Ausgewählte Werke von Selma Lagerlöf. Selma Lagerlöf

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Ausgewählte Werke von Selma Lagerlöf - Selma Lagerlöf

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die Backschaufel standen in einer Ecke, der Spinnrocken war auf eine Bank gestellt, auf dem Wandbrett über dem Fenster lagen Hede und Flachs, ein paar Fitzen Garn, ein Talglicht und ein Bund Streichhölzer.

      Ja, es sah wirklich so aus, als wenn die, denen das Haus gehörte, die Absicht gehabt hätten, wieder zurückzukehren. In der Bettstelle lagen Betten, und an der Wand saßen noch lange Zeugstreifen, auf die drei Männer zu Pferd gemalt waren, die Kaspar, Melchior und Balthasar hießen. Dieselben Pferde und dieselben Reiter waren viele Male abgebildet. Sie ritten die ganze Stube herum und setzten ihren Ritt ganz bis zu den Dachbalken fort.

      Plötzlich aber erblickte der Junge etwas oben an der Decke, das ihn mit einem Satz auf die Beine brachte. Es waren zwei trockene Flachbrote, die an einer Stange hingen. Sie sahen ja freilich ein wenig alt und schimmelig aus, aber Brot war es doch. Er schlug mit der Backschaufel danach, so daß ein Stück herabfiel. Er aß und stopfte seinen Sack voll. Es war doch erstaunlich, wie gut Brot schmeckte!

      Er sah sich noch einmal in der Hütte um, denn er wollte sehen, ob da nicht noch etwas anderes war, was sich des Mitnehmens verlohnte. »Ich darf doch nehmen, was ich nötig habe, wenn sonst niemand sich etwas daraus macht,« dachte er. Aber das meiste war zu schwer und zu groß. Das einzige, was er mitnehmen konnte, waren vielleicht ein paar Streichhölzer.

      Er kletterte auf den Tisch hinauf und schwang sich mit Hilfe der Gardinen auf das Brett über dem Fenster hinauf. Während er da stand und die Streichhölzer in seinen Sack stopfte, kam die Krähe mit der weißen Feder zum Fenster herein.

      »Ja, hier bin ich,« sagte Fumle-Drumle und ließ sich auf dem Tisch nieder. »Ich konnte nicht früher kommen, weil die Krähen heute einen neuen Häuptling an Wind-Eiles Stelle gewählt haben.« – »Wen habt ihr denn gewählt?« fragte der Junge. – »Ach, wir haben einen gewählt, der keine Räuberei und Ungerechtigkeit dulden will. Wir haben Garm Weißfeder gewählt, der ehemals Fumle-Drumle genannt wurde,« erwiderte er und richtete sich stolz auf, so daß er ganz majestätisch aussah. – »Das war eine gute Wahl!« sagte der Junge und beglückwünschte ihn. – »Ja, du kannst mir wohl Glück wünschen,« sagte Garm und erzählte dem Jungen von allem, was er von Wind-Eile und Kaara hatte erdulden müssen.

      Mitten während dieser Unterhaltung hörte der Junge draußen vor dem Fenster eine Stimme, die ihm bekannt vorkam. »Ist er hier?« fragte Reineke Fuchs. – »Ja, hier ist er versteckt,« antwortete eine Krähenstimme. – »Nimm dich in acht, Däumling!« rief Garm. »Wind-Kaara steht draußen mit dem Fuchs, der dich fressen will.« Weiter kam er nicht, als Reineke schon gegen das Fenster sprang. Die alten, morschen Fenstersprossen gaben nach, und im nächsten Augenblick stand Reineke auf dem Tisch unter dem Fenster. Garm Weißfeder, der keine Zeit hatte zu entfliehen, wurde auf der Stelle totgebissen. Dann sprang Reineke auf den Fußboden und sah sich nach dem Jungen um.

      Der versuchte, sich hinter einem großen Büschel Hede zu verstecken, Reineke hatte ihn aber schon gesehen und krümmte sich bereits zum Sprung. Und die Stube war so klein und so niedrig, daß sich der Junge klar darüber war, der Fuchs könne seiner ohne jegliche Schwierigkeit habhaft werden. Aber in diesem Augenblick war der Junge nicht ohne Verteidigungswaffe. Schnell strich er ein Streichholz an, hielt es an die Hede und warf die auf Reineke herab. Als der Fuchs das Feuer über sich bekam, ergriff ihn eine wahnsinnige Angst. Er vergaß den Jungen und stürzte ganz von Sinnen aus der Hütte heraus.

