Ausgewählte Werke von Selma Lagerlöf. Selma Lagerlöf
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Ausgewählte Werke von Selma Lagerlöf - Selma Lagerlöf страница 115
Sobald Klement geendet hatte, sagte die Sennerin, er solle das Halstuch haben. »Bernhard hat etwas erzählt, was ein anderer erlebt hat, Klement aber hat selbst ein wirkliches Abenteuer erlebt, und das scheint mir mehr zu sein,« sagte sie.
Darin stimmten sie alle mit ihr überein. Sie betrachteten Klement nun, wo sie erfahren hatten, daß er mit dem König geredet hatte, mit ganz andern Augen als bisher, und der kleine Spielmann wagte kaum zu zeigen, wie stolz er sich fühlte. Aber mitten in der großen Begeisterung fragte ihn plötzlich jemand, was er denn mit dem kleinen Wicht gemacht habe.
»Ich hatte keine Zeit, ihm den blauen Napf selbst hinzustellen;« sagte Klement. »Aber ich habe den alten Lappen gebeten, es zu tun. Was später aus ihm geworden ist, weiß ich nicht.«
Kaum hatte Klement dies gesagt, als ein kleiner Tannenzapfen geflogen kam und ihn an die Nase traf. Er kam nicht aus den Bäumen, und er kam auch nicht von einem Menschen. Es war nicht zu begreifen, woher er kam.
»Ha, ha, Klement!« lachte die Sennerin. »Es scheint, daß die Männlein hören, was wir sprechen. Ihr hättet es gewiß nicht einem andern überlassen sollen, ihm das Essen in dem blauen Napf hinzustellen!«
XL. In Medelpad
Freitag, 17. Juni.
Am nächsten Morgen waren der Adler und Niels Holgersen in aller Frühe unterwegs, und Gorgo hoffte, daß er an diesem Tage weit nach Västerbotten hinaufkommen würde, aber da geschah es, daß er den Jungen zu sich selbst sagen hörte, in so einem Lande wie dies, über das er nun hinfliege, müsse es doch für Menschen unmöglich sein zu leben.
Das Land, das unter ihnen lag, war das südliche Medelpad, und sie sahen nicht das Geringste weiter als wilde Wälder, Sobald aber der Adler hörte, was Niels sagte, rief er sofort: »Hier oben ist der Wald der Acker!«
Der Junge dachte darüber nach, welch großer Unterschied doch sei zwischen den hellen, gelben Roggenfeldern mit ihren weichen Halmen, die in einem Sommer in die Höhe schossen, und dem dunklen Nadelwald mit den harten Stämmen, die Jahre brauchten, ehe sie zur Ernte reiften. »Der muß eine gute Geduld haben, der sein Auskommen von so einem Acker haben will,« sagte er.
Mehr wurde nicht gesprochen, bis sie an einen Ort kamen, wo der Wald gefällt und die Erde nur mit Baumstümpfen und abgehauenen Zweigen bedeckt war. Als sie über dies Stoppelfeld hinflogen, hörte der Adler den Jungen zu sich selbst sagen, das sei doch eine schrecklich häßliche und armselige Gegend.
»Das ist ein Acker, der im letzten Winter gemäht wurde,« rief der Adler sofort.
Der Junge dachte daran, wie die Schnitter in seiner Heimat an den schönen, hellen Sommermorgen mit ihren Mähmaschinen hinausfuhren und in ganz kurzer Zeit ein Feld mähten. Aber der Waldacker wurde im Winter gemäht. Wenn der Schnee den Erdboden hoch bedeckte und die Kälte am strengsten war, zogen die Holzfäller in das Ödland hinaus. Es war ein hartes Stück Arbeit, nur einen einzigen Baum zu fällen, und um eine Waldstrecke, so groß wie diese, zu fällen, mußten sie sicher mehrere Wochen draußen im Walde gelegen haben. »Es müssen tüchtige Leute sein, die einen solchen Acker mähen können,« sagte er.
Nachdem der Adler ein paar Flügelschläge gemacht hatte, gewahrten sie eine kleine Hütte, die am Rande des gefällten Waldes lag. Sie war aus groben, unbehauenen Baumstämmen gebaut, hatte keine Fenster und als Tür nur ein paar lose Bretter. Das Dach war mit Baumrinde und Zweigen gedeckt gewesen, es war jetzt aber eingefallen, so daß der Junge sehen konnte, daß drinnen in der Hütte nur ein paar große Steine waren, die als Herd gedient hatten und einige breite, hölzerne Bänke. Als sie über die Hütte hinflogen, hörte der Adler den Jungen sich darüber wundern, wer wohl in einer so elenden Hütte gewohnt haben könne.
