Ausgewählte Werke von Selma Lagerlöf. Selma Lagerlöf

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Ausgewählte Werke von Selma Lagerlöf - Selma Lagerlöf

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das Sausen der ewigen Wälder übertäubt. Sieh, diese reiche Frau stieg zu ihm herab in ihren Sünden, ward seine Schwester in ihrem Elend, nur um ihm Mut zum Leben zu machen. Er sollte erkennen lernen, daß auch auf den Häuptern anderer Sorge und Schuld lastete. Er erhob sich und trat auf die Majorin zu.

      »Willst du jetzt leben, Gösta Berling?« fragte sie mit einer Stimme, die von Tränen fast erstickt war. »Weshalb willst du sterben? Du hättest ein tüchtiger Pfarrer werden können, nie aber war der Gösta Berling, den du in Branntwein ertränktest, so strahlend unschuldsrein wie die Margarete Celsing, die ich in Haß erstickte. Willst du jetzt leben?«

      Gösta fiel vor der Majorin auf die Knie. »Vergib mir«, sagte er, »aber ich kann nicht.«

      »Ich bin eine alte Frau«, sagte die Majorin, »verhärtet in bitterem Kummer, und ich sitze hier und gebe mich selber einem Bettler preis, den ich halb erfroren in einer Schneewehe am Wege gefunden habe. Es geschieht mir recht. Geh Er nur hin und werd’ ein Selbstmörder, dann kann Er jedenfalls nichts von meiner Torheit erzählen.«

      »Ich bin kein Selbstmörder, ich bin ein zum Tode Verurteilter. Mache mir den Kampf nicht zu schwer. Ich kann nicht leben. Mein Körper hat die Obergewalt über meine Seele gewonnen, deswegen muß ich die freigeben, damit sie zu Gott kommen kann.«

      »Er glaubt also, daß sie zu Gott kommt?«

      »Lebt wohl, Majorin Samzelius, lebt wohl!«

      »Leb wohl, Gösta Berling!«

      Der Bettler erhob sich und ging mit hängendem Kopf und schleppenden Schritten auf die Tür zu. Diese Frau machte ihm den Weg zu den ewigen Wäldern schwer.

      Als er an die Tür kam, mußte er sich umwenden. Da begegnete er einem Blick der Majorin, die regungslos dasaß und ihm nachsah. Er hatte niemals eine solche Veränderung in einem Gesicht wahrgenommen, und er stand still und starrte sie an. Sie, die eben noch böse und drohend gewesen war, saß still da wie verklärt, und ihre Augen strahlten vor erbarmender, mitleidiger Liebe. Es war etwas in ihm, in seinem verwilderten Herzen, das vor diesem Blick schmolz; er lehnte seine Stirn gegen den Türpfosten, hob die Arme über dem Kopf in die Höhe und weinte, als wenn sein Herz brechen sollte.

      Die Majorin warf die Tonpfeife ins Feuer und kam zu ihm hin. Ihre Bewegungen waren plötzlich so sanft wie die einer Mutter.

      »Nun, nun, mein Junge!«

      Und sie zog ihn zu sich auf die Bank neben der Tür, so daß er, den Kopf in ihrem Schoß, weinte.

      »Will Er noch sterben?«

      Er wollte aufspringen. Sie mußte ihn mit Gewalt festhalten.

      »Jetzt sage ich Ihm zum letztenmal, daß Er tun kann, was Er will. Das aber verspreche ich Ihm, wenn Er leben will, so werde ich die Tochter des Brobyer Pfarrers zu mir nehmen und sie zu einem tüchtigen Menschen erziehen: dann kann Er ja Gott danken, daß Er ihr Mehl stahl. Nun, will Er?«

      Er hob den Kopf in die Höhe und sah ihr in die Augen.

      »Ist das Euer Ernst?«

      »Freilich ist es das, Gösta Berling.«

      Da rang er die Hände in unsagbarer Angst. Er sah vor sich die eingeschüchterten Augen, die zusammengekniffenen Lippen, die kleinen abgemagerten Hände. Das arme kleine Wesen sollte Schutz und Pflege haben, das Brandmal der Erniedrigung sollte aus ihrem Körper getilgt werden wie das Böse aus ihrer Seele. Jetzt ward ihm der Weg zu den ewigen Wäldern verschlossen.

