Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

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Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри

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      »Zarte Aufmerksamkeit! Wenn einem zugemutet wird, vis-à-vis von sich selber zu schlafen.«

      »Die Betten sind nur verwechselt worden,« flötet Harro. »Du solltest unter der Ahnfrau Marga schlafen und Marga unter dir. Ihr seid ja sonst so unzertrennlich. Schmerzlich ist's, wenn man in seinen reinsten Absichten verkannt wird.«

      »In gelbem Holz noch dazu, wie ein Götzenbild,« grollt Ulrike.

      Marga klopft ihm auf die Hand. »Das Zimmer hast du schön gemacht, wir konnten uns nichts Besseres wünschen. Und die ganze Südsonne. Ich würde Reseden und Kapuziner da oben ziehen.«

      »Der Blumenzauber kommt im nächsten Jahr, das soll sich Rosmarie ausdenken. Und nachher lade ich alle in mein Atelier ein, dann könnt ihr sehen, wie das alles entstanden ist.«

      »Wenn keine unchristlichen nackten Frauen aufgestellt sind, – ich glaube, ihr nennt es Akte –, wollen wir kommen.«

      »Du wirst geschont werden, Tante Ulrike.«

      »Nach dem, was ich heute nacht erlebt, ist dir alles zuzutrauen.«

      »O bitte! Habe ich dich etwa als Akt dargestellt?«

      Tante Ulrike hob in schweigendem Entsetzen die Hände gen Himmel, daß Rosmarie wieder ganz ängstlich wurde.

      Ein so schöner Spätherbst wurde es noch, und die guten Tanten sonnten sich wie Katzen in ihrer Giebelstube. Tante Ulrikes strenge Miene war vor Rosmaries Lieblichkeit längst wie Wachs zergangen. Harro behauptete, es glätteten sich jeden Tag einige Falten bei ihr, und er müsse ihre Büste, die noch immer unter ihrer Handtuchhülle steckte, daraufhin nachsehen.

      Ob wohl Rosmarie sich die erste Zeit ihrer Ehe so gedacht hatte? Aber sie war von der steten drückenden Gegenwart ihrer Mutter befreit und bei dem Geliebten doch so froh und glücklich. Nicht daß die Tanten sie beengt hätten; ihre Furcht vor ihnen war schon zu Anfang einer herzlichen Liebe gewichen. Stachelig und hart waren sie wohl, aber Seelen von alten Damen, und konnten sich wie Kinder freuen.

      Aber Harro war nicht mehr so durchsichtig wie früher. Er hatte wieder, wie in Bordighera, seine geheimnisvollen Zeiten. Er arbeitete mit Riesenfleiß an einem großen Herbstbilde und war täglich viele Stunden fort. Und dann schien er zuweilen ein Alleinsein mit ihr zu vermeiden.

      Und wenn sich Rosmarie darüber im stillen Herzenswinkel vielleicht zu grämen begann, dann war er in erhaschten Augenblicken wieder so von überströmender Liebe und wilder Zärtlichkeit, die sie mit leiser Furcht oder Schauer wie vor etwas Unbekanntem bewegten. Aber das waren zuerst ja nur vorübergehende Wolken an ihrem blauen Himmel.

      Die Fürstin hatte sich kein einziges Mal blicken lassen, der Fürst ritt nach den ersten acht Tagen jeden Tag hinüber und saß bei dem schönen weichen Herbstwetter auf der breiten Terrasse vor dem Eßzimmer, die über dem Garten lag. Dort waren freilich bis jetzt nur grüne frische Rasenflächen und gelbe Wege. Aber darunter, den Berghang begleitend, standen die goldroten Wipfel des Waldes, und andere goldrote Waldberge leuchteten auf bis zum fernsten duftblauen Höhenzuge des Odenwaldes.

      Dort saß der Fürst mit seiner Tochter, die eine ihrer kunstvollen Seidenstickereien in den Händen hatte, und sonnte sich an Leib und Seele. Die Tanten erschienen und verschwanden wieder. Harro zeigte sich auf kurze Augenblicke.

      Das Haar des Fürsten war fast plötzlich eisengrau geworden und immer mehr feine und charakteristische Fältchen zeigten sich in seinem Gesicht und machten es den Bildern in seinem Ahnensaal immer ähnlicher.

      Mit dem ersten Schnee mußten die guten Tanten wieder in ihr Stift zurückkehren, das Tante Ulrike mit Weisheit und merkwürdiger Unparteilichkeit leitete.

