Ausgewählte Werke von Selma Lagerlöf. Selma Lagerlöf
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Читать онлайн книгу Ausgewählte Werke von Selma Lagerlöf - Selma Lagerlöf страница 133
Handfest versuchte es einmal über das andere, aber es wollte ihm nicht gelingen, und er warf den Spund weg. Der ganze Fußboden war jetzt voller Met, und damit man doch wenigstens in der Stube sein könne, zog der Fremde tiefe Furchen, in denen der Met fließen konnte. Er bildete Wege für den Met in den harten Felsengrund, so wie die Kinder im Frühling Wege für das Schneewasser in den Sand ziehen, und da und dort stampfte er mit dem Fuß tiefe Löcher, in denen sich die Flüssigkeit ansammeln konnte. Das Riesenweib stand währenddessen ruhig da und sah zu, und hätte der Gast zu ihr aufgesehen, würde er entdeckt haben, daß sie der Arbeit mit Staunen und Entsetzen zusah. Als er aber endlich fertig war, sagte sie spöttisch: ›Hab’ Dank, Handfest! Ich sehe, du tust, was du kannst. Mein Mann hilft mir sonst, den Spund wieder hineinzustecken, aber man kann ja nicht verlangen, daß alle so stark sind, wie er. Wenn du nicht dazu imstande bist, meine ich, es wäre am besten, wenn du gleich deiner Wege gingest.‹
›Ich gehe nicht, ehe ich mein Anliegen vorgebracht habe,‹ sagte der Fremde, aber er sah beschämt und niedergeschlagen aus. – ›Dann setze dich auf die Bank da,‹ sagte das Weib, ›ich will den Kessel aufs Feuer setzen und dir eine Grütze kochen.‹
Das tat die Hausfrau. Als aber die Grütze fast fertig war, wandte sie sich nach dem Gast um. ›Ich sehe eben, daß ich fast kein Mehl mehr habe, so daß ich die Grütze nicht dick genug bekommen kann. Glaubst du, daß du Kräfte genug hast, die Mühle zu drehen, die neben dir steht? Nur ein paarmal herum. Es ist Korn zwischen den Steinen. Aber du mußt deine ganze Kraft dransetzen, denn die Mühle geht nicht leicht.‹
Der Gast ließ sich nicht lange bitten, sondern versuchte, die Handmühle zu drehen. Er fand nicht, daß sie besonders groß war, als er aber den Griff erfaßte und den Stein rund herum drehen wollte, ging sie schwer, daß er sie nicht bewegen konnte. Er mußte alle Kräfte anspannen und war doch nicht imstande, die Mühle mehr als einmal herumzudrehen.
Das Riesenweib sah ihm stumm und staunend zu, während er arbeitete. Als er aber die Mühle losließ, sagte sie: ›Ich bin ja freilich an bessere Hilfe von meinem Manne gewöhnt, wenn die Mühle schwer geht. Aber niemand kann von dir verlangen, daß du mehr tust als wozu deine Kräfte ausreichen. Kannst du jetzt aber nicht einsehen, daß es am besten für dich wäre, wenn du es vermiedest mit dem zusammenzutreffen, der so viel, wie er will, auf dieser Mühle mahlen kann?‹ – ›Ich glaube, daß ich trotzdem auf ihn warten will,‹ sagte Handfest ganz still und sanftmütig. – ›Ja, dann setze dich ruhig auf die Bank da, während ich dir ein gutes Bett bereite,‹ sagte das Riesenweib, ›denn du wirst wohl die Nacht hier bleiben müssen.‹
Sie richtete ein Bett mit vielen Kissen und Pfählen her und wünschte dem Gast gute Nacht. ›Ich fürchte, du wirst das Bett ziemlich hart finden,‹ sagte sie, ›aber mein Gatte liegt jede Nacht auf einem solchen Lager.‹
Als sich Handfest nun in dem Bett ausstrecken wollte, spürte er so viele Unebenheiten und Vertiefungen unter sich, daß an Schlaf nicht zu denken war; er drehte und wendete sich, konnte aber keine Ruhe finden. Schließlich warf er alle Kissen aus dem Bett, einen Pfühl hierhin und ein Federbett dahin, und dann schlief er ruhig bis zum Morgen.