»Die Schnitter, die den Waldacker gemäht haben, sie haben hier gewohnt!« rief der Adler sogleich.
Der Junge dachte daran, wie die Schnitter daheim in seiner Gegend am Abend fröhlich und vergnügt von der Arbeit heimkehrten, und wie ihnen das Beste aufgetischt wurde, was seine Mutter in der Speisekammer hatte. Hier mußten sie sich nach der harten Arbeit in einer Hütte zur Ruhe legen, die schlechter war als ein Schuppen. Und was sie hier zu essen bekamen, das konnte er wirklich nicht begreifen. »Ich fürchte, für diese Schnitter werden keine Erntefeste gefeiert!« sagte er.
Etwas weiter hin sahen sie unter sich einen schrecklich schlechten Weg, der sich durch den Wald schlängelte. Er war schmal und schief, uneben und winklig, steinig und voller Löcher und an mehreren Stellen von Bachen durchschnitten. Als sie über den Waldweg hinflogen, hörte der Adler, daß sich der Junge darüber wunderte, was wohl auf einem solchen Wege gefahren sein könne.
»Auf diesem Wege ist die Ernte in Schober gefahren,« sagte der Adler.
Wieder konnte der Junge nicht umhin daran zu denken, welch munteres Leben es daheim war, wenn die großen, mit zwei starken Pferden bespannten Erntewagen, das Korn vom Felde nach Hause brachten. Der Knecht, der fuhr, saß kerzengerade oben auf dem Fuder. Die Pferde warfen sich stolz in die Brust, und die Kinder, die Erlaubnis bekommen hatten, auf das Fuder hinaufzuklettern, saßen da oben und schrien laut, halb fröhlich, halb ängstlich. Hier aber wurden schwere Baumstämme auf steilen Hügeln hinauf und hinunter gefahren. Die Pferde mußten sich wie gerädert fühlen, und der Kutscher war gewiß manch liebes Mal in heller Verzweiflung! »Ich fürchte, man hört nicht viel muntere Reden hier auf diesem Wege,« sagte der Junge.
Der Adler schwang sich mit mächtigen Flügelschlägen durch die Luft, und nach einer Weile langten sie am Ufer eines Elfs an.
Hier sahen sie einen Platz, der ganz mit Spänen, Holzstücken und Baumrinde bedeckt war. Der Adler hörte, wie sich der Junge darüber wunderte, daß es dort unten so unordentlich aussah.
»Hier hat die Ernte in Schobern gestanden,« rief der Adler.
Der Junge dachte daran, wie die Kornschober daheim in seiner Gegend dicht neben den Höfen errichtet wurden, als seien sie ihre beste Zier. Hier fuhr man die Ernte an ein einsames Flußufer hinab und ließ sie da liegen. »Ich möchte wohl wissen, ob wohl jemand hier in die Wildnis hinauskommt und seine Schober zählt und sie mit denen des Nachbars vergleicht!« sagte er.
Nach einer Weile kamen sie an den großen Elf Ljungan, der in einem breiten Tal floß. Und wie mit einem Schlage war alles so verwandelt, daß sie hätten glauben können, sie seien in ein anderes Land gekommen. Der Nadelwald war auf den steilen Hügeln oberhalb des Tals zurückgelassen, und die Abhänge waren mit weißstämmigen Birken und mit Pappeln bewachsen. Das Tal war so breit, daß sich der Elf an vielen Stellen zu einem See erweitern konnte. Die Ufer waren mit großen, stattlichen Höfen dicht bebaut. Als sie über das Tal hinflogen, hörte der Adler, wie sich der Junge darüber wunderte, daß die Wiesen und Felder, die da lagen, für eine so große Bevölkerung ausreichen konnten.
»Hier wohnen die Schnitter, die den Waldacker mähen,« sagte der Adler.
Der Junge dachte an die niedrigen Häuser und die eng zusammengebauten Höfe in Schonen. Hier wohnten die Bauern gleichsam auf Herrenhöfen. »Es scheint, als lohne sich die Arbeit im Walde gut,« sagte er.
Der Adler hatte beabsichtigt, nordwärts, quer über den Ljungan zu fliegen, aber als er eine Strecke über den Elf hinausgekommen war, hörte er, wie der Junge sich darüber wunderte, wer sich wohl