      »Ich werde mir das Leben nicht nehmen, solange sie unter Eurem Schutze steht«, sagte er. »Ich wußte es ja, daß die Majorin stärker sei als ich, daß sie mich zwingen würde zu leben.«

      »Gösta Berling«, sagte sie feierlich, »ich habe um dich gekämpft wie um meine eigene Seligkeit. Ich sagte zu Gott: Wenn noch eine Spur von Margarete Celsing in mir ist, so mache, daß sie sich zu erkennen gibt und den Mann verhindert, sich das Leben zu nehmen. Und Gott erhörte mein Flehen, und du hast sie gesehen, und deswegen konntest du nicht gehen. Und sie flüsterte mir zu, daß du vielleicht um des armen Kindes willen den Gedanken an den Tod aufgeben würdest. Ach, ihr fliegt so kühn, ihr wilden Vögel, Gott aber kennt das Netz, das euch fangen kann.«

      »Er ist ein großer, wunderbarer Gott!« sagte Gösta Berling. »Er hat mich zum Narren gehabt und mich verworfen, aber er will mich nicht sterben lassen. Sein Wille geschehe.«

      Seit jenem Tage wurde Gösta Berling Kavalier auf Ekeby. Zweimal versuchte er es, sich loszumachen und sich einen Weg zu bahnen, um von der eigenen Arbeit zu leben. Das eine Mal gab ihm die Majorin ein Haus in der Nähe von Ekeby; er zog dahin und wollte versuchen, als Arbeiter zu leben. Es gelang ihm auch einige Zeit, aber er ward bald der Einsamkeit und der täglichen Arbeit müde und wurde wieder Kavalier. Das zweitemal ward er Hauslehrer auf Borg bei dem jungen Grafen Heinrich Dohna. Dort verliebte er sich in Ebba Dohna, des Grafen Schwester; als sie aber starb, gerade als er sie zu gewinnen meinte, gab er jeden Gedanken, etwas anderes als ein Kavalier auf Ekeby zu werden, auf. Es schien ihm, als seien einem abgesetzten Pfarrer alle Wege zur Wiederherstellung seiner Ehre verschlossen.

      Die Christnacht

       Inhaltsverzeichnis

      Sintram heißt der böse Gutsherr auf Fors, mit dem schwerfälligen Körper, den langen Affenarmen, dem kahlen Kopf und dem häßlichen, grinsenden Gesicht, der nichts Schöneres kennt, als Unfrieden zu stiften.

      Sintram heißt er, der nur Landstreicher und Raufbolde als Knechte annimmt, der nur keifende, verlogene Mägde in seinem Dienst hat, er, der die Hunde bis zur Raserei quält, indem er ihnen Kopfnadeln in die Schnauze steckt, der sich am glücklichsten zwischen bösen Menschen und wütenden Tieren fühlt.

      Sintram heißt er, dessen schönstes Vergnügen es ist, sich wie der leibhaftige Teufel anzuputzen mit Hörnern und Schwanz und Pferdefuß, und der dann plötzlich aus den dunklen Ecken, aus dem Backofen oder hinter dem Holzschober hervorstürzt, um furchtsame Kinder und abergläubische Frauen zu erschrecken.

      Sintram heißt er, der sich freut, wenn er alte Freundschaft in flammenden Haß verwandeln und die Herzen mit Lügen vergiften kann.

      Sintram heißt er – und eines Tages kam er nach Ekeby.

      »Zieht den großen Brennholzschlitten in die Schmiede, stellt ihn in die Mitte des Raumes, legt einen Karren darüber, den Boden nach oben gewendet, dann haben wir einen Tisch. Hurra, der Tisch soll leben!

      Jetzt herbei mit Stühlen und mit allem, was sich zum Sitzen benutzen läßt. Herbei mit dreibeinigen Schusterhockern und leeren Kisten! Herbei mit zerfetzten Lehnstühlen ohne Lehne und her mit dem alten Einspännerschlitten ohne Kufen und mit der alten Karosse. Ha, ha! her mit der alten Karosse! Das soll die Rednertribüne sein. Nein, seht nur, das eine Rad ist ab und der ganze Wagenkasten fehlt! Es ist nichts als der Bock übriggeblieben. Das Polster ist zerfetzt, die Krollhaare quellen daraus hervor, das Leder ist rot von Alter. Hoch wie ein Haus ist das alte Stück Rumpelzeug. Stoßt, stoßt, sonst stürzt es um!«

      Hurra! Hurra! Es ist Christnacht auf Ekeby. Hinter den seidenen Gardinen des Doppelbettes schlafen der Major und die Majorin, schlafen und glauben, daß auch der Kavalierflügel schläft. Knechte und Mägde können schlafen, übersättigt von dem festlichen Reisbrei, müde von dem starken Weihnachtsbier,

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