      Aber es sah fast so aus, als sei der Junge nur einer Gefahr entronnen, um sich in eine noch größere zu stürzen. Von dem Büschel Hede, das er Reineke auf den Kopf geworfen hatte, griff das Feuer nach dem Bettvorhang hinüber. Er sprang hinunter und versuchte, es zu ersticken, aber es hatte schon zu weit um sich gegriffen. Die Stube füllte sich schnell mit Rauch, und Reineke Fuchs, der draußen vor dem Fenster stand, merkte bald, wie es da drinnen aussah. »Nun Däumling,« rief er, »was ziehst du jetzt vor, – dich braten zu lassen oder zu mir herauszukommen? Ich hätte ja am meisten Lust, dich zu fressen, aber ich will mich freuen, auf welche Weise auch der Tod deiner habhaft werden mag.«

      Der Junge konnte nicht anders glauben, als daß der Fuchs Recht bekommen würde, denn das Feuer griff mit schrecklicher Geschwindigkeit um sich. Das ganze Bett stand schon in Flammen, der Rauch stieg aus dem Fußboden auf, und an den bemalten Zeugstreifen kroch das Feuer von einem Reiter zum andern. Der Junge war auf den Herd herausgekrochen und bemühte sich, die Tür zum Backofen zu öffnen, als er hörte, wie ein Schlüssel in das Schloß gesteckt und langsam herumgedreht wurde. Das mußten Menschen sein, die kamen, und in seiner großen Not wurde er nicht bange, sondern freute sich nur. Er stand schon auf der Türschwelle, als die Tür sich schließlich auftat. Vor ihm standen ein paar Kinder, aber was für Gesichter sie machten, als sie die ganze Stube in hellen Flammen sahen, das zu beachten ließ er sich keine Zeit, sondern stürzte an ihnen vorüber, ins Freie hinaus.

      Er wagte nicht weit zu laufen. Er war überzeugt, daß Reineke Fuchs auf der Lauer lag, und er sah ein, daß er sich in der Nähe der Kinder halten müsse. Er wandte sich um, denn er wollte sehen, was für Leute es waren, aber er hatte sie noch keine Sekunde angesehen, als er auf sie zustürzte und rief: »Ei, guten Tag, Gänsemädchen Aase! Guten Tag, kleiner Mads!«

      Als der Junge die Kinder sah, vergaß er ganz, wo er war. Die Krähen und das brennende Haus und die Tiere, die sprechen konnten, schwanden aus seinem Bewußtsein. Er ging auf einem Stoppelfeld in West-Bemmenhög und hütete eine Schar Gänse, und auf dem danebenliegenden Felde gingen die beiden Kinder aus Smaaland mit ihren Gänsen. Und sobald er sie sah, sprang er auf die steinerne Umzäunung und rief: »Ei, guten Tag Gänsemädchen Aase, guten Tag, kleiner Mads!«

      Aber als die beiden Kinder den kleinen Wicht mit ausgestreckter Hand auf sich zukommen sahen, faßten sie sich bei den Händen, gingen ein paar Schritt rückwärts und sahen so aus, als seien sie in Todesangst.

      Der Junge sah ihren Schrecken, kam zu sich und entsann sich, wer er war. Und da meinte er, es sei das Ärgste, was ihm widerfahren könne, daß gerade diese Kinder sehen sollten, daß er verhext war. Er war ganz überwältigt vor Kummer und Schrecken, weil er kein Mensch mehr war. Er wandte sich ab und entfloh. Wohin; das wußte er selbst nicht.

      Aber als der Junge auf die Heide hinauskam, hatte er eine glückliche Begegnung. Denn mitten im Heidekraut sah er etwas Weißes, und niemand anderes als der weiße Gänserich in Gesellschaft von Daunenfein kam auf ihn zu. Als der Weiße den Jungen in einer solchen Eile laufen sah, glaubte er, daß ihm Feinde auf den Fersen seien. Er warf ihn schnell auf seinen Rücken und flog mit ihm davon.

      XVI. Die alte Bauerfrau

       Inhaltsverzeichnis

       Donnerstag, den 14. April.

      Drei müde Wanderer waren in der späten Abendstunde ausgezogen, um ein Nachtlager zu suchen. Sie zogen durch einen ärmlichen und schwachbebauten Teil des nördlichen Smaaland, aber daß sie einen Ruheplatz, wie sie ihn sich wünschten, finden könnten, hätte man doch meinen sollen, denn sie waren keine verwöhnten Leute, die weiche Betten und feine Stuben verlangten. »Hätte nur einer dieser langen Bergrücken einen Gipfel, so steil und hoch, daß kein Fuchs an einer der Seiten hinaufklettern kann, so hätten wir einen guten Schlafplatz,« sagte einer von ihnen. – »Wäre da nur kein Eis auf einem der großen Moore, und wäre es nur so sumpfig und naß, daß sich kein Fuchs da hinauf wagte, so wäre das auch ein gutes Nachtquartier,« sagte der zweite. – »Hätte sich nur das Eis auf einem der großen Seen, an denen wir vorübereisen, vom Lande losgelöst, so daß ein Fuchs nicht da hinauf könnte, so hätten wir gefunden, was wir suchen,« sagte der dritte.

      Das schlimmste war, daß, sobald die Sonne erst untergegangen war, zwei

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