbs über den politischen Gesichtspunkt der Sache. Nachdem der würdige Mann den ersten Schreck überwunden hatte, zeigte er sich weit milder, als zu erwarten gewesen, that sein Möglichstes, die Sache von der guten Seite zu nehmen, und stellte eine Menge Fragen. Da Cedrik nur einen kleinen Teil derselben beantworten konnte, suchte er dies selbst zu vollbringen, und als er einmal im Zuge war, verkündigte er über Erbrecht, Grafentitel und Familiengesetze Dinge, die Mr. Havisham in großes Erstaunen gesetzt haben würden.

      Mr. Havisham erlebte überhaupt viel Erstaunliches. Er hatte sein ganzes Leben in England zugebracht, und amerikanische Sitten und Menschen waren ihm vollkommen fremd. Seit beinahe vierzig Jahren stand er in Geschäftsverbindung mit der Familie des Grafen Dorincourt, kannte alle Verhältnisse und Besitztümer des Hauses aus- und inwendig und empfand in seiner kühlen, geschäftsmäßigen Weise ein gewisses Interesse für den kleinen Jungen, der einst Herr und Gebieter über alles sein sollte. Alle Enttäuschungen, welche die älteren Söhne dem Vater bereitet, hatte er miterlebt, hatte des Grafen Entrüstung über Kapitän Cedriks Heirat mitangesehen und mußte, wie der alte Herr die kleine Witwe haßte, und in welch bittern, harten Worten er von ihr zu sprechen pflegte. Sie war in seinen Augen nun ein für allemal nichts als eine ungebildete Amerikanerin, die seinen Sohn ins Netz gelockt, weil sie gewußt hatte, welch einer Familie er angehörte, und Mr. Havisham teilte diese Auffassung so ziemlich, denn er hatte ja im Leben genug käufliche und berechnende Seelen kennen gelernt, und von den Amerikanern hielt er ohnehin nicht viel. Als der Kutscher ihn nach seiner Ankunft in die entlegene ärmliche Straße und vor das elende kleine Haus gefahren hatte, war er ganz entsetzt gewesen: daß der künftige Besitzer von Schloß Dorincourt und Wyndham Towers und Chorlworth und all den andern stattlichen Gütern hier geboren und groß gewachsen sein sollte, verletzte auch sein Selbstgefühl.

      Er war sehr gespannt, welcher Art Mutter und Kind sein würden, und es bangte ihm vor der Begegnung: er war stolz auf das vornehme alte Haus, dessen Angelegenheiten so lange schon die seinigen waren, und es hätte ihn im Innersten peinlich berührt, wenn er mit einer niedrig denkenden, geldgierigen Frau zu thun bekommen hätte, die für ihres verstorbenen Mannes Stellung und Ehre kein Gefühl gehabt. Handelte es sich doch um einen alten Namen und um einen glänzenden, für den Mr. Havisham sich trotz aller Kühle und geschäftsmännischen Nüchternheit einer gewissen Ehrfurcht nicht erwehren konnte.

      Als Mary ihn in den kleinen Salon geführt hatte, warf er einen kritischen Blick um sich. Die Einrichtung war einfach, aber wohnlich; nirgends waren geschmacklose, billige Spielereien oder Farbendrucke an den Wänden; der wenige Wandschmuck war durchaus künstlerischer Art und eine Menge hübscher Kleinigkeiten, die von weiblicher Hand herrührten, machten den Raum behaglich.

      »So weit nicht übel,« sagte der alte Herr zu sich selbst, »da hat aber wohl des Kapitäns Geschmack den Ausschlag gegeben.« Als jedoch Mrs. Errol ins Zimmer trat, konnte er nicht umhin, zu denken, daß möglicherweise auch der ihrige maßgebend gewesen sein könnte. Wäre er nicht ein gar so steifer, zurückhaltender Geschäftsmann gewesen, so würde er vermutlich seine Ueberraschung bei ihrem Anblick nicht verborgen haben; sie sah in dem schlichten schwarzen Gewande, das sich eng um ihre zarte Gestalt schmiegte, weit eher wie ein junges Mädchen, als wie die Mutter eines siebenjährigen Jungen aus; ihr Gesichtchen war hübsch, und in den großen braunen Augen lag ein Blick voll Unschuld und Innigkeit, dabei aber auch von unsäglicher Traurigkeit, die nicht mehr von ihr gewichen war, seit sie ihren Mann verloren. Cedrik hatte sich ganz an die traurigen Augen gewöhnt, und zuweilen sah er sie doch auch fröhlich aufleuchten, das war aber nur, wenn er mit ihr spielte oder plauderte oder irgend etwas Altkluges sagte oder eins von den langen Fremdwörtern gebrauchte, die er bei Mr. Hobbs oder aus der Zeitung aufschnappte. Er gebrauchte gern so lange Wörter und er freute sich auch, wenn seine Mama darüber lachte, obwohl er nicht begriff, was sie daran komisch fand, denn ihm war es voller Ernst damit. Der Anwalt hatte in seiner langen Praxis Gesichter vom Blatt lesen gelernt und wußte auf den ersten Blick, daß er und der Graf sich mit ihren Voraussetzungen gründlich getäuscht hatten. Mr. Havisham war nie verheiratet, ja nicht einmal verliebt gewesen, aber er fühlte, das dies junge Geschöpf mit der süßen Stimme und den traurigen Augen Kapitän Errol geheiratet hatte, weil sie ihn mit aller Kraft ihrer Frauenseele geliebt, und daß sie auch nicht ein einzigmal daran gedacht hatte, wessen Sohn er sei. Und er wußte nun auch, daß sie ihm keine Schwierigkeiten bereiten werde, und daß möglicherweise dieser kleine Lord Fauntleroy seiner Familie nicht so viel Kummer machen werde, als man erwartet hatte; der Kapitän war ein hübscher Mann gewesen, die Mutter war sehr hübsch, vielleicht war der Junge auch zum Ansehen.

      Als

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