      Um diese Zeit erzählten Waldarbeiter in Brauneck die unglaubliche Tatsache, man habe den Grafen Thorstein wieder im Walde, mit seiner Staffelei auf dem Rücken, der Lodenjoppe und dem dreimal verfärbten Filzhütchen gesehen. Der Ruinengraf, wie er leibte und lebte, und nicht, wie wenn er inzwischen sich ein Goldhaus und eine Prinzessin erobert hätte, denn Haus Thorstein wurde nach den Goldmosaiken, dergleichen man nie in der Gegend gesehen, das Goldhaus genannt.

      Es gab für Rosmarie einen schweren Abschied von den Tanten, sie hatte sich besonders an die stachelige Tante Ulrike angeschlossen, sie fühlte eine zarte Güte aus ihr heraus, die sich unter der streitbaren Außenseite verbarg.

      Und nun war Rosmarie allein in ihrem so heiß ersehnten Goldhaus. Die weißblaue Fahne auf Schloß Brauneck war eingezogen und die Lichter in dem großen Bau verschwanden bis auf des Herrn Domänenrats Arbeitslampe.

      Draußen rieselte ein mit Regen gemischter Schnee herab auf Rosmaries zukünftigen Garten, auf die grünen Beete und die gelben Wege und die entlaubten Kronen der Eichen und Buchen des Schloßberges.

      Rosmarie sah in ihrem Schmollzimmer an ihrem Sticktisch, der mit bunten Seidensträngen bedeckt war. Alle Morgenpflichten sind bereits erledigt. Sie war bei der Köchin gewesen, die halb empört vor dem kleinen Braten und der Puddingform gestanden hatte, empört darüber, daß ihre Künste zu nichts weiterem begehrt würden.

      »Dafür könnte sich die Prinzessin ein Mädchen für alles anlernen,« brummt sie hinter der jungen Hausfrau her. Für Lisa eine Arbeit zu finden, war eine Kunst gewesen. Die großen Schränke waren so voll von neuen Dingen.

      Nun näht sie blau und rosa Jahreskleidchen, denn Rosmarie war eingefallen, daß sie eigentlich jedem im Dorf Thorstein geborenen Kinde ein Kleidchen schenken könnte. Alle gleich, damit die Frauen nicht aufeinander neidisch würden. Harro hat sich in sein Atelier mit dem Bild, das heute fertig werden soll, eingeschlossen.

      Nun fliegen Rosinaries feine Hände auf und ab, die Nadel blitzt, draußen fällt der Schnee wieder dichter, der grüne Rasen bekommt schon eine weiße Decke.

      Wenn es nur nicht gar so still wäre! Der Schnee so still und in dem Hause eine Stille! Nicht wie in Brauneck, wo man von den vielen Steingalerien her immer Schritte hört, wo die Lisa in der Nähe hantiert, irgendwo ein Jagdhund blaffte, oder ein Wagen über das uralte Pflaster des Hofes rollte.

      Auf Rosmaries farbenbunten Strängen glitzern zwei Perlen. Erschrocken sieht sie aus. Wenn das jemand sähe! Tränen hier. Im schönsten Haus, nur wenige Schritte von Harros Atelier!

      »Aber Rosmarie! Und mache dir nicht vor, daß du um Vater weinst, der jetzt nach Berlin fährt. Oder nach dem Holzwagen, der jetzt in Brauneck über das Pflaster holpert.«

      Und es sinkt die Arbeit herunter, und Rosmaries Kopf mit den goldenen Flechten, die sie ja hier ruhig hängen lassen kann, sinkt auf ihre Hände.

      Draußen fällt der Schnee und ein Rabe schreit von der hohen Tanne. Einen Augenblick, dann hebt er seine Flügel und streicht davon. Rosmarie erhebt wieder ihr schönes Gesicht.

      »Es ist eine Schande, und ich möchte wissen, was du eigentlich zu klagen hast!« Aber ihre Seele klagt: »Es ist ein Schleier zwischen mir und Harro und er wird jeden Tag dichter. Wenn ich nach ihm taste, so greife ich in das Gespinst. Und seine Augen brennen immer ferner und ferner. Es ist etwas an mir, das er liebt, und etwas, das er fürchtet. O Gott, ich bin zum Fürchten. Ich habe etwas an mir, was zum Fürchten ist.«

      Sie steht auf und geht hin und her in ihrem mit so viel Liebe geschmückten Heiligtum, die Augen, die sanften, auf den Boden gerichtet, ihre schmalen Hände an die Schläfen gedrückt, als könne sie die Gedanken bannen, die da anstürmen.

      »Er

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