Als die Sonne aber durch das Dach der Hütte schien, stand er auf und verließ das Haus der Riesen. Er ging über den Hofplatz und durch die Pforte, die er hinter sich schloß. Im selben Augenblick stand das Riesenweib neben ihm: ›Ich sehe, du hast die Absicht von dannen zu gehen, Handfest,‹ sagte sie. ›Das ist auch sicher das klügste, was du tun kannst.‹ – ›Wenn dein Mann in einem solchen Bett schlafen kann, wie du es mir für diese Nacht bereitet hast,‹ entgegnete Handfest mürrisch, ›so liegt mir nichts daran, mit ihm zusammenzutreffen. Er muß ein Mann von Eisen sein, den niemand zu überwinden vermag.‹
Das Riesenweib stand an die Pforte gelehnt da. ›Jetzt, wo du von meinem Hof herunter bist, Handfest,‹ sagte sie, ›will ich dir doch sagen, daß deine Reise zu uns Riesen hinauf nicht so ganz unehrenvoll gewesen ist, wie du selbst zu glauben scheinst. Es war nicht zu verwundern, daß du den Weg durch unsere Stube lang fandest, denn du mußtest über die ganze Hochebene, die Jämtland genannt wird, gehen. Auch war es nicht zu verwundern, daß es dir schwer wurde, den Spund in die Tonne zu stecken, denn all das Wasser, das aus den Schneebergen herabgebraust kommt, strömte dir entgegen. Und als du das Wasser über unsern Estrich hinleitetest, schufst du Furchen und Vertiefungen, die jetzt zu Flüssen und Seen geworden sind. Es war auch kein geringer Beweis von deiner Kraft, den du liefertest, als du die Mühle einmal herumdrehtest, denn zwischen den Steinen lag nicht Korn, sondern Kalkstein und Schiefer und mit der einen Drehung mahltest du so viel, daß die ganze Hochebene mit guter, fruchtbarer Erde bedeckt ist. Daß du nicht in dem Bett liegen konntest, das ich dir bereitet hatte, verwundert mich ebenfalls nicht, denn ich hatte dich auf große, eckige Berggipfel gebettet. Die hast du nun über das halbe Land hingeschleudert, und es mag wohl sein, daß dir die Menschen dafür nicht so dankbar sind wie für das andere, was du getan hast. Ich sage dir nun Lebewohl, und ich verspreche dir, daß mein Mann und ich von hier fortgehen werden, an einen Ort, wo du uns nicht so leicht besuchen kannst.‹
Der Wandersmann hörte dies alles mit wachsendem Zorn an, und als das Riesenweib geendet hatte, griff er nach einem Hammer, den er im Gürtel trug. Ehe er ihn aber noch erhoben hatte, war das Weib verschwunden und wo das Haus der Riesen gelegen hatte, sah man nichts als die graue Felsenwand. Zurückgeblieben aber waren die mächtigen Flüsse und Seen, denen er Platz auf der Hochebene geschaffen, sowie die fruchtbare Erde, die er gemahlen hatte. Zurückgeblieben waren auch die herrlichen Berge, die Sämtland seine Schönheit verleihen, und die allen, die sie besuchen, Kraft, Gesundheit, Freude, Mut und Lebenslust schenken. So glaube ich denn, daß von allen Taten Asa-Thors keine rühmenswerter ist als die, welche er in jener Nacht vollbrachte, als er Felsenmassen hinausschleuderte von den Frostvigbergen im Norden bis zu dem Helagsberg im Süden, von den Oviksbergen jenseits des Storsös bis zu den Sylarn an der Reichsgrenze.«
XLVI. Die Sage vom Härjetal
Dienstag, 4. Oktober.
Niels Holgersen wurde unruhig, weil die Reisenden so lange auf dem Aussichtsturme blieben. Der Gänserich Martin konnte nicht kommen und ihn abholen, solange sie da waren, und er wußte ja, daß die Wildgänse Eile hatten, gen Süden zu ziehen. Mitten während der Geschichte war es ihm, als höre er Gänsegeschnatter und starke Flügelschläge, ganz so, als seien es die wilden Gänse, die davonflogen. Aber er wagte nicht, an die Rampe zu treten, um zu sehen, wie es sich verhielt.
Als die Gesellschaft endlich gegangen war, so daß sich der Junge aus seinem Versteck hervorwagen konnte, sah er unten an der Erde keine Wildgänse, und es kam kein Gänserich Martin, ihn zu holen. So laut er konnte, rief er: »Wo bist du? hier bin ich!« aber die Reisegefährten ließen sich nicht blicken. Es kam ihm auch nicht einen Augenblick in den Sinn, daß sie ihn verlassen hatten, aber er fürchtete, daß ihnen ein Unglück zugestoßen sei, und er stand da und überlegte, was er anfangen solle, um sie ausfindig zu machen, als sich der Rabe Bataki neben ihm niederließ.
Nie hatte der Junge gedacht, daß er Bataki jemals mit einem so freudigen Willkommen begrüßen würde, wie er es jetzt tat. »Lieber Bataki!« sagte er, »wie herrlich, daß du